Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Der Atem einer anderen Welt
Autorin: Seanan McGuire
Übersetzerin: Ilse Layer
Erscheinungsdatum: 23.01.2019
Verlag: Fischer Tor (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783596298846
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Das Buch „Der Atem einer anderen Welt“ umfasst die ersten
drei Teile einer vorläufig auf acht Bände geplanten Fantasy-Serie der
kalifornischen Autorin Seanan McGuire. Der erste Teil wurde 2016 als bester
Kurzroman mit dem Nebula Award (Autorenvereinigung) sowie 2017 mit dem
Hugo-Award (Leserpreis) und dem Locus (Fachmagazin) Award ausgezeichnet. Der
Titel des Buchs ist gleichzeitig die Bezeichnung des ersten der beinhalteten
Kurzromane. Außerdem sind noch die Novellen „Unter einem roten Mond“ und „Süßer
Unsinn“ enthalten, wobei jeder Band etwa 150 Seiten umfasst. In den ihr
gestellten Fragen auf Twitter erklärte die Autorin, dass die Handlung der
Bücher immer wechselt zwischen solchen, deren Handlung in einem Internat spielt
und einer Portalfantasie. Das Tor auf dem Cover, das die Eingangspforte zu dem Herrenhaus
im Hintergrund bildet, lädt zum Eintritt in die Geschichte ein.
Eleanor West ist fast hundert Jahre alt, sieht aber deutlich
jünger aus. Sie leitet ein Internat für Kinder auf Abwegen, zu denen
beispielsweise die 17-jährige Nancy gehört, die im ersten Teil im Mittelpunkt
der Geschehnisse steht. Nancy hat zu Hause, so wie alle Internatsschüler, ein
Tor zu einer anderen Welt gefunden. Hinter den verschiedenen Portalen können
die Abwegigen so leben, wie es ihren geheimen Wünschen entspricht. Unsinn,
Vernunft, Bosheit, Tugend, Reim oder Logik sind die Eigenschaften, die in
unterschiedlichen Kombinationen die Länder hinter den Toren auszeichnen. Die
Schulleiterin ist selbst in einem ungewöhnlichen Land gewesen und versteht
daher die Sehnsucht ihrer Schüler, in ihre neue Heimat jenseits der Tore unbedingt
zurückkehren zu wollen, die sie aus den verschiedensten Gründen verlassen
mussten. Ein Portal öffnet sich nur dann, wenn der Suchende am richtigen Ort
zur richtigen Zeit ist. Den Zugang ein zweites Mal zu finden, ist schwierig.
Der zweite Band erzählt die Geschichte der Zwillinge Jack
und Jill, die in der Welt hinter dem Tor, dass sie betreten haben, die ihnen
anerzogenen Rollen tauschen. An der Seite von Rini, die auf der Suche nach
ihrer Mutter ist, erleben im dritten Teil einige der Internatsschüler ein
Abenteuer im süßen Kuchenland. In dieser letzten Novelle des Buchs erhalten die
Portalwelten eigene Namen, so können sie besser charakterisiert und dadurch
unterschieden werden.
Mit ihrem Fantasyzyklus schafft Seanan McGuire eine Welt,
die hinter unserer Realität liegt. Weil ihre Protagonisten ganz normale
Bewohner unserer Erde sind, die noch zur Schule gehen, kann man sich als Leser
in die Figuren hinein denken und ihre Sehnsüchte nachvollziehen. Alle Kinder
und Jugendlichen fühlen sich von ihren Eltern und ihrer Umgebung unverstanden.
Durch ihr Eintreten in eine neue Welt jenseits eines Portals erfahren sie
Zuwendung und manchmal auch Liebe. Die ihnen eigenen Fähigkeiten werden erkannt
und gefördert. In einigen Welten geht es auch blutig und grausam zu, dadurch
konnte ich als Leser kaum glauben, dass es möglich ist, sich hier wohl zu
fühlen. Doch die Schüler finden hier Anerkennung und Zuspruch und wägen daher
ab, ob sie sich wohler fühlen bei einer oft respektlosen Behandlung zu Hause in
ihrer Familie oder dem düsteren, aber motivationsförderlichen Ort jenseits des
Portals. In der Fantasywelt der Autorin gibt es mehrere Schulen für abwegige
Schüler auf der Welt, eine davon ist gar nicht so weit von Eleanors Internat
entfernt und beherbergt Kinder und Jugendliche, die sich wieder der
Wirklichkeit stellen wollen.
Seanan McGuire weist immer wieder darauf hin, dass jeder
Mensch ein Individuum ist und entsprechend seiner Veranlagungen und
Einstellungen behandelt und seine Talente gefördert werden sollten. Sie gibt
nicht nur ihren Figuren das Gefühl, sondern auch ihren Lesern, dass es völlig
in Ordnung ist, anders zu empfinden und dabei eventuell nicht den Vorstellungen
der Eltern zu entsprechen. Ich hoffe darauf, dass die vorliegenden Novellen
Erwachsene mit Kindern dazu anregen, ihren Erziehungsstil zu überdenken.
„Der Atem einer anderen Welt“ von Seanan McGuire handelt von
mutigen Kindern und Jugendlichen und einer Schulleiterin mit viel Verständnis.
Leider entspricht die dritte Novelle nicht ganz dem Niveau der beiden vorigen
Teile, weil sie zu sehr auf der Beschreibung des Lands hinter dem Tor
fokussiert. Alle beinhalteten Kurzromane sind magisch, bewegend, spannend,
amüsant und einzigartig. Ich freue mich auf die Fortsetzungen und empfehle das
Buch an Fantasyleser gerne weiter.