Freitag, 31. Januar 2020

Rezension: Das Glück ist zum Greifen da von Sylvia Deloy


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Das Glück ist zum Greifen da
Autorin: Sylvia Deloy
Taschenbuch: 352 Seiten
Erschienen am 31. Januar 2020
Verlag: Bastei Lübbe

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Ana hat serbische Wurzeln und lebt gemeinsam mit ihren zwölfjährigen, musikalisch hochbegabten Zwillingen in Köln. Der Vater der beiden, ein erfolgreicher Hornist, hat sich schon vor der Geburt aus dem Staub gemacht und als einziges Lebenszeichen zum sechsten Geburtstag der Kinder einen riesigen Flügel mit einem Umschlag voller Geld geschickt. Das ist jedoch so gut wie aufgebraucht und Ana sucht schon seit Monaten erfolglos nach einem Job als Produktdesignerin. Als ihr Job bei einem Start-Up im letzten Moment platzt und dann auch noch ein Brief vom Ausländeramt eintrudelt mit der Bitte, in den nächsten 28 Tagen das Land zu verlassen, braucht sie dringend einen Plan, um in Köln bleiben zu dürfen.

Als Leser lernt man die Protagonistin Ana kennen, als sie gerade an einem persönlichen Tiefpunkt angekommen ist. Fast hatte es mit einem Job geklappt, und nun schwebt die Abschiebung nach Serbien wie ein Damoklesschwert über ihr. Sie fühlt sich in Köln heimisch, hat dort viele Freunde, spricht perfekt Deutsch und ihre Zwillinge sind dort aufgewachsen. In das serbische Dorf ihrer Schwester zu ziehen würde für sie erneute Entwurzelung und persönliches Scheitern zugleich bedeuten.

Die Geschichte ist eine romantische Komödie, die durch das Thema der drohenden Abschiebung auch ernste Momente hat. Im Vordergrund steht jedoch die Unterhaltung, sodass man selbst während Anas Besuch beim Ausländeramt immer wieder schmunzeln muss. Denn während sie mit ihrem Sachbearbeiter über eine Fristverlängerung sprechen will zocken die Zwillinge munter Fruit Ninja, plaudern Geheimnisse aus und entdecken die Auf- und Abfahrfunktion von Drehstühlen.

Es geht angenehm turbulent zu, sodass ich schnell mitten in der Geschichte war. Die Musikschule möchte bald ein Musical veranstalten, und Ana hilft Peter, ihrem Nachbarn und Klavierlehrer ihrer Kinder, bei der Organisation. Helikoptermütter müssen beruhigt, Kinder motiviert und Kostüme genäht werden. Dabei scheint Peter zunehmend mit ihr zu flirten. Gleichzeitig sucht Ana mit zunehmender Verzweiflung nach einem Job und probiert Tinder aus, um auf andere Gedanken zu kommen. Bei all dem emotionalen Auf und Ab steht ihr zum Glück ihre beste Freundin Ella mit Rat und Tat zur Seite.

Mir hat der Schreibstil von Sylvia Deloy sehr gefallen. Das Buch bietet eine gelungene Mischungaus lustigen, schönen und romantischen Momenten, ohne in Klischees und Kitsch abzudriften. Es geht um Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Mutterschaft und Liebe. Dabei lernt man neben Ana viele sorgfältig ausgearbeitete Charaktere kennen, über deren Schicksal ich gerne mehr erfahren habe. Immer wieder konnte die Geschichte mich durch unerwartete Wendungen überraschen.

Auch wenn die Autorin natürlich ihren ganz eigenen Stil hat ist dieses Buch für mich ein Stück weit die kölsche Antwort auf die in Hamburg spielenden Bücher von Petra Hülsmann. Fans der Autorin rate ich, unbedingt dieses Debüt von Sylvia Deloy zu entdecken. Für mich ist „Das Glück ist zum Greifen da“ eine rundum gelungene Geschichte. Ein Must Read für alle Leserinnen romantischer Komödien!

