Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Die Schuld jenes Sommers
Autorin: Katherine Webb
Übersetzerin: Babette Schröder
Erscheinungsdatum: 14.10.2019
Verlag: Diana (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar
ISBN: 9783453292086
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Der Roman „Die Schuld jenes Sommers“ aus der Feder der Bestsellerautorin
Katherine Webb führte mich als Leserin in das im Südwesten Englands gelegene
Bath ins Jahr 1942. Damals wurde die Stadt am 25. und 26. April von der
deutschen Luftflotte bombardiert. Die 32-jährige Protagonistin Frances Parry lebt
nach der Trennung von ihrem Ehemann wieder bei den Eltern in Bath im Haus am
Holloway. Neben ihrem Job als Gepäckträgerin am Bahnhof passt sie gerne auf den
sechsjährigen Davy auf. Der Kleine ist der Neffe ihrer Freundin Wyn Hughes, an
deren ungeklärtem Verschwinden im Jahr 1918 sie sich eine Mitschuld gibt.
Der Roman beginnt am Tag vor der Bombardierung. An diesem
Tag hätte Wyn Geburtstag gehabt und wie immer denkt Frances daran. Den
Nachmittag über hat sie mit Davy gespielt, doch sie möchte eine Weile allein
sein, darum bringt sie den Jungen zu Bekannten, die in der folgenden Nacht beim
Luftangriff getötet werden, aber von Davy fehlt jede Spur. Dadurch wird bei
Frances die Erinnerung an die Begebenheiten in jenem Sommer vor über zwanzig Jahren in besonderem Maße geweckt.
Als bei den anschließenden Aufräumarbeiten in Bath die
skelettierte Leiche eines Kindes gefunden wird und sich herausstellt, dass es
sich dabei um Wyn handelt, ist Frances aufgewühlt. Zwar ist jetzt der Verbleib
ihrer Freundin geklärt, aber sie fürchtet sehr, dass Davys Verschwinden ebenso
fatal enden könnte. Nach Frances‘ Meinung ist der damals als Straftäter
Verurteilte unschuldig gewesen und der tatsächliche Mörder ist immer noch frei
und könnte wieder tätig geworden sein …
Die Erzählung spielt auf zwei Zeitebenen. Zum einen erlebte
ich als Leserin den Tag vor und die folgenden Tage nach der Bombardierung von
Bath im Jahr 1942, zum anderen konnte ich die Entwicklung der Freundschaft
zwischen Frances und Wyn vom Jahr 1916 an durch Rückblicke auf die Kindheit der
beiden verfolgen.
Schon auf den ersten Seiten spürte ich deutlich, dass die
Ereignisse rund um das Verschwinden der Freundin immer noch bei Frances nachhallen,
weil sie das Geschehen nie aufarbeiten konnte, sondern erfolgreich verdrängt
hat. Aufgrund ihrer damaligen Erfahrungen hat sie persönliche Entscheidungen
getroffen. Katherine Webb gestaltet ihre Geschichte von Beginn an interessant,
denn natürlich wollte ich wissen, wie es zum Mord an Wyn kommen konnte und
auch, warum Frances glaubt, dabei schuldig geworden zu sein.
Frances wächst in bescheidenen, aber soliden Verhältnissen
als Tochter eines Mechanikers auf. Die Hughes wohnen unweit der Familie, aber
in deutlich ärmlicher Umgebung. Wyn hat schon als Kind einen ausgeprägten eigenen
Willen mit dem sie sich gegen die älteren Geschwister und den trinksüchtigen
Vater durchsetzt. Frances ist eher zurückhaltend und setzt gerne die
burschikosen Ideen ihrer Freundin um. Um der Realität zu entfliehen, träumt
sich Wyn in Gedanken oft ihre eigene Welt. Innerhalb kurzer Zeit bauen beide
zueinander eine starke Bindung auf, das Vertrauen zueinander wächst. In diesem
kindlichen Alter gestaltet sich ihre Freundschaft zunehmend fragiler in Bezug
auf äußere Einflüsse.
Frances hat an der Seite ihres Ehemanns versucht die
Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen, doch jetzt ist wieder Krieg
und wieder verschwindet ein Kind, dem sie zugeneigt ist. Katherine Webb
versteht es, mir als Leserin die Verzweiflung, die Traurigkeit und die Wut
ihrer Protagonistin auf der zweiten Zeitebene zu vermitteln, die dazu führt,
dass Frances entschlossen ist, die neuen Ereignisse nicht auf sich beruhen zu
lassen, sondern diesmal ihre ganze Energie für die Suche nach Davy einzusetzen,
um die absehbare Entwicklung zu ändern. Einfühlsam schildert die Autorin, wie
Frances an ihrer Aufgabe wächst.
Die Handlungsorte hat Kathrine Webb mit Liebe zum Detail und
eigener Ortskenntnis so ins Bild gesetzt, dass ich sie mir sehr gut vorstellen
konnte. In diesem Rahmen agieren ihre Figuren realitätsnah. Mit einigen
Wendungen in der Geschichte sorgt die Autorin für manchen überraschenden Verlauf.
„Die Schuld jenes Sommers“ ist ein bewegender, gefühlvoll
geschilderter historischer Roman mit Kriminalelementen und kleinen Geheimnissen,
deren schrittweise Aufdeckung auf den Leser wartet. Gerne vergebe ich hierzu
eine Leseempfehlung.