Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Wir sehen uns unter den Linden
Autorin: Charlotte Roth
Erscheinungsdatum: 01.04.2019
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
ISBN: 9783426522356
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Bereits der Titel des Romans „Wir sehen uns unter den
Linden“ von Charlotte Roth verrät, dass die Geschichte in Berlin spielt.
Entsprechend vereinbaren Ilo und Volker im Jahr 1928 wie auch Sanne und Kelmi
25 Jahre später ihre Treffen auf der Prachtstraße der damaligen Hauptstadt. Das
Cover ist zwar schlicht gestaltet, sagt aber über die Beziehungen der Paare
aus, dass ihr Leben schicksalhaft nicht nur sichtbar von dunklen trüben Wolken
überschattet ist.
Ilona, kurz Ilo gerufen, hat eine glänzende Zukunft als
Schauspielerin und Sängerin vor sich. Als sie 1928 den angehenden Lehrer und
Sozialisten Volker trifft und die Machtergreifung der Nationalsozialisten immer
mehr Ressentiments mit sich bringt passt sie ihre Pläne an. Aufgrund seiner
politischen Aktivitäten erhält ihr Ehemann Volker im weiteren Verlauf
Berufsverbot. Inzwischen ist die Familie mit Tochter Susanne komplett und die
Liebe überwiegt auch in den Kriegstagen die schlechte Lebensbasis durch die zunehmenden
Einschränkungen. Zum Ende des Krieges hin wird Volker denunziert und von den
Nationalsozialisten vor den Augen seiner fünfzehnjährigen Tochter erschossen.
Susanne eifert ihrem Vater nach, wird Lehrerin, engagiert
sich politisch ganz in seinem Sinne und hilft im Ostteil Berlins, im dem die
Familie seit langen Jahren wohnt, beim Aufbau. Eines Tages lernt sie den Koch
Kelmi kennen, der im Westteil wohnt und im Ostteil nach einer Lokalität für ein
eigenes Restaurant sucht. Bei gemeinsamen Treffen lernen sich beide nicht nur
besser kennen, sondern erfahren immer mehr, dass sie in vielen Punkten eine
andere Lebenseinstellung haben, die geprägt ist von ihrem Umfeld. Die
politische Lage spitzt sich zunehmend zu, bis es schließlich im August 1961 zum
Mauerbau kommt und damit jeder Berliner eine endgültige Entscheidung für einen
Stadtteil und damit auch für einen Staat treffen muss, in dem er leben will.
Charlotte Roth hat interessante, abwechslungsreich
gestaltete Figuren in ihrem Roman verwoben. Mit Ilo und Volker sowie Sanne und
Kelmi treffen sehr unterschiedliche Charaktere aufeinander. Ilona stammt aus
gut betuchtem Hause, durch ihren Beruf ist ihr Bewunderung sicher. Volker ist
der Sohn eines einfachen Arbeiters. Er kämpft für die gerechte Verteilung der
vorhandenen Güter und stellt sich aktiv auf die Seite der Sozialisten. Kelmi
ist eigensinnig, aber warmherzig und wurde mir daher als Person schnell
sympathisch. Auch er stammt aus einer begüterten Familie im Westteil Berlins,
was wegen seiner Herkunft zu genügend Konfliktpotential mit der ganz im ideologischen
Sinne ihres Vaters handelnden Sanne führt.
Bis in die Nebenhandlungen hinein
hat Charlotte Roth mit Gefühl ihre Figuren gut ausformuliert. Um einen
Überblick über die gesellschaftspolitische Lage im Zeitraum der Geschichte zu
geben, schafft sie Figuren, die durch ihr Sein und Handeln den jeweiligen
Zeitgeist wiedergeben wie beispielsweise die Jüdin Sidonie an der Seite des
Kulturagenten Eugen sowie die behinderte Schwester von Volker und die Nachbarn
von Ilo und ihrer Familie. Deutlich und begründet lässt sie die
unterschiedlichen Gesinnungen hervortreten.
Gekonnt vermittelte mir die Autorin den geschichtlichen
Hintergrund. Dabei bleibt sie neutral und wertet nicht. Auf diese Weise konnte
ich mir selber eine Ansicht darüber bilden, warum es zu einem geteilten
Deutschland gekommen ist. Mit viel Liebe für ihre Geburtsstadt schildert
Charlotte Roth die Örtlichkeiten der Hauptstadt, die bereits damals ein
besonderes Flair hatte.
Mit dem Roman „Wir sehen uns unter den Linden“ blickt
Charlotte Roth auf ein Stück Zeitgeschichte Deutschlands von den Jahren vor dem
2. Weltkrieg bis zum Beginn des Baus der Mauer. Ihre Schilderungen sind authentisch
und ihre Figuren werden in ihrem Umfeld lebendig. Gerne
empfehle ich das Buch an alle Leser weiter, die sich für historische Romane
interessieren.