Donnerstag, 30. Januar 2020

Rezension: Robin und Lark von Alix Ohlin


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Robin und Lark
Autorin: Alix Ohlin
Übersetzerin: Judith Schwaab (aus dem Englischen)
Erscheinungsdatum: 27.01.2020
Verlag: C.H. Beck (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag (Leseexemplar)
ISBN: 9783406747755
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Der Roman „Robin und Lark“ der gebürtigen Kanadierin Alix Ohlin erzählt die Geschichte der beiden titelgebenden Schwestern. Das Cover vermittelte mir den Eindruck, dass die Schwestern sich gegenseitigen Halt bieten und dennoch ein Vertrauen zueinander besteht, das es ermöglicht sich ohne vorherige Erklärung voneinander lösen zu können, ohne dabei im übertragenen Sinne tief zu fallen.
Die Geschichte spielt zwischen zwei Staaten, einerseits im Süden Kanadas und andererseits im Westen der USA. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel, wobei das erste den Titel „Davor“ trägt. Nicht nur die Betitelung warf die Frage danach auf, vor welcher Begebenheit sich das Geschehen ereignen wird, sondern auch der erste Satz weckte meine Neugier, denn darin erwähnt Lark als Ich-Erzählerin des gesamten Romans, dass Robin und sie in die Lebensgeschichte von Scottie verbandelt sind. Wer Scottie ist, erfuhr ich erst am Ende des Buchs.

Lark ist vier Jahre älter als Robin, die beiden haben verschiedene Väter. Weil ihre Mutter Marianne nach dem frühen Tod von Robins Vater alleinerziehend ist und dabei berufstätig bleibt, sind die beiden Mädchen schon als Kinder stundenweise allein zu Hause. Lark schlüpft als Ältere dabei in eine beschützende Rolle. Ihre Bindung zueinander wächst, doch mit zunehmendem Alter gehen die Interessen der Mädchen immer weiter auseinander. Während Lark sehr gute Noten in der Schule erhält und einem Studium in den USA entgegenstrebt, entdeckt Robin die Musik für sich. Ihre Begabung im Klavierspiel wird entdeckt. Noch einmal finden die beiden Halt beim anderen, bis ihre Wege sich scheinbar endgültig trennen.

Alix Ohlin hat den Charakter ihrer beiden Protagonistinnen sehr gut ausformuliert. Sie lässt Lark die Geschehnisse als Erwachsene im Rückblick erzählen und schaut dabei auf die Zusammenhänge, warum ihre Lebensgeschichten sich so unterschiedlich entwickelt haben. Eine entscheidende Rolle, die die beiden Frauen geprägt hat, ist ihre Mutter, die die ihr in den 1970ern Jahren gesellschaftlich üblichen zugedachten Mutterrolle nicht akzeptiert und sich in verschiedenen Berufen ausprobiert. Aufgrund einer Reisetätigkeit ist sie später immer weniger Zuhause. Ihre mütterliche Liebe äußert sich eher ungewöhnlich mit sarkastischen und groben Antworten auf Fragen ihrer Kinder. Mit wechselnden Partnern ihrer Mutter lernen Robin und Lark umzugehen. Bindungsfähigkeit entwickeln beide auf ganz verschiedene Weise.

Während Lark durch ihren Schulfleiß auffällt und gern die stille Beobachterin bleibt, ist Robin eigenwillig, ohne scheu und findet daher schnell Freundschaften. Jedoch ist es schwierig, ihr uneingeschränktes Vertrauen zu erhalten. Einfühlsam lässt die Autorin Lark als Erzählerin ihre Gefühle beschreiben: bei der Loslösung von ihrer Familie, beim ersten Date, beim Auszug zum Studium, bei der Entdeckung ihrer Berufung und dem Eintauchen in eine neue künstlerische Welt bis hin zu einem geheimen Wunsch. Ihre Empfindungen über Entscheidungen, die Robin für sich selbst trifft, prägen Lark. Jeder Schritt war für mich durch die geschilderten Begründungen nachvollziehbar. Immer wieder überraschte mich Alix Ohlin mit neuen unvorhergesehenen Wendungen.

