Rezension von Ingrid Eßer
*Werbung*
Titel: Mehr als die Erinnerung
Autorin: Melanie Metzenthin
Erscheinungsdatum: 14.05.2019
Verlag: Tinte & Feder #tinteundfeder
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch
ISBN: 9782919804313
--------------------------------------------------------
Im Roman „Mehr als die Erinnerung“ nahm Melanie Metzenthin
mich mit auf das fiktive Gut Mohlenberg in die 1920er Jahre. Auf dem Gut hat
Dr. Meinhardt vor einigen Jahren eine Einrichtung für psychisch kranke Menschen
errichtet. Die Patienten dort versuchen nach ihren Möglichkeiten, sich selbst
zu versorgen. Das Coverbild illustriert, dass die Arbeitsgrundlage der Anstalt
nicht nur die Erziehung zur Selbständigkeit ist, sondern den Hilfesuchenden Ruhe
und Entspannung auf dem weitläufigen Gelände bietet. Der Titel verdeutlicht,
dass es nicht nur auf schöne Erinnerungen ankommt, die man mit lieben Menschen
teilt, sondern auch gemeinsame Empfindungen.
Friederike ist die Tochter des Gründers. Sie war eine der
ersten Frauen, die in Heidelberg zum Medizinstudium zugelassen wurden. Dort
begegnete sie ihrem späteren Ehemann, dem vormaligen Leutnant Bernhard von
Aalen, der sich im Weltkrieg eine schwere Kopfverletzung zugezogen hat, die
seine Erinnerungen beeinträchtigt. Friederike brach daraufhin ihr Studium ab,
um ihren Mann zu pflegen. Beide wohnen auf Gut Mohlenberg. Eines Tages ersucht
ein junger Mann um Arbeit. Er leidet unter den schweren Verbrennungen im
Gesicht, die er sich ebenfalls im Krieg zugezogen hat. Seine Papiere sind
zweifelhaft, doch schnell entsteht eine Freundschaft zwischen Bernhard und ihm.
Kurz nacheinander geschehen zwei schreckliche Morde in der Nähe des Gutes. Es
entstehen Gerüchte bei den Ortsansässigen und der Verdacht fällt auf einen
Bewohner von Gut Mohlenberg. Friedericke glaubt nicht an die Vorwürfe und
beginnt Fragen zu stellen, die nicht jedem Recht sind, weil sie an
Begebenheiten heranreichen, die bewusst verschwiegen wurden.
Melanie Metzenthin flechtet in ihren Roman ein Stück
Geschichte der Behandlung von psychisch Kranken ein. Sie greift die damaligen
Begrifflichkeiten auf und beschreibt viele Behandlungsmethoden, die mich
staunen ließen über die Mittel, die man zur Heilung der Psyche einsetzte. Als
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie schafft sie es, die Erkrankungen
der Patienten realistisch darzustellen. Mit viel Einfühlungsvermögen versetzt
sie sich in ihre Figuren und lässt sie wirklichkeitsgetreu handeln. Neben den
interessanten Einblicken in das medizinische Geschehen entwickelt die Autorin
in ihrer Erzählung eine kriminelle Handlung, bei der sich der Spannungsbogen langsam
steigert und bis zum Ende hält. Des Weiteren kommt auch die Liebe nicht zu kurz
auf besondere Art in der gefühlvollen Zuneigung des Ehepaars von Aalen. Die
Schilderung des Zusammenhalts von Frontsoldaten, unterschiedliche Auffassungen
über medizinische Heilweisen und Frauen als Opfer von Männern, die ihre
Fantasien ausleben und vertuschen sind Themen die den Roman auf spezielle Weise
ausschmücken. Angenehm überrascht hat mich der Gastauftritt des noch jungen
Richard Hellmer, einer Figur aus vorigen Romanen von Melanie Metzenthin.
Mit „Mehr als die Erinnerung“ schreibt Melanie Metzenthin
einen unterhaltsamen, spannenden und bewegenden Roman über die Behandlung
psychischer Erkrankungen in den 1920er Jahren und zeigt damit gleichzeitig, wie
viel das Leben solcher Patienten zur damaligen Zeit wert war. Mir hat das Buch
sehr gut gefallen und daher ich empfehle gerne an Leser historischer Romane
weiter.