Sonntag, 7. April 2019

Rezension: Wir nannten es Freiheit von Silke Schütze


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Wir nannten es Freiheit
Autorin: Silke Schütze
Erscheinungsdatum: 01.03.2019
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch
ISBN: 9783426520833
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Der Roman „Wir nannten es Freiheit“ von Silke Schütze thematisiert den Umstand des Lehrerinnenzölibats in Deutschland. Eingeführt wurde das Zölibat 1880 aus arbeitsmarktpolitischen Gründen – um mehr Stellen für Männer zu sichern - und einer besonderen moralischen Vorstellung von der Rolle, die eine Frau in der Ehe einnehmen sollte. Die Freiheit, Beruf und Ehe zu vereinbaren, hatten Frauen aus bürgerlichen Familien nicht. Etwas mehr als 30 Jahre später wurde das Zölibat aufgehoben, um dann vier Jahre danach wieder eingeführt zu werden. Erst in den 1950ern wurde das Verbot zur Heirat endgültig abgeschafft. Das Cover ließ leicht erkennen, dass der Roman in der Vergangenheit spielt, nämlich in Berlin im Jahr 1916.

Lene hat nach ihrem Studium seit einigen Monaten das Glück, als Vertretungslehrerin unterrichten zu dürfen. Möglich ist dies leider nur dadurch, dass viele ihrer Kollegen im Kriegsdienst sind. Schon lange kennt sie Paul, den Sohn des Kohlenhändlers, der ihr seine Liebe kurz vor der Fahrt zum Dienst an der Front erklärt hat. Einige Monate später wird Paul verletzt, ob er wieder vollständig genesen wird, ist in Frage gestellt. Wenn Lene und Paul heiraten, wird sie ihren Beruf nicht mehr ausüben dürfen. Für Lene wird die Entscheidung zwischen Beruf und Heirat zur existentiellen Frage.

Silke Schütze hat ein bewegendes Frauenschicksal in ein weniger bekanntes und ein uns heute erschreckendes Stück Zeitgeschichte eingewoben. Obwohl Lene nur eine fiktive Persönlichkeit ist, könnte sich ihr Schicksal so oder so ähnlich in der Realität abgespielt haben. Sie ist eine selbstbewusste Frau, in einfachen Verhältnissen ohne Vater groß geworden. Auch Lene wächst mit der geschlechtsspezifischen Vorstellung auf, dass Männer und Frauen die für sie bestimmten Rollen in einer Familie einzunehmen haben. Nicht nur die Kriegszeiten lassen sie aber über den Tellerrand der bornierten Gesellschaft blicken. Durch ihren Unterricht versucht sie, ihren Schülerinnen so viel Respekt wie nötig und so viel Courage wie möglich zu vermitteln. Ihr Mut zum Widerstand wächst mit der Unterstützung aus ihrem Umfeld. Weitere abwechslungsreich gestaltete Charaktere geben der Erzählung einige unvorhergesehene Wendungen.

Das zeitgeschichtliche Bild, in das die Autorin ihren Roman setzt, wird durch zahlreiche Details ergänzt. Im Kriegsjahr 1916 werden Lebensmittel und Kohle knapp. Die Autorin lässt die Bedeutung von Schwarzmärkten zur Besorgung des Alltäglichen und die daraus resultierenden Risiken in ihren Roman einfließen. Auch das Zögern vor der Gefahr der jungen Männer vor Kriegsantritt und die Sinnhaftigkeit des Kriegs bezieht sie in ihre Schilderungen ein.

„Wir nannten es Freiheit“ ist dank der sehr guten Recherche von Silke Schütze eine Geschichte, die tatsächlich so hätte geschehen können. Sie ist abwechslungsreich gestaltet und deshalb durchgehend unterhaltsam. Lenes persönliches Schicksal als Lehrerin aufgrund des Zölibats ihres Berufsstands nicht heiraten zu dürfen, damit sie ihre Stelle nicht verliert, impliziert eine berührende Liebesgeschichte, bei der ich von Beginn an auf ein gutes Ende gehofft habe. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

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