Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Das Geburtstagsfest
Autorin: Judith W. Taschler
Erscheinungsdatum: 01.04.2019
Verlag: Droemer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783426281888
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Bereits als ich das erste Mal den Roman „Das
Geburtstagsfest“ von Judith W. Taschler in der Hand hielt erschienen mir das
Cover zum Titel widersprüchlich. Zwar passt nach meiner Vorstellung die
festlich gekleidete Frau in den von mir angenommenen feierlichen Rahmen zum
Ereignis, aber der Raum erschien mir mit seinen Buntglasscheiben, den
verwitterten Holzrahmen und der abblätternden Wandfarbe rückständig und heruntergekommen.
Beim Lesen erfuhr ich, dass hier bereits auf den Inhalt der Geschichte
angespielt wird.
Die Erinnerungen des Protagonisten Kim Mey an seine Jahre
als Heranwachsender führen ihn in eine Zeit zurück, in denen er nur das Nötigste
zum Leben hatte, gepflegtes Eigentum war ihm unbekannt. Vielleicht und gerade
deshalb ist er seit Jahren ein erfolgreicher Architekt, verheiratet und hat
drei Kinder, auf die er stolz ist. Eigentlich möchte er seinen 50. Geburtstag
im engeren Familienkreis feiern. Doch sein jüngster Sohn Jonas hat sich eine
besondere Überraschung für ihn überlegt, denn als Gast lädt er eine alte
Bekannte seines Vaters zum Fest ein.
Die von Jonas eingeladene Tevi Gardiner wohnt inzwischen in
Amerika, ist aber als Jugendliche gemeinsam mit Kim aus Kambodscha nach
Österreich geflohen. Einige Zeit hat sie so wie er in Wien studiert, aber seit
23 Jahren hat Kim sie nicht mehr gesehen. Die geringe Freude, die er beim
Wiedersehen zeigt, verwundert seine Kinder. Schließlich kommt es sogar zum
Streit zwischen Kim und Tevi. Im Laufe der Erzählung führte die Autorin mich
schrittweise an die Geschehnisse in der Vergangenheit heran, verknüpft sie aber
ebenfalls mit der Gegenwart und den daraus resultierenden Folgen, die tief
betroffen machen.
Mit einer Suche nach Tevi durch Jonas und der Bitte um ihren
Besuch zum Geburtstag seines Vaters beginnt ganz unaufgeregt der Roman. Was
Judith W. Taschler dann aber im Laufe der Geschichte erzählt überrollte mich
mit großer Wucht, so unbegreiflich sind die geschilderten Erlebnisse und doch
sind sie realistisch und glaubhaft. Als Leser führte sie mit nach Kambodscha in
die 1970er Jahre, dort lebt Kim als ältester Sohn eines Fischers in einem
kleinen Ort am Meer. Tevi die jüngste Tochter eines Hoteliers in der nächsten
Stadt. Es herrscht Bürgerkrieg im Land und die Veränderung der politischen Lage
dringt irgendwann auch bis in die kleinsten Dörfer.
Mit großer Behutsamkeit beschreibt die Autorin den Alltag
der beiden Familien und die Möglichkeiten, die sich für die beiden Kinder Kim
und Tevi in ihrem Umfeld zur Entwicklung bieten. Doch gleichzeitig entfaltet
sie immer mehr die Grausamkeiten des Kriegs bis hin zur Flucht nach Europa.
Interessanterweise blicken Kim und Tevi aus der Gegenwart sehr unterschiedlich
auf die gemeinsamen Jahre zurück. Die Protagonisten wirken letztlich innerlich
verwundet und zerrissen, die Erinnerungen bruchstückhaft zusammengesetzt, der
Wahrheitsgehalt des Beschriebenen steht in Frage. Ist es Tevi, die ihre
Erlebnisse verdrängt oder Kim, der das Geschehene idealisiert? Judith W.
Taschler lässt die Frage bewusst offen und unterstützt so noch die
Unzulänglichkeit ihrer Figuren, die mir durchaus sympathisch waren. Dennoch riefen
deren Handlungen eine Art Unwohlsein bei mir beim Lesen hervor, allerdings gekoppelt
konnte ich ihr Verhalten aufgrund der Umstände akzeptieren, jedoch nicht für
gut befinden.
„Das Geburtstagsfest“ von Judith W. Taschler überraschte
mich mit seiner Geschichte, die sich in seiner ganzen Tragik langsam über die
Seiten hinweg mit zunehmender Kraft zeigt. Es ist ein denkwürdiges
Geburtstagsfest zu dem die Autorin mich hier in Romanform eingeladen hat, das
noch lange in Erinnerung bleiben wird. Gerne empfehle ich das Buch weiter.