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Die Katze und der General
Autorin: Nino Haratischwili
Hardcover: 750 Seiten
Hardcover: 750 Seiten
Erscheinungsdatum: 31. August 2018
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
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Die junge Georgierin Katze lebt in Berlin und arbeitet als
Schauspielerin. In ihrem Leben läuft vieles gerade nicht nach Plan: Sie steht
kurz vor der Trennung, das Verhältnis zu ihrer Familie ist belastet, sie muss
ihre Wohnung räumen und hat noch kein nächstes Engagement in Sicht. Da wird sie
von einem Handlanger Alexander Orlows, genannt „Der General“, angesprochen. Der
russische Oligarch will sie für ein Video engagieren, in dem sie ein totes
Mädchen spielt, dem sie zum Verwechseln ähnlich sieht. Gemeinsam mit dem
Journalisten Onno Bender, der seit Jahren die Wahrheit darüber veröffentlichen
will, welches Verbrechen Orlow im Tschetschenien-Krieg tatsächlich begangen
hat, ist sie bald Teil eines umfassenden Plans rund um Abrechnung, Schuld und
Sühne.
Beim Blick aufs Buchcover fällt sofort der abgebildete Zauberwürfel
auf. Er spielt im Buch eine zentrale Rolle, denn er gehört Nura, die man im
Prolog kennenlernt. Im Jahr 1995 lebt sie mit ihrer Familie in Tschetschenien
in einem abgelegenen Tal bei Grosny. Den Zauberwürfel hat sie von der Lehrerin
Natalia erhalten, einer zugezogenen Russin, die zu ihrer Vertrauten wird. Diese
ist es auch, die Nura in ihrem Wunsch bestärkt, das Tal und im selben Zug das
Mittelmaß eines Tages hinter sich zu lassen. Doch dann kommt der Krieg in ihr
Dorf.
Lange erfährt man keine Details über Nuras Schicksal. Stattdessen lernt
man in der Gegenwart drei zentrale Personen kennen. Der Schauspielerin Katze
fehlt eine Orientierung, wie es für sie weitergehen soll. Vieles läuft nicht
so, wie sie es gern hätte, doch in was soll sie ihre Energie stecken? Das
Angebot des Generals klickt merkwürdig und gefährlich, aber auch verlockend. Er
scheint bereit, ihr für ihre Mitarbeit eine große Summe zu zahlen, die ihr eine
neue Perspektive gibt. Davon kann sie jedoch erst Onno Bender überzeugen. Der
auf Russland spezialisierte Journalist möchte seit Jahren ein Buch über Orlow
schreiben, was im Tschetschenien-Krieg tatsächlich vorgefallen ist und warum
dieser sich selbst anzeigte und es doch nie zu einem richtigen Prozess kam.
Das Buch nimmt sich Zeit, die drei Protagonisten ausführlich
vorzustellen und ihre Vergangenheit zu beleuchten. Man erfährt zum Beispiel,
dass der General nie in den Krieg wollte und dass seine Verachtung für Onno
nicht nur von dessen Buchambitionen herrührt, sondern viel tiefer greift. Sehr
interessant fand ich auch die Einblicke in Katzes Kindheit in Georgien und das
Leben von ihr und ihrer Familie als Einwanderer in Berlin. Es machte mir
begreiflich, warum sie Orlows Angebot annimmt und Nura für sie bald nicht mehr
nur die Person ist, die sie in einem Video verkörpern soll, sondern viel mehr.
Die Sprache der Autorin ist klar und feinfühlig, während sie den Leser
allmählich mit der grausamen Wahrheit konfrontiert. Sie nimmt den Leser mit in
die Vergangenheit nach Tschetschenien, wo die russische Armee lagert und der
Oberst die ausbleibenden Kämpfe nicht aushält, überall Verschwörer sehen will.
Ein schreckliches Verbrechen und weitreichende Vertuschungsversuche werden
beschrieben, die meinen Wunsch nach Gerechtigkeit immer weiter stärkten. Was
genau hat der General nun mit seinem Video an die Personen vor, die mit ihm in
die Sache verstrickt sind?
Der Plan des Generals bleibt undurchschaubar, Otto eine Schachfigur auf
seinem Feld, Katze eine unberechenbare Variable, die eine Ahnung zu haben
scheint. So strebt die Geschichte unaufhaltsam einer Konfrontation mit
ungewissen Ausgang entgegen. Auf dem Weg dahin sog ich jedes Wort auf, um die
Konsequenzen der über ein Jahrzehnt zurückliegenden Schicksalsnacht zu
begreifen. „Die Katze und der General“ ist eine eindringliche, dramatische
Geschichte, die mich betroffen machte und deren Erzählweise mich beeindrucken
konnte. Ich gebe eine klare Leseempfehlung!