Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Der Kinderzug
Autorin: Michaela Küpper
Erscheinungsdatum: 01.10.2019
Verlag: Droemer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783426282182
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Michaela Küpper macht das Ende ihres Romans „Der Kinderzug“
im ersten Kapitel zum Anfang. Die junge Lehrerin Barbara Salzmann hat im
September 1945 nach vielen Irrungen und Wirrungen endlich die Zusage erhalten,
dass sie und die von ihr beaufsichtigten 14-jährigen Schülerinnen einer Essener
Oberschule nach sagenhaften 819 Tagen Kinderlandverschickung, kurz KLV, mit
Aufenthalten an unterschiedlichen Orten endgültig nach Hause zurückkehren
dürfen.
Die Autorin nutzt vier Erzählperspektiven. Neben Barbara
nimmt sie Karl, der zu einer Gruppe von Berliner Kindern, die wie Barbaras
Schülerinnen zur KLV nach Usedom geschickt wurden, in den Focus. Außerdem
richtet sie ihr Augenmerk auf Gisela, eine Schülerin von Barbara. Gisela
schildert ihre Erfahrungen ihrem Tagebuch und wird dadurch zur Ich-Erzählerin.
Außerdem steht in einigen Kapiteln Giselas jüngere Schwester Edith, noch
Volksschülerin, im Mittelpunkt.
Der Beginn der Geschichte ist eher ruhig. Michaela Küpper
beschreibt den Aufenthalt auf Usedom sowohl der Essener Mädchengruppe wie auch
der Berliner Jungen. Im Sinne der damaligen Ideologie hatten beide Gruppen sich
ihrer jeweiligen Leitung zu fügen und den geplanten Tagesablauf einzuhalten.
Von Beginn an war die Sorge um die Liebsten in der Heimat zu spüren, die sich
später in einigen Fällen als berechtigt herausstellte. Der Krieg verschonte
keine Gegend Deutschlands und rückte immer näher, so dass der Aufenthalt auf
der Insel nicht mehr sicher war. Die Gruppen mussten weiterziehen, eine
Rückkehr in die Heimat wurde ihnen verwehrt. Zunehmend wurde das Gesicht des
Krieges immer hässlicher. Die Autorin verdeutlicht, dass viele
Führungspersonen, egal auf welcher Ebene, noch sehr lange an ihrer Rolle
festhielten und ihre aussichtslose Lage durch Machtspiele überspielen wollten. Auch
auf die Furcht vor der Einweisung und Behandlung in ein Heim von Personen, deren
Gesundheit nicht der damals erwarteten und teils festgelegten Norm entsprach,
verweist sie.
Michaela Küpper hat für ihren Roman sehr gut recherchiert.
Die Ereignisse könnten so wie geschildert durchaus geschehen sein. Dennoch
konnte mich der an den Fakten orientierte Schreibstil und der Aufbau der
Geschichte zunächst nicht richtig packen, erst später verfolgte ich gespannt,
welchen Fort- und Ausgang die abenteuerliche Reise der Hauptfiguren nehmen
würde. Es ist eine der Pflichterfüllung zugewendete Zeit. Die Suche nach genügend
Lebensmitteln wurde existentiell. Nicht jeder war seinen Mitmenschen zugetan. Die
Charaktere sind typische Vertreter ihrer Altersgruppe, ihres Geschlechts oder
ihrer Berufsgruppe, wodurch sie realistisch wirken.
Mit dem Roman „Der Kinderzug“ widmet sich Michaela Küpper
einem unverbrauchten Thema, das gleichzeitig bewegend wie auch erschreckend
ist. Aus der ursprünglich gedachten Erholung und Ertüchtigung für die
Jugendlichen wird bald ein nicht enden wollendes Grauen. Gerne empfehle ich
den Roman vor allem an geschichtlich interessierte Leser weiter.