„Robin und Lark“ ist ein bewegender und nachhallender Roman über zwei Schwestern, die auf ihre je eigene Weise einen Weg zur Selbstverwirklichung finden. Es ist aber auch ein Roman über die Mutterrolle, dem Suchen nach wahrer Liebe und dem Wunsch nach Anerkennung für die eigene Fähigkeiten. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Mittwoch, 29. Januar 2020

Rezension: Die Reisenden von Regina Porter


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Die Reisenden 
Autorin: Regina Porter
Übersetzerin: Tanja Handels
Erscheinungsdatum: 29.01.2020
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag als Leseexemplar
ISBN: 9783103973952
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In ihrem Debütroman „Die Reisenden“ schreibt die US-Amerikanerin Regina Porter über zwei Familien, die auf ihre Weise das Lebensgefühl des Landes von den 1950ern bis 2010 wiederspiegeln. Protagonisten der Geschichte sind Rufus und Claudia und ihre Eltern, aber auch viele weitere Bekannte, Freunde, Familienangehörige und Geliebte.

Der Roman beginnt im Jahr 2009. Rufus und Claudia führen eine gemischtrassige Ehe und haben zwei Kinder im Kindergartenalter. James Samuel Vincent ist der Vater von Rufus, geschieden und wieder neu verheiratet. Claudia Mutter Agnes hat in den 1960ern ein traumatisierendes Ereignis gehabt, aufgrund dessen sie sich von ihrem damaligen Freund trennte, wenig später Eddie traf und heiratete. Beverly ist Claudias Schwester, hat vier Kinder und übernimmt in einigen Kapiteln die Erzählerrolle. Der inzwischen verstorbene Vater der beiden verpflichtete sich nach seiner Hochzeit zur Navy und wurde im Vietnamkrieg auf einem Flugzeugträger eingesetzt.

Eddie litt unter den Rassenspannungen auf dem Schiff sowie den Kampfangriffen und deren Auswirkungen und lenkte seine Gedanken und Gefühle mit Lesen ab. Der Text des komödiantischen Schauspiels „Rosenkrantz und Güldenstern“ von Tom Stoppard begleitet ihn schließlich überall hin. Mit seinen Kindern spielte er den Inhalt später häufig nach. Wie Rosenkrantz und Güldenstern sind die Figuren in diesem Roman Reisende, die arglos sind im Spiel der politischen Gegebenheiten. Das Foto auf dem Cover ist nicht das Einzige, das die Erzählung unterstützt, sondern es finden sich zu Beginn jeden Kapitels wie auch im Text von der Autorin ausgesuchte illustrierende Bilder in schwarz-weiß.

Regina Porter nimmt sich Zeit für jede ihrer Charaktere. In den Kapiteln fokussiert sie auf jeweils eine Figur. Sie beschreibt einen Lebensabschnitt der im Mittelpunkt stehenden Person, der als solcher mit einer Kurzgeschichte vergleichbar ist. Die erzählten Situationen stattet sie mit etlichen weiteren Personen aus, von denen viele in anderen Szenerien wieder eine kleine Rolle übernehmen. Das ist nicht immer einfach nachzuvollziehen, hilfreich dabei ist eine Übersicht im Buch, die die Querverbindungen der Charaktere untereinander visualisiert.

Über den Kapiteln findet sich ein Zeitrahmen, in den man das Geschehen einordnen kann, denn die Autorin blickt zurück, sieht nach vorn und schildert aktuelle Ereignisse des Jahrs 2010, wobei sie die Szenarien immer umrahmt mit geschichtlich bedeutenden und kulturellen Begebenheiten, gleich in welcher Zeit. Sie erzählt abwechslungsreich und ändert dabei auch die Erzählform. Ihre Figuren sind vielschichtig, lernen aus ihrem Verhalten und entwickeln sich dadurch weiter. Sie sind weiß, farbig, gemischtrassig, alt, jung und verschieden sexuell orientiert. Sie haben ihre Ängste und Sorgen, doch viele sind neugierig auf das Leben und getrieben, das beste für sich daraus zu schöpfen.

