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Vox
Autorin: Christina Dalcher
Übersetzer: Marion Balkenhol & Susanne Aeckerle
Hardcover: 400 Seiten
Übersetzer: Marion Balkenhol & Susanne Aeckerle
Hardcover: 400 Seiten
Erscheinungsdatum: 15. August 2018
Verlag: S. FischerLink zur Buchseite des Verlags
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In Amerika ist die „Bewegung der Reinen“ an die Macht gekommen. In
kurzer Zeit hat die erzkonservative Bewegung die Frauen aus sämtlichen
Machtpositionen gedrängt und sie schließlich vollständig unterdrückt: Die Pässe
wurden ihnen weggenommen und sie werden gezwungen, Wortzähler zu tragen, mit
denen sie nur 100 Wörter pro Tag sprechen können. Jean war früher kognitive
Linguistin. Sie stand kurz vor einem Durchbruch in ihrer Forschung rund um die
Heilung der Wernicke-Aphasie, einer Sprachstörung. Jetzt bleibt ihr nur noch
die Versorgung ihres Manns und ihrer vier Kinder und jede Menge Wut, für die
sie kein Ventil hat. Doch dann verunglückt der Bruder des Präsidenten - und
ausgerechnet Jean soll helfen…
Die Ausgangslage dieser dystopischen Geschichte ist erschreckend: Eine
erzkonservative Bewegung hat das Land fest im Griff und Frauen nicht nur aus
der Öffentlichkeit zurückgedrängt, sondern sie nahezu mundtot gemacht. Wie
konnte das passieren, und wie reagieren die Betroffenen und Nicht-Betroffenen
darauf? Erzählt wird die Geschichte von Jean, die wie alle Frauen zum Opfer
geworden ist und weiß, dass sie zu wenig getan hat, um all das aufzuhalten.
Während ihre frühere Mitbewohnerin Jackie jahrelang Proteste organisierte,
hielt sie sich zurück, ging nicht einmal wählen. Nun ist es zu spät, um etwas
zu sagen, denn die hundert Worte am Tag müssen sorgfältig ausgewählt werden.
Besonders schmerzt es sie zu sehen, wie Sonia, ihr jüngstes Kind und einziges
Mädchen, aufwächst. Mit ihren Kenntnissen hat Jean sie gezielt konditioniert,
sodass Sonia weit weniger als hundert Wörter täglich sagt, um möglichst weit
weg zu bleiben von dieser gefährlichen Grenze, dessen Überschreiten starke
Stromstöße zur Folge hat.
Immer wieder werden kurze Rückblicke eingeschoben, die dem Leser
verständlich machen, wie es so schnell dazu kam, dass die „Bewegung der Reinen“
die Macht übernommen hat. Das Gedankengut der Bewegung weist Ähnlichkeiten zu
dem realer erzkonservativer Bewegungen auf, die eingesetzten Methoden erinnern
an den Nationalsozialismus. Frauen gehören an den Herd und jeder soll möglichst
schnell eine Familie gründen. Wer nicht spurt, der wird mit einem
Wortkontingent von Null ins Lager gesteckt. Mit Entsetzten liest man sich durch
die Seiten. Dabei wird stark auf die emotionale Tube gedrückt, während die
Handlung kaum voranschreitet.
Durch den Unfall des Präsidentenbruders kommt schließlich mehr Schwung
in die Geschichte, denn plötzlich braucht man Jeans Wissen. Endlich hat sie
eine Chance, aus ihrem bisherigen Handlungsmuster auszubrechen. Man lernt
einige neue Charaktere kennen und erfährt Geheimnisse, die Jean sorgfältig
hütet. Ihr Auftrag bringt sie in ein Dilemma und ich war neugierig, wie sie
sich entscheiden wird. Gleichzeitig kommt es in ihrem Umfeld zu erschütternden
Zwischenfällen, die durch die Bewegung der Reinen verursacht werden. Bei all
dem hat mich vor allem eine Sache wirklich gestört: Zwar wird immer gesagt,
dass die Bewegung der Reinen das ganze Land kontrolliert, doch das
Beziehungsgeflecht wirkt so krampfhaft konstruiert, dass Amerika ein Dorf zu
sein scheint. Ihr Mann arbeitet für den Präsidenten, Jean forscht genau an der
Krankheit, die den Präsidentenbruder ereilt, ihre ehemalige Mitbewohnerin war
die Wortführerin der Rebellion, die Nachbarin landet nach einem Fehltritt sofort
im Fernsehen und so weiter. Zum Ende hin wird schließlich auf sich
überschlagende, actionreiche Ereignisse gesetzt, bei denen ich irgendwann den
Überblick verloren habe, was nun zum Plan gehört und was nicht.
„Vox“ sendet mit der Geschichte von Jean die wichtige Botschaft, dass man
sich fortlaufend stark machen sollte gegen jede Art von Unterdrückung. Die
Umsetzung war für mich jedoch nicht mehr als Mittelmaß. Zu sehr wird auf
schockierende und emotionale Szenen gesetzt, zu wenig auf einen authentischen
Handlungsverlauf, der das große Ganze im Blick hält.