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Titel: Guten Morgeen, Genosse Elefant
Autor: Christopher Wilson
Übersetzer: Bernhard Robben
Erscheinungsdatum: 16.08.2018
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
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Der Engländer Christopher Wilson nimmt den Leser in seinem
Roman „Guten Morgen, Genosse Elefant“ mit in die Sowjetunion ins Jahr 1953. Es
ist das Ende der Stalinzeit und der Protagonist Juri erlebt diesen Zeitraum aus
einer ganz besonderen persönlichen Sicht. So schmückt denn auch ein
fünfzackiger roter Stern das Cover des Buchs, hier als Symbol für eine
kommunistische beziehungsweise sozialistische Weltanschauung. Unterbrochen wird
der Stern durch einen Löffel. Er steht für den Job des Vorkosters, den Juri
einnehmen wird. Die Elefanten im oberen Bereich sowie der Titel beziehen sich
auf den Tarnnamen, den der damalige Diktator der Sowjetunion von einem
Mitarbeiter erhält und damit dessen Gewichtigkeit betont.
Juri Romanowitsch Zipit ist Halbwaise. Mit seinem Vater, dem
Hauptveterinär des Zoos, wohnt er in einer Dienstwohnung neben den Tiergehegen.
Er ist zwölf Jahre alt als er durch Zufall zum Vorkoster des „Stählernen“, der sich gerne Wodsch nennen ließ, wird. Eine gewisse geistige Beschränkheit, hervorgerufen durch
einen Unfall als Kind, kombiniert sich bei Juri mit Intelligenz und
Gerissenheit. Sein Gesicht wirkt auf Betrachter vertrauenserweckend und auch
der Wodsch ist von ihm stark eingenommen. Welche Vorzüge und Nachteile die ihm
übertragene Aufgabe hat, kann er sich bei Arbeitsaufnahme noch nicht
vorstellen.
Juri erzählt seine Geschichte mit Blick auf die ein Jahr
zurückliegenden Ereignisse. Auf diese Weise konnte ich mich als Leser im Laufe
der Schilderung, die zunehmend bedrückender wird und ihm Vieles abverlangt, immer
wieder seines Überlebens der Ereignisse versichern.
Christopher Wilson gelang es mit seinem Roman mich
gleichzeitig zu erheitern und tieftraurig zu stimmen. Juri hat eine
unvoreingenommene gar naive Art seine Umwelt wahrzunehmen. Er weiß, dass er oft
zu viel redet und Menschen dazu bringt, ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Schon
zu Beginn gibt er einen kurzen Einblick in die Möglichkeit der
Instrumentalisierung seiner Altersklasse im sozialistischen Staat durch die
Lehrer. Der Autor wählt seinen Protagonisten bewusst jung um uns als Leser
aufzuzeigen, dass uns niemand, auch nicht die Eltern, schützen können, wenn man
in das Blickfeld der Mächtigen gerät, so unschuldig und unerfahren auch unser
Geist noch sein mag. Den einzigen Schutz bieten Machtträger mit konträren
Ansichten, die sich gegenseitig ausspielen. Gesprochene oder geschriebene Worte
können große Freude oder verheerenden Schaden anrichten. Ohne zu hinterfragen
oder weitere Einblicke zu gewinnen schildert Juri das feine Ränkespiel um die, im
übertragenen Sinne, Plätze in der ersten Reihe beim nahenden Abgang des
Generalsekretärs des Zentralkomitees. Hass, Neid und Rache sind dabei die
Triebfedern. Den Leser beschwört Juri zu seinem Mitwisser, was der Erzählung
von Anfang an etwas Geheimnisvolles gibt.
Der Autor vermag es mit der Kunst der Übertreibung seinem
Roman einen humorvollen Anstrich zu geben, doch als ich mit Juri tiefer in die
Schmiede der Macht eindrang wurde mit Angst und Bange. Hier ist nur noch
widerspruchslose Pflichterfüllung angesagt, nach Belieben besteht die
Möglichkeit Unerwünschte auszusortieren. An dieser Stelle möchte ich dem
Übersetzer Bernhard Robben ein Lob aussprechen, der es geschafft hat, den
speziellen Humor und die Feinsinnigkeiten des Romans ins Deutsche zu
transportieren. Bei näherem Hinsehen verschmelzen Fiktion und gelebte
Vergangenheit der Erzählung. Dieser Umstand brachte mich ins Grübeln darüber, dass es auch
heute noch vergleichbare Regierungssysteme wie das geschilderte gibt. Juris
unbedarfte Art zeigte mir die Hilflosigkeit des gewöhnlichen Einzelnen in einem
solchen Staat. „Guten Morgen, Genosse Elefant“ stimmt nachdenklich, bleibt noch
lange in Erinnerung und daher empfehle ich es gerne weiter.