Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Alles, was wir sind
Autorin: Lara Prescott
Übersetzer: Ulrike Seeberger
Erscheinungsdatum: 08.11.2019
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783352009358
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„Alles, was wir sind“ ist der Debütroman der US-Amerikanerin
Lara Prescott. Die Idee zu diesem Buch hatte sie aufgrund ihres Vornamens, denn
sie wurde nach Lara, der weiblichen Protagonistin des Romans „Doktor Schiwago“
von Boris Pasternak, benannt. Ihre Geschichte unterteilt sie in zwei
Handlungsstränge, die sie zusammenführt und die beide in den 1950er Jahren
spielen.
Einerseits hat Lara Prescott die Entstehungsgeschichte des
Romans „Doktor Schiwago“ recherchiert und gibt sie in den Kapiteln wieder, die
in der Sowjetunion spielen und mit „Osten“ übertitelt sind. Boris Pasternaks
Buch durfte dort aufgrund der kritischen Darstellung der politischen
Verhältnisse während der Oktoberrevolution nicht erscheinen. Dabei hebt die
Autorin die große Bedeutung von Olga Iwinskaja hervor, die als Geliebte des verheirateten
Autors und ihren Einsatz zur Entstehung und Veröffentlichung des Buchs im
Gefängnis und in Lagerhaft war, weil sie ihren Liebhaber und sein Werk nicht
verleumdet hat. Sie gilt als das Vorbild für die Frauenfigur Lara in Pasternaks
Roman.
Andererseits schildert die Autorin die Bemühungen des CIA um
an ein Buch zu gelangen, weil sie großes Interesse daran haben, eine russische
Übersetzung in die Sowjetunion einzuschleusen. Dadurch verspricht sich der
Auslandgeheimdienst eine Möglichkeit, den Widerstand der Sowjetbürger gegen das
Regime zu wecken. Im Fokus der Kapitel, die in den USA und dem westlichen
Europa spielen und anhand des Übertitels „Westen“ leicht einzuordnen sind,
stehen die Stenotypistinnen der Agentur zu der auch Irina Drosdowa zählt. Ihre
Eltern stammen aus der Sowjetunion. Bald schon werden ihre Vorgesetzten auf
Irina aufmerksam und sie wird neben ihrer Tätigkeit als Schreibkraft dazu
ausgebildet, Informationen zu transportieren, unter anderem auch zur Beschaffung
des brisanten Romans. Einen Teil ihrer Ausbildung übernimmt die Agentin Sally
zu der sie eine ungeahnt tiefe Freundschaft entwickelt.
Das Besondere an Lara Prescotts Erzählung ist die
Fokussierung auf weibliche Charaktere in einer von Männern geleiteten Welt. Während
sie die Lebensgeschichte von Olga und ihr Mitwirken an der Veröffentlichung des
Schiwago-Buchs einfühlsam und bewegend schildert, spürt man ihre Begeisterung
für die Stenotypistinnen des CIA und ihrer Arbeit. Zwar nehmen sie meist keine
bedeutende Rolle im Ranggefüge des Geheimdienstes ein, doch die Autorin
verweist auf deren sehr gute Ausbildung, oft haben sie sogar wie im Fall von
Irina ein Studium abgeschlossen. Doch dem damaligen Frauenbild entsprechend
beendeten sie ihre Tätigkeit meist nach ihrer Hochzeit.
Der Autorin macht es Freude die Stärke der Frauen zu zeigen
und nutzt dazu die Beispiele von Irina und Olga. Dabei fragte ich mich, ob die
Vorgesetzten und auch Boris sich im vollen Maß bewusst waren, welche tragenden
Rollen die Frauen spielten. Die sich verändernden Überschriften der Kapitel
zeigen an, wie wandlungsfähig die Protagonistinnen sind und wie sie sich
weiterentwickeln.
Olgas Liebe ohne Wenn und Aber war für mich schwierig
nachzuvollziehen, beruht aber auf der Realität. Interessant fand ich die
Beschreibung des literarischen Umfelds in der Sowjetunion, das verbunden war
mit Begünstigungen für die Schriftsteller, die regimekonform schrieben, genauso
schnell aber bei falschen Worten denunziert werden konnten. Lara Prescott
deutet nur an, warum Boris Pasternaks Werk für Empörung in seiner Heimat
gesorgt hat, hierzu hätte ich gerne mehr erfahren.
Die Thematik des Romans „Alles, was wir sind“ fand ich
interessant. Lara Prescott ist es gelungen, zwei Handlungsstränge auf
einzigartige Weise zu verknüpfen und eine Geschichte zu erzählen, die von
damals nicht absehbarer Bedeutung für Politik und Literatur wurde. Gerne
empfehle ich das Buch weiter.