Titel: Ein einfaches Leben
Autor: Min Jin Lee
Übersetzerin: Susanne Hobel
Erscheinungsdatum: 21.09.2018
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783423434928
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Im Roman „Ein einfaches Leben“ erzählt Min Jin Lee von der
Koreanerin Sunja und ihren beiden Söhnen. Die Erzählung ist fiktiv und beginnt
im Jahr 1911 als eine Ehevermittlerin die Heirat von Sunjas Eltern Hoodie und
Yangjin vereinbart und endet im Jahr 1989. Es ist ein schlichtes, arbeitsames
Leben das Sunja führt, mit vielen Höhen und Tiefen. Die Covergestaltung passt
sich dem Titel an und gibt eine schöne Inspiration für die Verbildlichung der
Protagonisten.
Sunja ist die Enkelin eines Fischers und seiner Frau, die
für einen Nebenverdienst ihre spärlichen Räumlichkeiten zimmerweise vermieten.
Hoodie, als einzig überlebendes Kind der beiden, ist ebenfalls Fischer geworden
und hat erst spät geheiratet. Schon drei Jahre nach der Hochzeit verlor er
seine Eltern und führte die Zimmervermietung weiter. Auch Hoodies Tochter Sunja
ist der einzige Nachwuchs. Nach dem frühen Tod ihres Vaters leben Mutter und
Tochter allein von der Miete. Als junges unbedarftes Mädchen verliebt sie sich
in einen Mann von dem sich herausstellt, dass er in Japan verheiratet ist. Doch
da ist sie schon schwanger von ihm. Ein junger koreanischer Pastor auf der
Durchreise nach Osaka nimmt sie dennoch zur Frau. Noa nennt sie ihren Sohn und
mit Mozasu bekommen die beiden einige Jahre später ein gemeinsames Kind. In
Japan wird aber auch diese Generation nie den Status der koreanischen
Einwanderer gänzlich abstreifen können.
Min Jin Lee hat einen schicksalhaften Roman geschrieben, der
vor allem die Stigmatisierung der Koreaner durch die Japaner zum Thema hat. Sie
gelten als schmutzig, faul und aggressiv. Es ist verstörend zu erkennen, dass
es keinem Familienmitglied gelingt, sich durch Arbeit und persönlicher
Ausstrahlung von dieser Ansicht zu lösen. Die Autorin schafft es ebenfalls, die
Zerrissenheit des Landes Korea in Nord und Süd darzustellen. Gerade die ärmere
Bevölkerung ist ein Spielball der Mächtigen und deren politischer
Entscheidungen. „Pachinko“, ist der Originaltitel des Romans und ein populäres
Glücksspiel in Japan, das für Sunjas Familie zentrale Bedeutung erlangt und in
Anbetracht der gegebenen Umstände mich dazu brachte, darüber nachzudenken, dass
das Leben manchmal einer Lotterie bei der Geburt gleich kommt.
Interessant war es immer wieder über die Rituale, Werte und
Gepflogenheiten der Koreaner und Japaner zu lesen, begonnen im Verhältnis von
Eltern zu Kindern, Männern zu Frauen, im Miteinander, im Berufsleben wie auch
im Alltag. Treue, Respekt und Verantwortung bestimmen die täglichen
Verrichtungen und sorgen für ein Leben, bei dem ein Ausweichen aus der Pflicht für
den Einzelnen zwar möglich aber schwierig ist. Min Jin Lee zeigt mit ihren
Charakteren unterschiedliche Möglichkeiten auf, dem vorgezeichneten Weg zu
entgehen. Im Zeitablauf erhält die Geschichte immer mehr Figuren, denen
Bedeutung zukommt. Diese Entwicklung ist notwendig, um zusätzliche Aspekte der
zentralen Themen zu verdeutlichen. Dennoch empfand ich die Untermauerung der
Begründung des Abgangs eines der Protagonisten zum Schluss als schwach. Die
Autorin wechselt von Kapitel zu Kapitel von Mitgliedern der Familie zu anderen,
zur Orientierung sind die jeweiligen Wechsel mit Ort und Zeitangaben versehen.
„Ein einfaches Leben“ ist ein faszinierendes Buch über das
Leben einer koreanischen Familie in Japan im letzten Jahrhundert. Bisher habe
ich über die besondere politische Situation und den Auswirkungen auf den Alltag
noch nichts gelesen, so dass der Roman, dessen Realitätsbezug zum Inhalt ich
nicht in Zweifel ziehe, informativ und aufschlussreich für mich war. Ein lesenswertes
Buch, das ich gerne weiterempfehle.