Regina Porter zeigt in ihrem bunt gestalteten Roman „Die Reisenden“, dass wir einfach alle Menschen sind, nicht perfekt, sondern mit Fehlern und gleich welcher Hautfarbe, welchen Alters oder Orientierung und das wir sehr unterschiedliche Gefühle, Erwartungen und Wünsche haben, die nach Respekt und Anerkennung verlangen. Ein großartiges, vielgestaltiges Buch, das ich gerne empfehle.

Montag, 27. Januar 2020

Rezension: Long Bright River von Liz Moore


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Long Bright River
Autorin: Liz Moore
Übersetzer: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Hardcover: 414 Seiten
Erschienen am 27. Januar 2020
Verlag: C.H.Beck

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Die dreiunddreißigjährige Mickey arbeitet als Streifenpolizistin in Kensington, einem Stadtteil von Phiadelphia. Während ihrer Fahrten hält sie stets nach ihrer jüngeren Schwester Kacey Ausschau. Die beiden haben seit fünf Jahren nicht mehr miteinander geredet, doch sie sorgt sich um sie. Denn Kacey ist drogenabhängig, schon mehrfach beinahe an einer Überdosis gestorben und verdient sich das Geld für den nächsten Schuss mit Prostitution. Als Mickey einen Monat lang nichts mehr von Kacey gehört hat und gleichzeitig ein Serienmörder im Viertel aktiv wird, der es auf Prostituierte abgesehen hat, beschließt sie, beidem nachzugehen in der Hoffnung, dass es keinen Zusammenhang gibt.

Der Ich-Erzählerin Mickey begegnet der Leser erstmals auf einer Streifenfahrt gemeinsam mit ihrem neuen Partner Eddie Lafferty, der erst seinen zweiten Tag im Revier hat. Mickey hält wieder einmal Ausschau nach Kacey, entdeckt jedoch nur deren Freundin Paula, über die sich Lafferty abfällig äußert. Damit ist für Mickey klar: Sie arbeitet lieber weiterhin allein als mit ihm, denn ihr bisheriger Parter Truman, mit dem sie jahrelang harmonierte, ist noch immer krank geschrieben.

Das Buch nimmt sich Zeit, dem Leser den Stadtteil Kensington und das Leben dort nahezubringen. Über Jahre ist das Drogenproblem auf den Straßen immer größer geworden, Frauen und Männer hängen schon früh an der Nadel und tun alles, um an Geld für Nachschub zu kommen. Jeder kennt irgendwen, der abhängig ist oder war. Im Dienst findet Mickey immer wieder Opfer einer Überdosis. Um ein solches scheint es sich auch bei der Toten zu handeln, zu deren Fundort sie gerufen wird, doch dann entdeckt Mickey Anzeichen für Strangulation. Dem geht die Polizei jedoch erst nach, als weitere ermordete Frauen gefunden werden.

Mickey lässt den Leser an ihren Gedanken teilhaben, sodass man intensive Einblicke in die schwierige Beziehung zu ihrer Schwester erhält. In Rückblenden erfährt man mehr über ihr gemeinsames Aufwachsen, die enge Verbindung der beiden und wie sie sich schließlich zunehmend voneinander entfernt und gänzlich unterschliedliche Lebenswege eingeschlagen haben. Mich konnten Mickeys Schilderungen berühren und ich habe gut nachvollziehen können, warum sie unbedingt in Erfahrung bringen möchte, ob es ihrer Schwester gut geht. Doch Mickey verschweigt dem Leser einige Dinge und ebenso wurde ihr manches verschwiegen, sodass es mit der Zeit noch einige Überraschungen gibt.

