Titel: Befreit - Wie Bildung mir die Welt erschloss
Autorin: Tara Westover
Übersetzer: Eike Schönfeld
Erscheinungsdatum: 07.09.2018
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN: 9783462050127
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„Befreit – Wie Bildung mir die Welt erschloss“ ist die Autobiographie
der heute 32-jährigen Amerikanerin Tara Westover. Sie ist dahingehend
ungewöhnlich, weil die Autorin in den Bergen Idahos ohne Schulbesuch
aufgewachsen ist und dennoch den Weg über die Universität bis hin zum
Doktortitel geschafft hat. Befreit hat sie sich in dieser Zeit von den Glaubensgeboten
und Leitsätzen, die hauptsächlich ihr fundamentalistisch denkender Vater ihr
gesetzt hat, der von ihrer Mutter und einem Teil ihrer sechs älteren Geschwister
unterstützt wird. Um einige Personen zu schützen, hat sie teilweise deren Namen
geändert.
Tara wächst in einer ländlichen Umgebung auf. Ihre drei
ältesten Brüder haben einige Jahre die Schule besucht, doch dann haben die
Eltern beschlossen, ihre Kinder selbst zu unterrichten. Es gibt keine
festgelegten Lehrstunden, oft lernen die Kinder ganz nebenher durch Erklären
von Alltäglichem und näherem Betrachten von Bekanntem und Unbekanntem. Taras
Vater Gene betreibt einen Schrotthandel und schon früh wird sie zur Mitarbeit
aufgefordert. Auch ihrer Mutter Faye ist sie behilflich im Haushalt und bei der
Herstellung verschiedener Kräuterheilmittel. Im Laufe der Jahre passieren
mehrere schwere Unfälle in die mindestens eins der Familienmitglieder
involviert ist. Doch ein Arztbesuch ist kostspielig und Gene setzt auf die
Vorsehung zur Heilung und Naturheilstoffe. Der Vater steigert sich in einige
religiöse Ansichten hinein und dringt auf deren Einhaltung, notfalls auch mit
Gewalt. Faye stellt sein Verhalten nicht in Frage. Erst viel später erfährt
sie, dass Gene eine psychische Erkrankung hat.
Tara Westover setzt sich in ihrer Biografie kritisch mit
ihrer Vergangenheit auseinander. Sie beschönigt nichts. Als Kind blieb ihr viel
Raum, ihre Umwelt auf eigene Faust zu entdecken. Bis auf Anstandsregeln, die
hauptsächlich ihre Kleidung betrafen, und religiösen Wertvorstellungen waren
ihr kaum Grenzen gesetzt. Doch sie hat auch gelernt, dass jedes
Familienmitglied so früh wie möglich dabei helfen muss, die Existenz zu
sichern. Aus ihrer Sicht als erwachsene Frau, versucht sie die Handlungen ihrer
Eltern zu verstehen, denn allein mit einer fundamentalistischen
Glaubenseinstellung sind nicht alle Entscheidungen von ihnen zu begreifen.
Gerade auch die Gewalt, die einer ihrer Brüder ihr gegenüber ohne das
Einschreiten von Vater oder Mutter zeigt, bleibt unfassbar. Und dennoch fällt
ihr die Ablösung vom Elternhaus schwer, denn hier reicht ihr Wissen für Haushalt,
Kräuterherstellung und die Arbeit auf dem väterlichen Schrottplatz ohne sich
mit anderen messen zu müssen. Die Gewohnheit gibt ihr auf eine gewisse Art
Sicherheit. Und sich von der Liebe ihrer Eltern zu lösen, die doch da ist, aber
sich nicht in der den meisten bekannten Weise äußert, fällt der Autorin schwer.
Überhaupt war es für mich als Leserin nicht immer einfach, die Handlungen und
Ansichten der Familienmitglieder nachzuvollziehen.
Ohne Groll blickt Tara Westover auf die vergangenen Jahre
zurück. Sie definiert nicht nur die Schattenseiten, sondern teilt mit ihren
Lesern viele glückliche Momente, die sie in einer gefühlvollen,
ausdrucksstarken Sprache erzählt. Sie sucht den Kontakt zu Personen außerhalb
der Familie und mit deren Hilfe und der Unterstützung ihrer Brüder öffnet sich
ihr Blick und weitet sich ihr Verstand. Ihre Neugier auf das Leben außerhalb
der Familie wächst und mit ihrer Persönlichkeit macht sie auf sich aufmerksam
und nimmt immer mehr Personen für sich ein. Das gibt ihr Kraft und Stärke und
ihre Unsicherheit verliert sich zunehmend. Für mich war es beruhigend, darüber
zu lesen.
Tara Westovers Autobiographie ist beeindruckend. Entspräche
ihre Geschichte nicht den Tatsachen hätte ich an einigen Stellen innegehalten
und die Fiktion für unrealistisch erklärt. Die Schilderungen der Autorin sind
intensiv und bewegend. Der Lebensweg der Autorin ist lesenswert und wird mir
noch lange in Erinnerung bleiben.