Rezension von Ingrid Eßer
Titel: Vom Ende der Einsamkeit
Autor: Benedict Wells
Erscheinungsdatum: 24.02.2016
Verlag: Diogenes
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch
ISBN: 9783257069587
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Im Roman „Vom Ende der Einsamkeit“ erzählt Benedict Wells
die Geschichte von Jules und Alva. Ich begegnete dem Ich-Erzähler Jules bereits
auf der ersten Seite und erfuhr von ihm, dass er einen Motorradunfall überlebt
hat. Schon auf den wenigen Seiten des Prologs stellte Jules die immer wieder
aufgeworfene Frage im Roman nach dem, wodurch wir und unser Leben geprägt
werden. Wieviel Anteil daran hat die Umwelt, wieviel davon ist uns als Anlage
mitgegeben?
Die Gedanken von Jules wandern zurück zu seinen Eltern die
er durch ein Unglück verloren hat als er zehn Jahre alt war. Seine beiden
älteren Geschwister und er besuchen danach ein Internat. Dort begegnet Jules
der gleichaltrigen Alva, die allerdings vor Ort bei ihrer Familie wohnt und für
ihn zu einer wichtigen Bezugsperson wird. Es war für mich bewegend
mitzuerleben, wie das Vertrauen der beiden zueinander sich entwickelt. Um
selbst im Leben zurechtzukommen erinnert Jules sich häufiger an das Verhalten
seiner Eltern in bestimmten Situationen. Er sucht nach Rechtfertigungen dafür,
denn er möchte die Handlungsweisen nicht unreflektiert als Basis für sein
eigenes Tun übernehmen.
Jules, sein Bruder Marty und seine Schwester Liz haben ihre
eigenen Vorlieben, Eigenschaften, Fähigkeiten und Vorstellungen von einer
beruflichen Zukunft. Mehrfach zeigt der Autor auf unterschiedliche Art wie
wichtig es ist, füreinander da zu sein. Benedict Wells macht deutlich, dass die
Suche nach dem „Ende der Einsamkeit“ des Protagonisten entsprechend des Titels,
keine Frage nach der Quantität, sondern eine nach der Qualität des
Zusammenseins ist.
Der Autor schafft es, seinem Roman von Beginn an eine
Faszination unter anderem dadurch beizugeben, dass er viele Dinge nur andeutet.
Der Ich-Erzähler ließ mich als Leser hier und da einen Blick auf tiefgründigere
Schichten werfen. Ich wünschte mir, baldmöglichst die entstandenen Lücken beim
Lesen auszufüllen und wurde immer mehr in die Geschichte hineingesogen.
Der Roman ist ein Plädoyer dafür, den Augenblick bewusst zu
leben und die guten Momente zu genießen. Benedict Wells versteht es, die
Hoffnung darauf, den schlechten Seiten des Lebens aus eigener Kraft und eigenem
Willen ausweichen zu können, immer wieder zu wecken. Doch das Erkennen der
Unmöglichkeit dieses Tuns ist genauso erschreckend wie der Verlauf der
Geschichte, die noch lange im Gedächtnis bleibt.