Bei der Suche nach ihrer Schwester und dem Versuch, mehr über den Serienmörder in Erfahrung zu bringen, agiert Mickey zunehmend verzweifelt und begibt sich in Gefahr, um die zum reden zu bringen, die etwas wissen könnten. In dem insgesamt eher ruhigen Buch kommt dadurch allmählich Spannung auf, die vor allem psychologischer Natur ist. Dabei wunderte ich mich über zwei Dinge: Zum einen habe ich nicht verstanden, warum Mickey ihren Sohn täglich in der Obhut einer desinteressierten jungen Frau lässt, deren Adresse sie nicht einmal kennt, aber riesige Bedenken hat, als die freundliche Nachbarin anbietet, auf ihn aufzupassen. Zum anderen gibt es eine verschwommene Videoaufnahme, auf der gefühlt jeder etwas erkennt, nur Mickey nicht, und die zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung wird. Die Auflösung ist schließlich weniger dramatisch als ich erwartet habe, passt aber gut zur Geschichte.

„Long Bright River“ erzählt die Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern, einer Streifenpolizistin und einer drogenabhägige Prostituierten, die dennoch eng miteinander verbunden sind. Und es erzählt in ruhigen und eindringlichen Tönen von Abhängigkeit und Liebe sowie den Licht- und Schattenseiten des Polizeidienstes. Das Buch ist keine leichte Lektüre, es liefert Stoff zum Nachdenken und konnte mich berühren. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Freitag, 24. Januar 2020

Rezension: Eine fast perfekte Welt von Milena Agus



Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Eine fast perfekte Welt
Autorin: Milena Agus
Übersetzerin: Monika Köpfer
Erscheinungsdatum: 24.01.2020
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband (Leseexemplar)
ISBN: 9783423282116
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Der Roman „Eine fast perfekte Welt“ der Italienerin Milena Agus ist eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg. Ester, ihre Tochter Felicita und ihr Enkelsohn Gregorio sind die Figuren, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. „Eine fast perfekte Welt“ ist es, in der sie leben und nach ihrem jeweils eigenen Traum vom Glück suchen.

Raffaele, der Verlobte von Ester, kehrt nach seinem Einsatz bei der Marine im Krieg und seiner Gefangenschaft äußerlich stark verändert in sein Dorf auf Sizilien zurück. Doch Ester hält zu ihm und als seine Frau begleitet sie ihn nach Genua, später nach Mailand, weil er dort Arbeit findet. Ihre gemeinsame Tochter Felicita freut sich über den Beschluss, zurück nach Sizilien zu ziehen. Jahre später sucht sie sich eine Wohnung in Cagliari, um ihren Sohn ohne Einmischung vom Rest der Familie zu erziehen. Felicita liebt die multikulturelle Gesellschaft und die Nähe zum Meer. Gregorio hat musikalisches Talent und die enge Wohnung seiner Mutter bietet ihm wenig Möglichkeit zum Üben. Er erhofft sich sein Glück jenseits des Ozeans in New York.

Ester nimmt ihre Mutter als unglücklich wahr. Die Arbeit ist hart und eintönig und Ester äußert sich mehrfach gegenüber ihrem Verlobten, dass sie nicht weiß, aus welchem Grund man in dem kleinen Ort auf Sizilien leben sollte. Doch als sie in Genua lebt, erkennt sie, dass auch hier wieder etwas zu ihrem persönlichen Glück fehlt. Milena Agus zeigt in ihrem Roman, dass Zufriedenheit schwierig zu erreichen ist. Immer neue Erwartungen und Vorstellungen von einem noch perfekteren Ort finden wir dort, wo wir mit neuen Eindrücken konfrontiert werden. Im Hintergrund steht die Frage, woran wir unser Glück messen können und wie weit wir bereit sind zu gehen, um unsere Selbstverwirklichung umzusetzen.

Die Autorin nennt keine Jahreszahlen, doch die zeitliche Einordnung kann anhand des Alters der Charaktere erfolgen. Die Kapitel des Romans sind meist ziemlich kurz. Manchmal hätte ich mir gewünscht, mehr über einen einzelnen Charakter zu erfahren. Die Figuren sind interessant gestaltet, doch ich empfand es als eher unrealistisch, dass mehrfach kindliche Einzelgänger einen bei Gleichaltrigen angesehenen besten Freund haben, von dem sie in Schutz genommen werden, weil das leider relativ selten anzutreffen ist.

