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Titel: Archipel
Autorin: Inger-Maria Mahlke
Erscheinungsdatum: 21.08.2018
Verlag: Rowohlt (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
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Der Roman „Archipel“ von Inger-Maria Mahlke spielt vor dem
Hintergrund einer einhundertjährigen Geschichte, die mich als Leserin mit auf
die Inselgruppe der Kanarischen Inseln nahm. Die Autorin siedelt die Ereignisse
im Buch hauptsächlich auf Teneriffa an, einer Insel die ich selbst zweimal
besucht habe, so dass ich mir das Umfeld sehr gut vorstellen konnte. Einen
Eindruck dazu gibt das Cover. Im oberen Bereich sind die Inseln des Archipels
Gran Canaria und Teneriffa als alte Kartenabbildung zu entdecken, im unteren Bereich
steht ein Drachenbaum vor einem typischen kanarischen Landhaus.
Die Geschichte beginnt im Juli 2015. Zunächst lernte ich als
Leser die Familie Bernadotte kennen. Sie wohnen in San Cristobal de La Laguna
im Norden von Teneriffa. Ana ist Ende 50, studierte
Verwaltungswissenschaftlerin und heute in der Politik auf der Seite der
Konservativen aktiv. Sie ist aktuell in einen Abhörskandal verwickelt. Ihr kaum
älterer Mann Felipe ist ein Spross einer früher auf der Insel hochangesehenen
Familie. Früher war er Professor, jetzt ist er nur noch ein Schatten seiner
selbst, im Clubhaus sitzend, dem Alkohol zusprechend und den Tag genießend. Rosa,
die Tochter der beiden, hat gerade ihr Kunststudium in Madrid abgebrochen und
ist auf die Insel zu ihren Eltern zurückgekehrt. Julio Baute, ihr Großvater mütterlicherseits
versieht derweil mit Mitte 90 noch seinen Dienst als Pförtner im örtlichen
Seniorenheim. Sein Leben umklammert die gesamte Erzählung.
Kaum hatte Inger-Maria Mahlke ihre Figuren und den
entsprechenden Hintergrund aufgebaut, steuert sie ihre Geschichte rückwärts
über die Jahre bis 1919. Das war sicher nicht nur für mich ungewohnt. Die
handelnden Personen blieben in ihrer Zeit zurück, Andeutungen bezüglich des
zukünftigen Geschehens blieben unausgeführt. Stattdessen begegneten mir die
Charaktere in zunehmend jüngerer Form und ihre Vorfahren. Die Autorin zeigt auf
diesem Weg ein Bild der Gesellschaft und der Historie des Archipels, die
verknüpft sind mit der Geschichte ganz Europas. Ihre Liebe für die Heimat und
seiner Bewohner finden Eingang in ihre Schilderung.
Die Familien von Ana und Felipe beeinflussen die
Geschehnisse nicht, sind aber von den Auswirkungen betroffen. Inger-Maria
Mahlkes Charaktere bilden alle Gesellschaftsschichten ab, denn neben den
Familienzweigen der Bernadottes und der Bautes folgt sie auch dem der
Haushälterin von Ana und Felipe. Ihre Themen sind vielschichtig und reichen von
Altersarmut über Umgang mit Medien bis hin zu Faschismus und Spanischer Grippe.
Während der Rückwärtsgang der Erzählung manches Mal notwendigerweise eine
Erklärung des geschichtlichen Hintergrunds benötigt, bei denen die Autorin sich
kurz fasst, liegen ihr ihre Figuren am Herzen. Ihr Ding sind die
Alltagsbeobachtungen und dazu zoomt sie gerne die Situation nah ran und beschreibt
mit ausschmückenden Worten und Sätzen. Dadurch erreicht sie eine große Nähe zu
den Personen. Leider fühlte ich mich durch den besonderen Erzählstil nicht zu
den Charakteren hingezogen. Mein Lesefluss wurde immer wieder unterbrochen.
Kaum nahm das Geschehen vor meinen Augen Form an nahm musste ich es auch wieder
gehenlassen und mich mit der Erzählung zurück bewegen.
Einerseits wirkt der Roman konstruiert, der Gedankengang
strengt an weil es immer wieder zu Abbrüchen der stringenten Erzählführung
kommt. Andererseits zolle ich der Idee und der Ausführung, den Roman zeitgeschichtlich rückwärts
zu erzählen, große Anerkennung.