Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Radio Activity
Autorin: Karin Kalisa
Erscheinungsdatum: 18.07.2019
Verlag: C.H. Beck (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag (Leseexemplar)
ISBN: 9783406740930
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„On“ heißt das erste der drei Kapitel des Romans „Radio
Activity“ von Karin Kalisa. „On Air“ trifft es noch besser, denn bereits auf
der ersten Seite konnte ich verfolgen, wie Holly Gomighty alias Nora Tewes ihre
erste Radiosendung beim neuen Sender „Tee und Teer“ moderiert. In Rückblicken
erfuhr ich in diesem ersten Teil des Buchs, wie Nora gemeinsam mit zwei
Jugendfreunden den Sender gründet. Vorher war Nora, 25 Jahre alt, Teil eines
Ballettensembles in New York. Als ihre Mutter im Sterben liegt, kündigt sie
ihre Arbeit und kehrt in ihre Heimat im Norden Deutschlands zurück, um ihre
Mutter zu pflegen. Die Geschichte rund um die Gründung schreitet zügig voran.
Das Team des neuen Senders hat einige kreative Ideen zur Programmgestaltung,
unter anderem ein Quiz, welches wie beim Geocachen zu bestimmten Orten
hinführt. Doch dann nutzt Nora ihre Sendung dazu, die Zuhörer auf ein längst
verjährtes Verbrechen aufmerksam zu machen und sie zum Täter zu führen. Wie
Radioaktivität soll ihre Nachricht unsichtbar sein, aber mit durchdringenden,
bleibenden Folgen.
Im Kapitel „Stay“ steht für eine Weile die Zeit scheinbar
still, denn als Leser verharrte ich an der Seite von Nora am Sterbebett ihrer
Mutter, die Nora ein für schwer fassbares Geständnis macht. Auf diese Weise
konnte ich alles über die Hintergründe von Noras Aktion und ihr waghalsiges
Vorgehen erfahren. Im letzten Kapitel, „Off“ betitelt, konnte ich dann
erfahren, wie die von Nora initiierte Aktion weiter verläuft.
Karin Kalisa erzählt detailgenau und intensiv. Ihren Figuren
gibt sie einen interessanten Hintergrund, so versammeln sich einige Lebenswege
mit Hochs und Tiefs in diesem Buch. Obwohl Nora sich ihre Karriere beim Ballett
vorgestellt hat, bleibt sie doch der Heimat verbunden. Immer deutlicher spürt
sie einen Sinn nach Veränderung und kann sich ihre zunehmenden Fehler beim Tanz
doch zunächst nicht erklären. Der kurzfristig gewählte Weg nach Hause ist eine
logische Folge für sie aus den aktuellen Ereignissen.
Nach dem Bekenntnis ihrer Mutter reift in Nora ein Plan,
dessen Umsetzung die Autorin auf glaubhafte Art und Weise schildert. Immer
wieder wird die Wut in Nora aufgrund des für sie Unglaublichen spürbar. Sie
fühlt die tiefe Verletzung ihrer Mutter, die diese über Jahre in sich getragen
hat. Aus der dadurch resultieren Hilfslosigkeit von Nora werden bald Rachegedanken.
Durch das Ziel, dass sie sich gesetzt hat, versucht sie ihre Gefühle zu
kanalisieren. Ihr Vorgehen wird zu einer gesellschaftspolitischen
Angelegenheit, in die der Rechtsreferendar Simon eine tragende Rolle spielt und
für Nora in mehrfacher Hinsicht zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Davon ausgehend, dass die Autorin genau recherchiert hat,
eröffnete sie mir in diesem Roman ein Stück aktueller Rechtsgeschichte, das empörend
ist und der allgemeinen Wahrnehmung nach wohl von den meisten als ungerecht
empfunden wird. Ich war fasziniert darüber, wie die Autorin die Handlung
fortführt.
„Radio Actity“ berührt ein wichtiges Thema, das in unserer
Gesellschaft oft tabuisiert wird. Die Kraft der Protagonistin, ihre Handlungen
ganz auf Gerechtigkeit auszurichten, die von Freundschaft und Beherztheit
getragen wird, ist bewundernswert und berührend. Karin Kalisa erzählt mit viel
Esprit und guten Ideen. Beim Lesen war ich tief betroffen und werde die
Geschichte in Erinnerung behalten. Gerne empfehle ich den Roman weiter.