Der Grundton des Romans ist melancholisch, die Schicksale sind bewegend. Die Autorin verdeutlicht unterschiedliche Meinungen und zeigt, dass das Handeln einer Person, die von ihrem Tun überzeugt ist, von einer anderen als Fehler angesehen werden kann.

Milena Agus widmet sich der großen Frage unseres Lebens danach, wer wir sein wollen. Sie schafft es, mit einer schlichten Sprache starke Gefühle auszudrücken. „Eine fast perfekte Welt“ bringt zum Ausdruck, dass unser Glück so vielseitig sein kann, dass es sich für jeden auf eine andere Weise ausdrückt und daher auch auf unterschiedlichste Arten erreicht werden kann. Der Roman lässt Raum zum Hoffen und Träumen, ich empfehle ihn gerne weiter.

Mittwoch, 22. Januar 2020

Rezension: Tage des Lichts - Ulrike Renk


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Tage des Lichts
Autorin: Ulrike Renk
Broschiert: 576 Seiten
Erschienen am 21. Januar 2020
Verlag: Aufbau

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Voller Sorge wartet Ruth in England auf eine Nachricht, ob ihre Eltern und ihre Schwester aus Deutschland ausreisen durften. Ob das Kabel mit der Genehmigung aus England rechtzeitig angekommen ist? Unterdessen schuftet Ruth weiter auf dem Hof in Frinton-on-Sea, wo sie als Hilfe angestellt ist. Ihre herrschsüchtige Arbeitgeberin Olivia lässt sie kaum zur Ruhe kommen. Doch Ruth ist dringend auf die Anstellung angewiesen. Noch lieber würde sie weiteren Abstand zwischen sich und die Nazis bringen und mit ihrer Familie nach Amerika auswandern, doch aufgrund der begrenzten Aufnahmezahlen pro Jahr wird das noch einige Zeit dauern. Solange muss sie in England zurechtkommen.

Das zweite Buch der Reihe endete damit, dass Ruth Ausreisegenehmigungen für England an ihre Familie hat kabeln lassen. Damit beginnt für sie eine Phase der Ungewissheit, denn man kann sich nicht sicher sein, ob solche Nachrichten wirklich rechtzeitig in den richtigen Händen ankommen.

Das Buch spannt den Leser erst einmal auf die Folter und berichtet von Ruths Arbeiten auf dem Hof, während sie auf eine Nachricht wartet. Ihre Arbeitgeberin Olivia, die man schon im zweiten Band kennenlernen konnte, ist eine unglaublich anstrengende und nervige Person. Sie scheucht Ruth herum und lässt sie neben dem Nötigen auch allerlei zeitraubende und sinnlose Tätigkeiten ausführen, während sie ihr die freie Zeit verweigert, die ihr eigentlich zusteht. Erst nach über 100 Seiten erhält Ruth endlich eine Nachricht von ihrer Familie.

Das Buch zog sich für mich leider ziemlich in die Länge. Ruths Leben und Arbeiten auf dem Hof wird in aller Ausführlichkeit beschrieben und ihre Konflikte mit Olivia laufen immer ähnlich ab. Ruth putzt, kocht, kümmert sich um die Tiere, muss Fleisch verarbeiten und sich um die kleine Jill kümmern. Diese Beschreibungen nahmen für meinen Geschmack zu viel Raum ein. Währenddessen war ich neugierig, wie es für ihre Eltern und ihre Schwester weitergeht. Darüber erfährt man aber vergleichsweise wenig.

Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt auf der Zeit kurz vor und nach dem Kriegseintritt Englands. Dies wird hier aus Perspektive der Menschen geschildert, die sich in England aufhalten, sodass man einen Eindruck von ihren Sorgen und ihrer Haltung zum Agieren der Nazis auf dem europäischen Festland erhielt. Zum Ende hin wurde das Buch noch mal interessanter, weil sich für Ruth neue Perspektiven auftun.

