Mittwoch, 29. August 2018

[Rezension Ingrid] Der Abgrund in dir von Dennis Lehane


*Werbung*
Titel: Der Abgrund in dir
Autor: Dennis Lehane
Übersetzer: Steffen Jacobs und Peter Torberg
Erscheinungsdatum: 29.08.2018
Verlag: Diogenes (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar

Hannas Rezension zum Buch: ->Klick!
---------------------------------------------------------------------


Das Buch „Der Abgrund in dir“ von Dennis Lehane beginnt mit einer verstörenden Szene. Die Protagonistin Rachel, Mitte 30 Jahre alt, erschießt ihren Ehemann an Bord eines Boots. Natürlich wurde bei mir als Leserin dadurch sofort die Frage aufgeworfen, wie es zu dieser Tat kam. Im Prolog erfuhr ich, dass sowohl Täterin wie auch Opfer in dem Moment erstaunt über diesen Schritt sind. Rachel erinnert sich danach an eine Begebenheit, bei der ihre Mutter, die eine erfolgreiche Autorin von Beziehungsratgebern war, sie vor den Lügen von Männern warnte. In der vor ihren Augen ablaufenden Szene erkennt sie das Entsetzen ihres Manns und die wortlose Übermittlung seiner Liebe zu ihr, die sie bis zum Schluss erwiderte. Ich konnte es kaum erwarten mehr zu den Hintergründen zu erfahren. Doch der Autor entwickelte seine Erzählung eher langsam und steigerte so die Spannung.

Der Roman ist in drei Teilen geschrieben. Im ersten Teil dreht sich alles um Rachel, beginnend mit ihrer Kindheit. Sie war keine drei Jahre alt als ihr Vater die kleine Familie verließ. Ihre Mutter Elizabeth kam bei einem Unfall ums Leben und hat ihrer Tochter den Namen des Vaters nie genannt. Mit wenigen Informationen findet sie über zwanzig Jahre später den Mann wieder, der ihr als Vater in Erinnerung ist und zu einem guten Freund wird. Inzwischen ist sie eine erfolgreiche Reporterin bei einem TV-Sender und heiratet einen Kollegen vom Fernsehen. Doch immer häufiger kommt es bei ihr in stressigen Situationen zu Panikattacken. Schließlich ist sie kaum noch in der Lage, ihr zu Hause zu verlassen.

Am Tag ihrer Scheidung trifft sie in einer Kneipe erneut auf den Unternehmenssohn Brian, den sie vor Jahren auf der Suche nach ihrem Vater als Privatdetektiv kennengelernt hat und der damals ihren Auftrag ablehnte. Der zweite Teil des Buchs ist nach ihm benannt und dementsprechend steht Brian in diesem Teil im Fokus. Allein die Länge des Teils im Vergleich zu den anderen beiden lässt auf die besondere Bedeutung der Person schließen. Der letzte Teil beschreibt erneut eine Suche von Rachel. Diesmal ist es eine nach der Wahrheit und dem Vertrauen.

Dennis Lehanes Charaktere in diesem Roman sind komplex. Seine Figur Rachel baut er bedachtsam auf und ließ mich als Leser auf ihre Kindheit an der Seite ihrer permanent unzufriedenen Mutter schauen. Ich konnte ihre Entwicklung raus aus deren Schatten hin zu einer erfolgreichen Journalistin verfolgen. Doch die erlernten Werte und ihr Sinn für Recht und Anstand sind übermächtig. Vielleicht ist daher der Drang, ihren Vater zu finden, auch die Suche nach einer Person, die ihr Halt geben soll im Leben. Ihre erste Ehe hat keinen Bestand weil sie bei ihrem Mann nicht genügend Unterstützung zum Aufbau und Erhalt ihres Selbstwerts findet.

Am Ende des ersten Teils erlebte ich Rachel als zerbrechliche Persönlichkeit, nervlich auf das Äußerste angespannt, am Ende ihrer Kräfte. Doch dann wurde Brian, bis dahin nur eine Randfigur, für sie immer wichtiger. Er kümmert sich liebevoll um sie, ist besorgt und spricht ihr gleichzeitig Mut zu. Insgesamt gesehen fällt es mir schwer von Sympathien zu den Protagonisten zu sprechen, zu zerrissen ist die Persönlichkeit Rachel, zu undurchschaubar die Figur Brian. Und doch haben beide ausreichend gute Eigenschaften, die sie zu interessanten Charakteren macht.

„Der Abgrund in dir“ wartet mit zahlreiche unerwarteten Wendungen und überraschenden Handlungsfolgen auf. Zwar beansprucht er ein wenig die Geduld des Lesers bis er sein Potential voll entfaltet. Die Spannung wächst exponentiell zum Ende hin an. Mir gefiel die Geschichte sehr gut, eine Verfilmung halte ich für denkbar. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

-->