Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Agathe
Autorin: Anne Cathrine Bomann
Übersetzerin: Franziska Hüther
Erscheinungsdatum: 28.01.2019
Verlag: hanserblau
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783446261914
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Der Roman „Agathe“ von Anne Cathrine Bomann ist der erste
Titel im neuen Programm „hanserblau“ des Hanser Verlags. Hanserblau steht für
ein populäres und breitenwirksames Leseangebot und das vorliegende Debüt der
dänischen Autorin passt hervorragend in den vorgegebenen Rahmen.
Agathe Zimmermann ist die Titelfigur des Romans. Sie ist Deutsche,
38 Jahre alt, lebt seit ihrer Studienzeit in Paris und ist verheiratet mit
einem Franzosen. Im Jahr 1948 kommt sie in die Praxis eines 71-jährigen unbenannten Psychiaters, dem
Protagonisten und Ich-Erzähler des Buchs, und ersucht ihn um Hilfe bei ihren
Problemen.
Der Psychiater bereitet sich gerade auf seinen Lebensabend
vor. Er hat die täglichen Patientenstunden mit den verbleibenden Wochen seiner
Berufszeit multipliziert, zählt in regelmäßigen Abständen die ausstehenden
Gespräche bis ihm nur zu deutlich bewusst wird, dass er keine weiteren Pläne
für den Ruhestand besitzt. Während er routinemäßig seine Stunden abhält zeigt
sich zunehmend vor ihm ein bodenloser Abgrund, in den er zu stürzen droht. Erst
nachdem er Agathe wider seinem Willen als Patientin aufgenommen und seine
langjährige Sekretärin aus persönlichen Gründen eine mehrwöchige Auszeit
genommen hat verändert sich sein Denken.
Schon durch die erste Szene machte ich mir ein Bild vom
alternden Psychiater als ein in seiner eigenen Welt erstarrter Mensch, der nach
seinem täglichen Rhythmus lebt und arbeitet, seine Freizeit aber unscheinbar
und angepasst verbringt. Und sogar in seiner Praxis sitzt er während der
Gespräche immer am Kopfende der Behandlungsliege, nicht sichtbar für seine
Patienten. Im Laufe der Jahre hat er immer mehr Abstand zum Leben außerhalb
seiner Praxis genommen, geht keinem genannten Hobby nach und gleichzeitig haben
sich seine Gefühle für seine Mitmenschen auf das Wesentliche, meist
berufsmäßig, reduziert. Agathe bringt etwas in ihm zum Klingen. Ihre Erzählung
berührt ihn tief im Inneren und öffnet ihn für das Kommende. Konnte ich von Beginn
an verfolgen, wie er zunehmend aufgrund seiner festgefahrenen Verhaltensweisen
von sich selbst angewidert ist, so blitzt schließlich ein Funken Motivation zur
Änderung seiner Handlungen in ihm auf.
Um die Distanz zu wahren und aus purer Langeweile zeichnet
der Psychiater während seiner Sitzungen Vogelkarikaturen seiner Patienten. Eine
davon ist ein Spatz, die er mit der Titelfigur in Verbindung bringt und die
daher das Cover des Buchs schmückt. Der Roman hat zwar ein historisches Setting
doch seine Aussagen sind allgemeingültig.
Anne Cathrine Bomann ist selbst Psychologin. In die
skizzierten Gespräche fließt vermutlich eigene Erfahrung ein, denn sie wirken
authentisch. Sie benutzt eine auf das Wesentliche beschränkte Sprache mit
ausdrucksstarken Sätzen und einer Prise Humor. Dadurch brachte sie mich als
Leser sehr nah ran an die existenziellen Fragen des Lebens, vor allem nach der,
welche Bedeutung wir uns selber zugestehen. Die Geschichte stimmt nachdenklich
über unsere eigenen Ängste und die Rolle der von uns eingegangenen Beziehungen
im Zusammenspiel mit unserem Selbstwert. Über allem liegt eine gewisse
Leichtigkeit mit der die Autorin eine nahe Zukunft vermittelt voller Hoffnung
unter der Voraussetzung, sich auf Neues einzulassen. Das Ende der Geschichte bringt
Unerwartetes mit sich. Gerne empfehle ich den Roman weiter.