Insgesamt hat mich „Tage des Lichts“ über weite Strecken mit Beschreibungen des Hoflebens ziemlich gelangweilt. Ich hätte es besser gefunden, wenn der geplante Mittelband nicht in zwei Bände aufgeteilt und stattdessen straffer erzählt worden wäre. Einzig mein grundsätzliches Interesse an Ruths Schicksal, das auf einer wahren Geschichte beruht, hat mich weiterlesen lassen. Im August erscheint der vierte und letzte Band der Reihe, „Träume aus Samt“ den ich in der Hoffnung lesen werde, dass dieser in Sachen Tempo noch einmal ordentlich zulegt.

Sonntag, 12. Januar 2020

Rezension: Annika Rose und die Logik der Liebe - Tracey Garvis Graves


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Annika Rose und die Logik der Liebe
Autorin: Tracey Garvis Graves
Übersetzerin: Corinna Vierkant-Enßlin
Broschiert: 320 Seiten
Erschienen am 30. Dezember 2019
Verlag: Knaur HC

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Annika Rose hat sich in ihrem Leben als Bibliothekarin in Chicago gut eingerichtet. Doch dann begegnet sie eines Tages im Supermarkt Jonathan, den sie in New York wähnte. Die beiden haben sich seit 10 Jahren nicht gesehen, als ihre Beziehung aus Gründen, an die Annika nicht zurückdenken will, endete. An Annikas Versprechen, ihn bald anzurufen, glaubt Jonathan nicht so recht. Doch Annika hat in den letzten Jahren weiter an ihren Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen gearbeitet. Was ist damals zwischen den beiden vorgefallen? Können sie wieder zusammenfinden?

Titel und Cover des Buches versprechen eine schöne Liebesgeschichte und ich war neugierig, Annika und Jonathan kennenzulernen. Die beiden treffen sich nach langer Zeit im Supermarkt wieder, eine Situation, die Annika in der nächsten Sitzung mit ihrer Therapeutin analysiert. Schnell merkt man, dass sie Probleme damit hat, zwischenmenschliche Interaktionen richtig zu deuten und angemessen zu reagieren.

Danach springt das Buch zehn Jahre in die Vergangenheit. Annika ist Studentin an der University of Illinois, nachdem sie zu Schulzeiten lange zu Hause unterrichtet worden ist. Der Start an der Uni war schwierig für sie. Nur dank ihrer Mitbewohnerin Janice und der Entdeckung des Schachclubs hat sie durchgehalten. Als sie im Schachclub gegen den Neuzugang Jonathan spielen soll, stört sie das massiv in ihrer Routine, denn eigentlich spielt sie entweder mit Eric oder geht wieder nach Hause. Als Ich-Erzählerin macht Annika dem Leser begreiflich, was ihr an der Interaktion mit anderen so schwer fällt und warum sie sich auf bestimmte Weise verhält, durch die sie als sonderbar gilt. Ich fand diese Einblicke interessant und lernte Annikas Art zu Denken und zu Fühlen mit jedem Kapitel besser kennen.

Die Mehrheit der Kapitel ist aus Annikas Sicht erzählt, doch auch Jonathan kommt zu Wort und erzählt, wie es ihm nach der erneuten Begegnung mit Annika ergeht. Er ist nach wie vor fasziniert von ihr und erwartet nicht, dass sie sich für ihn verbiegt. Dennoch stellt er erfreut fest, dass sie weiter an sich gearbeitet hat, um soziale Situationen souveräner zu meistern. Gerne möchte er darüber reden, was damals vorgefallen ist, doch hier blockt Annika ab. Auch als Leser muss man sich gedulden, um Antworten zu erhalten.

Stattdessen erfährt man alles über das Kennenlernen und der gemeinsamen Zeit der beiden an der Uni und wie sie nun versuchen herauszufinden, in welchem Verhältnis zueinander sie 10 Jahre später stehen möchten. Die beiden harmonieren toll miteinander und es gibt viele schöne und romantische Szenen. Doch nicht jeder akzeptiert Annikas Andersartigkeit, weshalb das Buch immer wieder ernstere Töne anschlägt. Zum Ende hin werden die offenen Fragen beantwortet. Gleichzeitig wird das Buch sehr dramatisch und wichtige Entscheidungen müssen getroffen werden, sodass ich die letzten 60 Seiten in einem Rutsch lesen musste.

