[Werbung]
Schnee in Amsterdam
Autor: Bernard MacLaverty
Übersetzer: Hans-Christian Oeser
Autor: Bernard MacLaverty
Übersetzer: Hans-Christian Oeser
Hardcover: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 20. September 2018
Verlag: C.H.Beck
-----------------------------------------------------------------------
Gerry und Stella leben in Schottland und sind seit vielen Jahren
verheiratet. Früher war er Architekt und sie Lehrerin, doch inzwischen sind
beide im Ruhestand und ihr Zusammensein wird von Routine bestimmt. Ein
Kurzurlaub in Amsterdam soll den Alltagstrott unterbrechen. Während Gerrys
Hauptinteresse der Frage gilt, ob er auch unterwegs genug Whiskey auftreiben
kann, um sein Verlangen zu stillen, hat Stella ganz eigene Pläne. Diese hängen
mit einem Versprechen zusammen, dass sie selbst vor langer Zeit in einem Moment
größter Not gab.
Das Cover des Buches wirkt mit seinen vielen Schneeflocken winterlich
und zeigt ein Paar auf einer Brücke. Die Frau blickt den Mann an, in ihrer Hand
ein vor den Flocken schützender Regenschirm. Doch er steht außerhalb des
Schutzes, schaut sie nicht an und wendet dem Leser seinen Rücken zu, isoliert
sich selbst. Das könnten Gerry und Stella in Amsterdam sein.
Gleich zu Beginn des Buches machen die beiden sich auf den Weg in die
Niederlande. Dabei erhält der Leser schnell einen ersten Eindruck vom Charakter
der beiden und wie es um ihre Ehe bestellt ist. Gerrys Gedanken drehen sich
fast nur um Whiskey und wie er die Menge seines Konsums vertuschen kann,
während Stella sich um alle organisatorischen Dinge kümmert. Die Stimmung
zwischen den beiden wird von einer gewissen Gleichgültigkeit bestimmt. Zwar
sind sie sich körperlich gelegentlich noch nahe, emotional jedoch haben sie
sich mit der Zeit auseinander entwickelt.
Der Urlaub der beiden wird in ruhigen Tönen erzählt. Die Tage in
Amsterdam ziehen langsam – für meinen Geschmack doch zu gemächlich – vorbei,
ohne dass es zu einem größeren Zwischenfall kommt. Um mehr über die Gefühle des
Ehepaars zueinander zu erfahren, muss man vor allem zwischen den Zeilen lesen.
Lautstarke Konfrontationen gibt es nicht, doch sieht man hier dem schleichenden
Zerfall einer einst starken Beziehung zu. Die symbolhafte Sprache des Autors,
bei der Stella beispielsweise sich und Gerry mit den Setzrissen der Wohnung
vergleicht und Ewigkeitsohrringe im Kanal versenkt, hat mir sehr gefallen.
Im Mittelpunkt des Buches steht die Frage, ob man im höheren Alter noch
aktiv große Änderungen seinen Lebensumständen vornehmen will oder es einfacher
ist, so weiterzuleben, wie man es seit Jahrzehnten kennt. Doch wie lang geht
letzteres gut, wenn die Menschen selbst sich fundamental ändern? Konsequenzen
aus Gerrys Alkoholismus zu ziehen fühlt sich für Stella unmöglich an, ein
Gefühl, das mir beim Lesen begreiflich gemacht wurde. Gleichzeitig steht ein lang
vergangenes Ereignis zwischen den beiden, über das sie nicht reden, das bei
ihnen aber im Laufe der Tage in Amsterdam gedanklich immer stärker in den
Vordergrund tritt. Hier war ich neugierig, mehr zu erfahren und zu erleben, wie
die beiden mit der Erinnerung umgehen.
„Schnee in Amsterdam“ ist eine berührende Geschichte über ein Ehepaar,
das sich emotional auseinander gelebt hat und spürt, dass es so eigentlich
nicht weitergehen kann. Der Autor lässt den Leser tief ins Innenleben der
Charaktere blicken und mit ihnen fühlen. Eine ruhige, sprachlich starke
Ehestudie vor der schönen Kulisse Amsterdams, die ich gerne empfehle!