Titel: Der Stammhalter - Roman einer Familie
Autor: Alexander Münninghoff
Erscheinungsdatum: 20.07.2018
Verlag: C.H. Beck (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783406727320
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Im Buch „Der Stammhalter“ erzählt Alexander Münninghoff die
Geschichte seiner eigenen Familie, die mit seinem Großvater Joan Münninghoff
beginnt, der im Jahr 1917 im lettischen Riga die zukünftige Großmutter des
Autors kennenlernt. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschlossen aus der vier
Kinder hervorgingen.
Der Niederländer Joan Münninghoff gründete während des
ersten Weltkriegs eine Exportfirma in Dänemark und ließ sich später in Lettland
nieder. Durch seine erfolgreichen Geschäfte war er wohlhabend und gelangte
dadurch zu einigem Einfluss. Permanent vergrößerte er sein Unternehmen. Um die vier
Kinder des Ehepaars Joan und Erica Münninghoff kümmerte sich hauptsächlich eine
Gouvernante. Frans, der Erstgeborene und Vater des Autors, sollte als
Stammhalter später die Geschäfte weiterführen. Mit elf Jahren wurde er auf ein
Internat in die Niederlande geschickt. Doch Zeit seines Lebens hat Frans sich
nie als Niederländer gesehen.
Der zweite Weltkrieg ließ Joan und seine Familie im Jahr
1940 aus Lettland in das niederländische Voorburg in der Nähe von Den Haag
flüchten. Sobald es ihm möglich war, schloss Frans sich der deutschen Waffen-SS
an. Arbeitete er zunächst als Dolmetscher so kämpfte er später an der
vordersten Front. Für seinen Vater ist und bleibt er ein Querulant, was sich in
vielen geschilderten Ereignissen zeigt. Die Geburt von Alexander im Jahr 1943
nahm das Familienoberhaupt wohlwollend zur Kenntnis und setzte kurz nach dem Krieg
alles daran, das Sorgerecht für den Enkel auf die Seite seines Sohns zu
bekommen als dieser sich von seiner Frau trennte.
Die wahre Geschichte der Familie Münninghoff liest sich
stellenweise spannender als mancher Roman mit fiktiven Charakteren. Der Autor
gibt sich zunächst als neutraler Erzähler. Anhand von Gesprächen und Schriftgut
hat er das Leben seines Großvaters und Vaters gekonnt rekonstruiert und schildert
sowohl bedeutende Ereignisse als auch unbedeutend erscheinende Begebenheiten,
die aber ungeahnte Auswirkungen haben. Er lässt das unbeschwerte, manchmal
ausgelassene Leben in Riga wiederaufleben genauso wie die schwierigen
Kriegsjahre, in denen vor allem Joan manche Beziehung zum Erhalt der Normalität
spielen ließ. Alexander Münninghoff erklärt Zusammenhänge soweit sie sich ihm
erschließen, räumt aber eine dunkle ungeklärte Seite im Leben seines Großvaters
ein, durch die er seinen Willen umsetzen konnte.
Überrascht hat mich vor allem ein Teil der Geschichte, in
dem das rigorose Eingreifen des Großvaters es verhindert hat, dass der Autor
vielleicht so wie ich im Kreis Heinsberg aufgewachsen wäre. Besonders hier
zeigt sich die Stellung Joans als Großvater, Vater und Ehemann, der von seinen
Angehörigen Treue und Ergebenheit erwartet, nichts darf den Ruf der Familienehre
trüben. Ab einem bestimmten Zeitpunkt stellt Alexander Münninghoff seine
Wahrnehmung der Dinge auf den Prüfstand. Er beginnt gewisse Ereignisse zu
hinterfragen. Aus dem inzwischen zeitlichen Abstand heraus sieht er sein
Verhältnis zu Vater und Mutter zunehmend differenzierter. Sein persönliches
Schicksal lehrt die Bereitschaft zur Vergebung und der Akzeptanz der gegebenen
Umstände.
Im Roman „Der Stammhalter“ hat Alexander Münninghoff sich
mit seiner familiären Vergangenheit auseinandergesetzt und sie in den
historischen Kontext eingebunden. Manches reale Ereignis ist dabei unerwarteter
als eine Fiktion. Insgesamt eine faszinierende Geschichte, die ich gerne
weiterempfehle.