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Befreit. Wie Bildung mit die Welt erschloss
Autor: Tara Westover
Übersetzer: Eike Schönfeld
Autor: Tara Westover
Übersetzer: Eike Schönfeld
Hardcover: 448 Seiten
Erscheinungsdatum: 7. September 2018
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
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Tara Westover wächst als jüngstes von sieben Kindern auf einem Berg in
Idaho auf, wo ihr Vater einen Schrottplatz hat und ihre Mutter als Hebamme
arbeitet. Statt eine Schule zu besuchen arbeitet sie früh mit, sortiert
Schrott-Teile und mischt Tinkturen an. Denn ihr Vater ist überzeugt davon, dass
Schulen und Ärzte von den Illuminaten infiltriert werden. Theoretisch soll sie
Heimunterricht erhalten, doch der findet quasi nicht statt. Auf Anregung ihres
Bruders und voller Zweifel schreibt sie sich schließlich für ein College ein,
dessen Aufnahmetest sie nach einem monatelangen Lernmarathon geschafft hat. Ein
Schritt, der ihre Sicht auf die Welt und ihre Familie nachhaltig ändern wird.
Bevor ich mit der Lektüre begann habe ich mich nicht mit der Geschichte
von Tara Westover beschäftigt. Aufgrund des Klappentextes wusste ich lediglich,
dass sie mit 17 Jahren zum ersten Mal an formalem Unterricht teilnimmt. Warum
ist sie vorher nicht zur Schule gegangen? Wo war sie stattdessen? Auf diese
Fragen erhält man als Leser schon bald eine Antwort.
Schon im Prolog erfährt man, dass Tara jahrelang aus Sicht des Staates
nicht existiert hat, denn sie wächst ohne Geburtsurkunde auf. Es gibt keine
Schulbesuche und keine Arztbesuche, denn alles findet zu Hause statt – wozu sollte
sie also eine brauchen? Mit klaren Worten zeichnet sie ein Bild von ihrem
isolierten Leben auf einem Berg in einem winzigen Örtchen in Idaho. Ihr Vater
wittert Gehirnwäsche in allen staatlichen Institutionen. Er baut sich ein
möglichst unabhängiges Leben aufbauen und bereitet sich darüber hinaus auf das
Überleben im Falle eines Weltuntergangs vor. Und so werden auch schlimme
Verletzungen nur zu Hause behandelt, sie lernt zu Hause schreiben und etwas
rechnen und hat sich ansonsten vor allem an der Arbeit auf dem Schrottplatz zu
beteiligen.
Ich fand die Einblicke in Taras Leben, das Mitten in Amerika
stattfindet und trotzdem alles andere als gewöhnlich ist, interessant. Tara hat
jahrelang Tagebuch geschrieben und spricht im Rückblick sehr reflektiert über
die Erlebnisse ihrer Kindheit und Jugend. Ihr Vater stand mit seiner verqueren
Meinung, mit Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen im Mittelpunkt der
Familie. Diese hatte zu tun, was er wollte. Über die Jahre beginnt sich diese
Konstellation jedoch zu verschieben. Einige Personen werden immer abhängiger
von ihm, andere wollen sich lösen. Dabei ist Tara nicht die erste, die zum
College geht, sondern ihr Bruder Tyler macht es ihr vor und ermuntert sie,
seinem Weg zu folgen.
Im Fokus des Buches steht Taras Beziehung zu ihrer Familie, die durch
verschiedene Ereignisse geprägt wird. Neben ihrem Entschluss, den höheren
Bildungsweg einzuschlagen, ist das auch die Tatsache, dass sie in Bezug auf
Vorfälle im Familienkreis die Wahrheit aussprechen will. Einer ihrer Brüder wurde
jahrelang gegenüber ihr und auch anderen Familienmitgliedern physisch
gewalttätig, doch darüber möchte niemand sprechen und man stellt sie lieber als
Lügnerin hin. Offen schreibt die Autorin über ihre innere Zerrissenheit. Gut
konnte ich verstehen, dass sie den Kontakt zu ihrer Familie halten will, sie
durch die Erweiterung ihres Horizonts aber zum einen immer weiter zurücktreten
kann und sieht, wie engstirnig diese ist, und zum anderen ein Selbstbewusstsein
aufbaut und ihre Werte anpasst.
Tara Westover schildert „Befreit“ ihre persönliche Geschichte. Ich habe
mich über ihren Mut gefreut, in die große Welt hinauszugehen, ärgerte mich über
die Verschwörungstheorien und den Kontrollwahn ihres Vaters und wurde wütend,
als sie über die Taten ihres Bruders sprach. Eine beeindruckende Biographie,
die offen erzählt ist, nichts beschönigt oder dramatisiert und doch ganz viele
Emotionen weckt. Ich gebe eine klare Leseempfehlung!