Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Metropol
Autor: Eugen Ruge
Erscheinungsdatum: 08.10.2019
Verlag: Rowohlt (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband (Leseexemplar)
ISBN: 9783498001230
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Vor acht Jahren hat Eugen Ruge den fiktiven Roman „In Zeiten
des abnehmenden Lichts“ veröffentlicht, in dem er einen Teil der Geschichte
seiner Familie verarbeitet hat. Mit dem Buch „Metropol“ hat er erneut einen Roman
mit autobiografischem Hintergrund geschrieben, der mich als Leserin mit in das
Jahr 1936 nach Moskau nahm.
Im Mittelpunkt steht die Großmutter des Autors, in der
Geschichte mit ihrem gewählten Decknamen Lotte Germaine zu finden. Lotte und
ihr Ehemann Wilhelm aus Deutschland sind überzeugte Kommunisten und in die
Sowjetunion eingewandert. Dort arbeiten sie für den Nachrichtendienst der 3. Kommunistischen
Internationale, kurz „Komintern“. Lotte ist stolz auf ihre
Fremdsprachenkenntnisse und der Möglichkeit als Frau mit zwei inzwischen
erwachsenen Kindern berufstätig zu sein. Während beide sich auf einer mehrwöchigen
Urlaubsreise nach Jalta befinden, liest Lotte in einer Zeitung von dem gerade
in Moskau stattfindenden Prozess gegen mehrere Volksfeinde. Einige der im
Artikel genannten Personen sind ihr bekannt, mit einem von ihnen hatte das
Ehepaar näheren Kontakt.
Für die Kommunisten der damaligen Zeit gestaltete es sich
schwierig, zwischen Freund und Feind, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden
und sich danach entsprechend abzugrenzen und zu positionieren. Für Wilhelm und
Lotte ist schnell klar, dass sie ihre Bekanntschaft zu dem Prozessangeklagten der
Parteileitung melden müssen, denn ein Verschweigen könnte darauf hindeuten,
dass sie selbst etwas zu verheimlichen haben und vielleicht den Angeklagten bei
seinen Verbrechen unterstützten. Nur kurz nach Einreichen eines entsprechenden
Berichts über die Bekanntschaft zum Angeklagten müssen beide ihre bisherige
Wohnung räumen, ins angesehene Hotel Metropol ziehen und auf weitere
Anweisungen warten.
Für das Ehepaar beginnt eine Zeit der Hoffnung auf eine neue
Zukunft, die aber gleichzeitig verbunden ist mit Ungewissheit, Skepsis und
zunehmender Vorsicht im Kontakt mit Jedem, dem sie begegnen. Misstrauen macht
sich nicht nur von ihrer Seite aus breit, sondern sie spüren auch die Zurückhaltung
der Personen zu ihnen.
Eugen Ruge schafft mit der Verknüpfung der realen
geschichtlichen Ereignisse, realer Figuren und fiktiven Ausschmückungen, unter
der Vorstellung wie es gewesen sein könnte, ein Zeitdokument, das mir als Leser
einen Einblick in den sowjetischen Alltag Mitte der 1930er Jahre gewährte. Er vermittelte
mir die steigende Unsicherheit der Sowjetbürger im Umgang miteinander.
Während die Haupthandlung auf Lotte und Wilhelm fokussiert, versetzt
der Autor sich in einigen Kapiteln in die tragende Rolle des an den Moskauer
Prozessen beteiligten vorsitzenden Richters. Auch hier gelingt ihm eine
glaubwürdige Darstellung, die mir zeigte, wie weit Menschen in ihrem Streben
nach Macht und Anerkennung bei gleichzeitiger Gehorsamkeit zur obersten Führung
und eisernem Festhalten an einer Ideologie zu gehen bereit sind.
Außerdem widmet Eugen Ruge noch einer weiteren Mitarbeiterin
der Komintern einige Kapitel. Aus ihrem Schicksal wird deutlich, welchen weiteren
glücklichen Verlauf das Leben der Großmutter des Autors im Vergleich genommen
hat. Der Autor versteht es, kleine Details zur Untermalung besonderer Situationen
zu nutzen, die die Intensität des Erzählten verstärken. Manchmal lässt er in Lottes
zunehmenden Gedankenkreisel voller Sorgen nahezu lakonisch Bemerkungen einfließen,
die den Roman, dessen Unterton durchgehend bedrückend ist, stellenweise ein
wenig aufheitern.
Mit „Metropol“ ist Eugen Ruge erneut ein faszinierender Blick
auf ein Stück Zeitgeschichte gelungen, das er authentisch in Romanform unter Einarbeitung eines Teils der eigenen familiären Erlebnisse seiner Großmutter verarbeitet
hat. Gerne empfehle ich den Roman weiter.