Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Rainbirds
Autorin: Clarissa Goenawan
Übersetzerin: Sabine Lohmann
Erscheinungsdatum: 01.03.2019
Verlag: Thiele (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783851794236
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Der Roman „Rainbirds“ ist das Debut der indonesischen
Autorin Clarissa Goenawan. Der Titel erinnert an verschiedene Vögel, die in
Australien „Regenvögel“ genannt werden, zu denen speziell Arten der Familie des
Kuckucks zählen. Der Kuckuck ist bekannt dafür, dass er seine Nachkommen
anderen Vögeln unterschiebt. Die Protagonistin Keiko, die Schwester des
Ich-Erzählers und Protagonisten Ren Ishido liebte Vögel, vor allem liebte sie
Vögel in der Natur. Sie liebte auch zu schaukeln, wie die junge Frau auf dem
Cover. Beides zeigte ihr die Freiheit und Leichtigkeit mit der man sich durch
das Leben bewegen kann. Sie selbst verließ ihre Familie in Tokio direkt nach
ihrem Studienabschluss als Lehrerin, um in der fiktiven japanischen Kleinstadt
Akakawa als Lehrerin an einer Paukschule, so werden in Japan Nachhilfeschule
genannt, zu unterrichten. Am Ende des Romans, nachdem sich für mich ein
Familiengeheimnis gelüftet hatte, fiel mir der Zusammenhang von Keiko mit den
Rainbirds und ihren Eigenarten auf. Vielleicht fühlte sie sich den Vögeln
dadurch besonders nah.
Zu Beginn des Romans, der im Jahr 1994 spielt, begegnete ich
Ren mit der Asche seiner Schwester auf dem Schoß auf dem Weg nach Akakawa.
Keiko wurde nur 33 Jahre alt und an einem regnerischen Abend auf offener Straße
ermordet. Die Polizei sucht noch nach dem Täter. Ren ist sieben Jahre jünger
als seine Schwester und hat gerade sein Studium abgeschlossen. Jede Woche haben
sie telefoniert, doch jetzt merkt er, dass er dabei wenig über den Alltag von
Keiko erfahren hat. Sie war immer sein Vorbild. Ein Teil der Erziehung oblag
ihr, weil die Eltern keine Zeit für ihre Kinder hatten. In Akakawa sucht Ren
nach den Spuren von Keiko. Dank des gleichen Studienabschlusses wird ihm die
frei gewordene Stelle seiner Schwester angeboten. Ren bleibt, nicht nur, um dem
Mord nachzugehen, sondern auch um die Handlungen von Keiko zu verstehen. Durch
seinen Aufenthalt lernt er viel Neues über seine Familie und auch über sich
selbst.
Der Roman ist in einer leisen, unaufgeregten Sprache
geschrieben, obwohl ich erwartet hätte, dass Ren in Bezug auf den Mord
aufgeregter gewesen wäre. Aber insgesamt erscheinen mir die Figuren der
Geschichte ganz dem allgemein höflichen Stil der Japaner zu entsprechen, die
ihre Mitmenschen im Allgemeinen nicht mit ihren Gefühlen belasten wollen.
Dennoch bemerkte ich seine Trauer dadurch, dass seine Gedanken immer wieder zu
seiner Schwester zurückkehren und er auch immer wieder den Tatort aufsucht.
Clarissa Goenawan ließ mich in ihrer Geschichte am Alltag in Japan teilhaben. Ren
lebt sich schnell ein und begegnet wiederkehrend einer Schülerin. Dabei konnte
ich letztlich nicht nachvollziehen, warum er sich ihren Annäherungsversuchen
nicht rigider entgegengesetzt hat entsprechend seiner Verantwortung. Überhaupt
ist Ren vom Charakter her jemand, der sich gerne führen beziehungsweise
verführen lässt. Eventuell lässt er sich als Reaktion auf den
Auszug Keikos von zu Hause auf diese Weise treiben. Ohne sie hat er seine wegweisende Kraft verloren und
jetzt auch die Hoffnung darauf, dass sie die Nähe zueinander wiederherstellen
könnten.
Ein Hauch von Mystik legt sich über die Geschichte, wenn Ren
über seine Träume spricht, in denen ihm immer wieder ein bezopftes Mädchen
begegnet. Natürlich war ich neugierig, welcher Figur im Roman sie entspricht. Neben
dem Rätsel um den Mörder von Keiko schafft Clarissa Goenawan durch diesen
Erzählstrang eine weitere unterschwellige Spannung bis zur Aufklärung am Ende
des Buchs.
„Rainbirds“ von Clarissa Goenawan überrascht mit einer
unaufgeregten und dennoch ruhelosen Suche nach Erkenntnissen, einerseits um ein
Verbrechen aufzuklären, andererseits um sich selbst zu finden. Der Roman
brachte mir eine andere Kultur näher und zeigte mir die besondere Art von
Zuneigung unter Geschwistern. Gerne empfehle ich daher dieses Buch.