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Guten Morgen, Genosse Elefant
Autor: Christopher Wilson
Übersetzer: Bernhard Robben
Hardcover: 272 Seiten
Übersetzer: Bernhard Robben
Hardcover: 272 Seiten
Erscheinungsdatum: 16. August 2018
Verlag: Kiepenheuer & WitschLink zur Buchseite des Verlags
Der zwölfjährige
Juri Zipit wohnt im Jahr 1954 mit seinem Vater, der als Tierarzt arbeitet, in
einer Personalwohnung des Hauptstadtzoos in Moskau. Mit sechs Jahren hatte er
einen schweren Unfall. Seither vergisst er häufiger Dinge und hat gelegentlich
Anfälle. Eines Abends wird sein Vater vom Geheimdienst abgeholt, um einen
Patienten zu behandeln. Juri begleitet ihn als Assistent. Die Überraschung ist
groß, als der Patient kein Tier ist, sondern der Stählerne höchstpersönlich,
der überzeugt ist, dass alle Humanmediziner Verschwörer sind. Er ist von Juris
liebem Gesicht und scheinbar einfachen Charakter so angetan, dass er ihn auf
der Stelle zu seinem neuen Vorkoster ernennt. So erlebt Juri hautnah, was im
Zentrum der russischen Macht vor sich geht.
Juri ist ein
ganz besonderer Charakter, der sich dem Leser zu Beginn des Buches selbst
vorstellt. Er lebt mit seinem Vater im Zoo und hat sich damit abgefunden, dass
er seit seinem Unfall sechs Jahre zuvor oft Wörter oder Erinnerungen vergisst
und an Epilepsie leidet. Denn gleichzeitig ist er sehr wissbegierig und kennt
sich mit vielen Dingen aus, von denen seine Klassenkameraden keine Ahnung
haben. Außerdem hat er ein liebes, stets lächelndes Gesicht, das dazu führt,
dass ihm Fremde ständig vertrauliche Dinge erzählen, die er gar nicht hören
will. Seine Mutter war Ärztin und einfach verschwunden, als er fünf Jahre alt
war. Auch sein Vater lebt in ständiger Angst, eines Tages abgeholt zu werden
und hat Juri eingeschärft, im Ernstfall so wenig wie möglich zu sagen.
Als die
Geheimpolizei Juri und seinen Vater eines abends tatsächlich mitnimmt, passiert
das aus ganz anderen Gründen als erwartet. Sie werden zum kranken Stählernen
geführt, der von Juris Vater begutachtet werden soll. Dessen Diagnose gefällt
ihm nicht, doch Juri will er als Vorkoster behalten. So gerät Juri völlig
unvorbereitet in ein Schlangennest, in dem alle einander hintergehen und ihre
eigene Agenda verfolgen. Von seiner Arglosigkeit wollen verschiedene Personen
profitieren und versuchen ihn für ihre persönlichen Zwecke einzuspannen.
Juri sieht
und erlebt vieles, dass er nicht ganz versteht. Zu Beginn realisiert er nicht
einmal, dass er tatsächlich für Stalin arbeitet. Von seinem neuen Umfeld als
einfältig abgestempelt erlebt er als stummer Zuhörer manch streng geheime Szene
mit. Seine erschreckenden Schilderungen machten mich als Leser betroffen und
zeigen die Willkürlichkeit, mit der in totalitären Systemen Entscheidungen über
Leben und Tod getroffen werden.
Das Leben
als Vorkoster ist ein Tanz auf Messers Schneide, denn viele sind schon an Gift
gestorben. Er schwebt in ständiger Gefahr und ist auf sich allein gestellt. Seine
Erlebnisse als Vorkoster enthielten für mich jedoch zu viele wiederkehrende
Beschreibungen von Saufgelagen und Schimpftiraden. Auf der anderen Seite gibt
es viele skurrile Szenen, zum Beispiel bei der Vorführung amerikanischer Filme,
die mich trotz der ernsten Gesamtsituation zum Schmunzeln brachten.
Bei „Guten
Morgen, Genosse Elefant“ handelt es sich um eine fiktive Geschichte, welche
vieles ganz bewusst überspitzt und es mit den historischen Fakten nicht immer
so genau nimmt. Trotzdem vermittelt sie einen Eindruck davon, wie es im
innersten politischen Kreis Russlands in der Zeit vor Stalins Tod zugegangen
sein könnte, wo niemand dem anderen traut und niemand sich in Sicherheit wägen
kann. Juris Geschichte ist tragisch, sein Optimismus und seine kindliche
Gutgläubigkeit rührend. Ich empfehle diese ungewöhnliche, dramatische Geschichte
mit vielen satirischen Elementen sehr gerne weiter!