Rezension von Ingrid Eßer
*Werbung*
Titel: Der größte Spaß, den wir je hatten
Autorin: Claire Lombardo
Übersetzerin: Sylvia Spatz
Erscheinungsdatum: 20.09.2019
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband (Leseexemplar)
ISBN: 9783423281980
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------
In ihrem Debütroman „Der größte Spaß, den wir je hatten“ schreibt
die US-Amerikanerin Claire Lombardo über das fiktive ältere Ehepaar David und
Marilyn Sorenson und ihre vier Kinder. Bei David und Marilyn wird der Buchtitel
zum Motto, denn Ehepartner und Eltern sein ist für sie das Wichtigste in ihrem
Leben. Ihre Familie ist vergleichbar mit den Gingkobäumen, von denen Blätter
auf dem Cover zu sehen sind und die im Garten des Eigenheims der Familie stehen:
sie sind tief verwurzelt und langlebig, besitzen eine feine Struktur und
trotzen der Natur auch in schwierigen Zeiten. Doch wie sich im Roman zeigen
wird, können weder Familie noch Gingkos sich vor allen Einflüssen schützen und bleiben
dadurch angreifbar.
Der Roman spielt in der Gegenwart und beginnt im Frühjahr
des Jahrs 2016. Ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich die Geschichte weiter über
ein ganzes Jahr und mehr hinweg. Immer wieder wird die Erzählung durch längere
Rückblicke unterbrochen, einen ersten Blick auf die Vergangenheit gibt es
bereits im Prolog. Obwohl die Autorin die Familienkonstellationen bereits auf
den ersten Seiten beschreibt, bringen erst die Retrospektiven ein tieferes
Verständnis für die Figuren und ihre Handlungen.
David und Marilyn sind beide über 60 Jahre alt, seit 39
Jahren verheiratet und wohnen in Chicago. Ihre vier Töchter sind inzwischen
erwachsen und ausgezogen. Wendy ist die Älteste und wurde noch im gleichen Jahr
geboren, in dem ihre Eltern geheiratet habe. Ihre Schwester Violet ist kein
ganzes Jahr jünger als sie. Beide wohnen noch in der Stadt genauso wie Liza, die
mit einem zeitlichen Abstand von sechs Jahren zu ihrer ältesten Schwester
geboren wurde. Erst etwa zehn Jahre nach ihr kam dann Grace zur Welt, die
inzwischen in Portland wohnt.
Neben Wendy, die schon einige Verluste in ihrem Leben
hinnehmen musste, haben auch die übrigen Geschwister ihre Last zu tragen und jede
genießt glückliche Zeiten. Die große Liebe ihrer Eltern ist ihnen immer ein
Vorbild, doch es ist schwierig, sie im gleichen Maß zu erreichen. Jonah ist das
große Geheimnis von Violet, sie hat ihn nach der Geburt vor 15 Jahren zur
Adoption freigegeben. Der Roman erzählt im Folgenden, wie es dazu kam, warum er
jetzt wieder Kontakt zur Familie hat und wie die einzelnen Familienmitglieder
mit seinem Erscheinen umgehen.
In ihrem Roman schreibt Claire Lombardo über alltägliche
Situationen, in denen jeder ihrer Leser sich bestimmt irgendwo wiederfindet. Ihre
Geschichte fokussiert auf den einzelnen Charakteren. Die Geschwister beschreibt
sie mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, was den Roman abwechslungsreich
gestaltet. Vor allem im Austausch zwischen Wendy und Violet stehen sich immer
wieder sehr verschieden Ansichten gegenüber.
Die Szenerie wechselt innerhalb der Kapitel mehrfach
zwischen den Personen. Die Autorin beschreibt mit großer Empathie auch die
Gefühle ihrer Figuren. Zwar ist die Autorin erst 30 Jahre, dennoch schreibt sie
mit einer hohen Lebenserfahrung, die sich sicher auch daraus ergibt, dass sie die
Jüngste von fünf Geschwistern ist und eine gute Beobachtungsgabe sowie ein
großes Interesse an ihrer Umgebung besitzt.
David und Marilyn haben einander immer respektvoll behandelt
und sind fast immer offen mit ihren Meinungen umgegangen. Dennoch sind sie gemeinsam
über viele Höhen und durch viele Tiefen gegangen. Sicher wurde ihr Leben
dadurch erleichtert, dass es zwar Zeiten gab, in denen ihr Budget gering war,
dennoch haben sie immer auf die Unterstützung ihrer Eltern setzen können und
später hat David als Arzt sehr gut verdient. Für ihre Kinder sind die beiden
der Fels in der Brandung, sie bieten ihnen jederzeit eine Schulter zum
Anlehnen. Was sich zunächst nach einer beneidenswerten Basis und Vertrauen anhört,
stellt sich wie in der Realität als schwierig dar, weil jede Person unterschiedliche
Vorstellungen davon hat, wie viel Privatheit er benötigt und wie viel Nähe er
zulassen will. So ist es auch für David und Marilyn eine Gradwanderung, herauszufinden,
in welchem Maße jede ihrer Töchter Zuwendung benötigt und zwar nicht nur als
Kind, sondern auch im erwachsenen Alter.
Claire Lombardo ist mit „Der größte Spaß, den wir je hatten“
ein wunderbarer, mich begeisternder Roman gelungen, der einfühlsam beschreibt, wie
ein Ehepaar über viele gemeinsame Jahre hinweg Sorgen um und Probleme mit ihren
vier sehr unterschiedlichen Töchtern meistert, die inzwischen als Erwachsene
ihren eigenen Weg gehen und dabei auf ihre Weise mehr oder weniger eigene Lösungen
für ihre Schwierigkeiten finden. Die Autorin gewährte mir als Leserin tiefe
Einblicke in die jeweiligen Liebesbeziehungen und ließ mich an den kleinen
Scharmützeln unter den Familienmitgliedern teilhaben. Unerwartete Wendungen und
einige Geheimnisse gestalten den Roman abwechslungsreich. Sehr gerne vergebe
ich hierzu eine uneingeschränkte Leseempfehlung.