Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Leuchtende Tage (Band 1 von 3)
Autorin: Astrid Ruppert
Erscheinungsdatum: 25.10.2019
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783423262262
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Der Roman „Leuchtende Tage“ von Astrid Ruppert ist der erste
Band einer Trilogie über die Frauen der Familie Winter. Die Autorin erzählt die
Geschichte über vier Generationen hinweg. Lisette Winter, ihre Tochter
Charlotte, ihre Enkelin Paula und ihre Urenkelin Maya stehen im Mittelpunkt des
Geschehens.
Lisette wächst im gutsituierten Elternhaus in Wiesbaden zu
Beginn des vorigen Jahrhunderts auf. Doch ihr Charakter ist gänzlich anders als
ihre Mutter ihn sich gewünscht hätte. Sie möchte zur Schule gehen und im
Haushalt und Garten helfen. Stattdessen wird sie privat unterrichtet und lernt
dabei, wie das Personal ihres zukünftigen Ehemanns anzuweisen ist und wie sie
sich in Gesellschaft standesgemäß zu verhalten und Konversion zu gestalten hat.
Sie fühlt sich nicht nur im übertragenen Sinne in ein viel zu enges Korsett
geschnürt und sie beginnt heimlich damit, Mode für Frauen zu entwerfen, in
denen man sich wohlfühlen kann. Der Zufall bringt den noch jungen Schneider
Emilie zum Nähen neuer Kleider ins Haus. Die beiden verlieben sich ineinander.
Weil Lisette noch unter der elterlichen Aufsichtspflicht steht ist der einzige
Weg für eine gemeinsame Zukunft eine Flucht, die ihnen gelingt. Für Lisette
beginnen leuchtende Tage, denn Emile gibt ihr den benötigten Freiraum und lässt
sie so sein, wie sie sein will.
Lisettes Urenkelin Maya ist Ende Zwanzig, Übersetzerin und
lebt in Frankfurt. Beruflich ist sie wenig erfolgreich. Zu ihrer Mutter Paula,
die sich immer dagegen gewehrt hat, auf die Mutterrolle reduziert zu werden,
hat sie zwar Kontakt, doch ihre Ansichten sind sehr unterschiedlich. Auch
Paulas Meinungen sind meist konträr zu denen von Großmutter Charlotte. Aufgrund
ihrer Faszination für Lost Places beginnt Maya, sich damit auseinanderzusetzen,
wo Lisette einst gewohnt hat. Mehr und mehr versucht sie die Handlungen ihrer
Urgroßmutter zu verstehen. Dabei stellt sie ihr eigenes Leben auf den Prüfstand
versucht zu ergründen, welche Dinge ihr wirklich wichtig sind.
Astrid Ruppert verknüpft geschickt die Gegenwart mit der
Vergangenheit, auf der der Schwerpunkt der Geschichte liegt. Es gelingt ihr
sehr gut, den Konflikt zwischen Lisette und ihrer Familie herauszuarbeiten, der
dazu führt, dass sie ihr Elternhaus heimlich verlässt. Aus der heutigen Sicht
gesehen, konnte ich ihre Handlung verstehen. Nur ungerne ließ ich mich daran
erinnern, dass zur damaligen Zeit vor allem Frauen in gehobenen Kreisen nicht
nur Kleidervorschriften einzuhalten hatten und sie ausschließlich zum Führen
des Haushalts ihres Ehemanns erzogen wurden, was ja leider der Realität
entsprach. Die Autorin schafft mit Lisette eine überzeugende Figur, die auf
ihrem Weg zur Selbstverwirklichung manche Hindernisse überwinden muss. Dabei
sind einige Entscheidungen auch mit Schmerz und Tränen verbunden. Doch auch für
Lisettes Mutter Dora wirbt Astrid Ruppert für Verständnis, denn ihr Willen ist
ebenso stark wie Lisettes. Beiden gemeinsam ist es, sich dem Elternhaus zu
widersetzen.
Der Roman ist eingebunden in die Historie der
Kleidungsherstellung von Beginn des letzten Jahrhunderts an bis Mitte der
1930er Jahre in Deutschland, aber vor allem in Wiesbaden, dass durch seine
Stellung als Kurstadt dem Konservativen anhing. In der Gegenwart hat Maya sich
dem allgemeinen Lebensstil angepasst. Ihren Vater hat sie nie kennen gelernt.
Sie führt eine lockere Beziehung mit ihrem Freund und hat sich ohne Aufsehen
ein selbstbestimmtes Leben in einer kleinen Wohnung aufgebaut. Die Autorin
verdeutlicht, dass auch Maya nicht richtig glücklich ist. Ihr fehlt der
familiäre Zusammenhalt und die ganz tiefen Gefühle.
„Leuchtende Tage“ von Astrid Ruppert ist der begeisternde
und bewegende Auftakt einer Trilogie über die Frauen der Familie Winter, die
auf ihre jeweils eigene Art danach streben, so zu sein wie sie sein wollen. Ich
bin sehr gespannt, wie die Geschichte sich weiter entwickeln wird, inwieweit
Maya an der Kenntnis über die Vergangenheit ihrer Familie selbst weiterwachsen
und ob sie herausfinden kann, wer sie sein möchte. Gerne empfehle ich den Roman
weiter.