Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Lieber woanders
Autorin: Marion Brasch
Erscheinungsdatum: 27.02.2019
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103974133
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Der Roman „Lieber woanders“ von Marion Brasch erzählt die
Geschichten von Toni und Alex, die an verschiedenen Punkten beginnen und
aufeinander zuführen. Die beiden wissen nicht, dass sie sich bereits einmal
begegnet sind in einem Moment, der das weitere Leben der Protagonisten stark
beeinflusst hat und bei keinem der beiden in Vergessenheit geraten ist. In
diesem Augenblick wären die beiden sicher lieber woanders gewesen.
Toni lebt seit sechs Jahren in einem Wohnwagen auf dem Land.
Sie ist 28 Jahre alt und ungebunden, jobbt in einer Kneipe und zeichnet sehr gut.
Ein Verlag wird auf ihr Talent aufmerksam und lädt sie zu einer Besprechung in
die Stadt ein. Mit Erspartem und den Einkünften aus dem geplanten Buch will sie
einen Schulfreund in Neuseeland besuchen.
Alex hat Autoklempner gelernt, hat als LKW-fahrer gearbeitet
und ist zurzeit als Roadie mit einer Band unterwegs. Er ist verheiratet und hat
eine neunjährige Tochter, doch seit einigen Jahren betrügt er seine Frau mit
einer anderen. Wegen der Erkrankung seiner Tochter macht er sich vorzeitig auf
den Weg nach Hause.
In einer Art Prolog verriet die Autorin mir als Leser dass
sich „zwei Leute“, zu diesem Zeitpunkt noch unbenannt, bereits einmal getroffen
haben und es wieder tun werden. Überhaupt bleiben viele Figuren in ihrem Roman
ohne Namen, aber es reicht die Berufsbezeichnung oder auch die einfache
Bezeichnung als Frau oder Freund, um die Szene in Gedanken mit einer eigenen
passenden Person zu ergänzen. Dadurch gewinnen die namentlich genannten Charaktere
an Bedeutung in der Geschichte von Toni.
Im Leben von Alex gibt es Niemanden, der für ihn so wichtig
wäre, dass er namentlich an ihn denkt. Ein einschneidendes Erlebnis vor sieben
Jahren hat sein Leben vollkommen verändert. Es war nur ein Moment mit einer
falschen Entscheidung. Seitdem trägt er das Gewicht einer nicht gutzumachenden
Schuld mit sich, die im Roman immer deutlicher zu spüren ist. Er ist sich nicht
sicher, ob sein Leben noch lebenswert ist und gönnt sich so viel Vergnügen wie
machbar ist, um sich davon abzulenken. Dennoch kann er die Gedanken an die
Folgen nicht ganz abstreifen, denn was ihm passiert ist, lässt sich nicht
löschen und es ist müßig darüber nachzudenken, ob seine Schuld noch zu toppen
ist. Er gönnt sich Momente mit denen er sich bei mir als Leser unsympathisch
machte.
Im Roman erfuhr ich, dass auch Tina Schuld mit sich trägt
und im weiteren Erzählverlauf erfuhr ich warum. Dadurch wird die Frage
aufgeworfen, ob wir selbst unser Schicksal bestimmen. Sie ist existenziell und
nicht abschließend zu beantworten. Trotz der Schwere der Gemüter, die den
Protagonisten anhängt, schafft Marion Brasch es spielerisch, der Geschichte
etwas Leichtigkeit zu geben. Einerseits geschieht dies durch heitere Szenen,
andererseits durch kursiv gesetzte Abschnitte in denen die Autorin den Leser
ins Vertrauen zieht und ihm mehr zum Hintergrund ihrer Protagonisten oder auch
mal Abstruses erzählt.
Marion Brasch schreibt in „Lieber woanders“ über Dinge, die
jedem von uns zustoßen könnten, macht dadurch ihre Geschichte nachvollziehbar
und rückt sie sehr nah an den Leser heran. Sie verdeutlicht, dass wir das
Erlebte der Vergangenheit nicht ändern, nur akzeptieren und damit weiterleben
können. Der Roman berührt, stimmt nachdenklich und dennoch schafft die Autorin
durch Ironie ihrer Erzählung einen aufheiternden Touch zu geben. Gerne empfehle
ich das Buch weiter.