Für mich ist „Annika Rose und die Logik der Liebe“ eine gelungene Liebesgeschichte fernab von Kitsch. Annika ist eine bezaubernde Protagonistin, die mir ihre Art zu Denken begreiflich machen konnte und deren Andersartigkeit ich zu schätzen lernte. Ich habe sie gern durch Höhen und Tiefen begleitet und mitgefiebert, ob es eine Zukunft für sie und Jonathan geben kann. Sehr gern empfehle ich das Buch weiter

Freitag, 10. Januar 2020

Rezension: Unter den hundertjährigen Linden von Valérie Perrin


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Unter den hundertjährigen Linden
Autorin: Valérie Perrin
Übersetzerinnen aus dem Französischen: Katja Hald und Elsbeth Ranke
Erscheinungsdatum: 04.11.2019
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783426226933
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In ihrem zweiten Roman „Unter den hundertjährigen Linden“ lässt die Französin Valérie Perrin die fiktive Protagonistin Violette Toussaint von ihrem Leben erzählen. Im Vergleich zu ihrem Debüt ist auffällig, dass ebenfalls eine Frau mit Koffer auf dem Cover zu sehen ist, doch die beiden Geschichten sind gänzlich verschieden und so hat auch die Umschlaggestaltung eine andere Bedeutung und steht hier für den Neuanfang, den die Protagonistin nach einem Schicksalsschlag wagt.

Violette ist seit etwa 20 Jahren Friedhofswärterin in dem kleinen Ort Brancion-en-Chalon in der Region Bourgogne-France-Comté und liebt ihre Tätigkeit auf dem Friedhof, der beschattet wird von den an den Wegen stehenden hundertjährigen Linden. Ich hatte zu Beginn des Romans den Eindruck, dass sie mit ihrem Leben zufrieden ist. Doch bereits auf den ersten Seiten deutet Violette an, dass es eine Zeit in ihrem Leben gab, in der sie sehr unglücklich war, was bei mir die Frage nach dem Grund dafür aufwarf. Aufgewachsen ist sie bei Pflegefamilien und im Heim. Später hatte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann jahrelang eine Stelle als Schrankenwärterin in der Region Grand Est inne. Die Tätigkeit als Friedhofswärterin hat sie von ihrem verschwundenen Mann Philippe Toussaint übernommen. Durch die Erwähnung des Weggangs von Philippe wurde meine Neugier darauf geweckt zu erfahren, warum und wohin er gegangen ist und ob er überhaupt noch lebt.

Eines Tages erscheint ein Kommissar aus Marseille bei Violette. Aber Julien Seuls Anliegen ist es nicht, eine Straftat aufzuklären, sondern die Asche seiner Mutter im Grab ihres Geliebten, den Julien nicht kennt, beizusetzen. Im Tagebuch seiner Mutter erfährt er von ihrer Liebe.

Valérie Perrin versteht es auch in ihrem zweiten Roman leise Töne anzuschlagen und dabei Lebensgeschichten berührend zu erzählen. Violette, die in ihrer Kindheit die Liebe ihrer Eltern vermisst hat, bindet sich schon früh an Philippe. Um die Beziehung aufrecht zu erhalten ist sie bereit, seine Eigenheiten zu akzeptieren. Er scheut vor Arbeit zurück, lieber tourt er stunden- und tagelang mit seinem Motorrad. Für Violette ist es wichtig, ein Zuhause zu haben. Sie liebt Lesen und gute Musik. Nach einem Schicksalsschlag verändert sie sich. Statt ihre Wut zuzulassen, beginnt sie Fragen zu stellen und begibt sich auf neue Wege. Als Friedhofswärterin erscheint sie als Frau mit zwei Gesichtern. Nach außen hin ist sie ihrem Beruf verpflichtet diskret, distanziert und dunkel gekleidet, doch wenn sie im Haus allein ist, genießt sie helle Farben und das Licht. Sie beeindruckte mich als Leser mit ihrem Wissen über die Verstorbenen auf „ihrem“ Friedhof und vielen Bewohnern des Orts.

Nur zögerlich erzählt Valérie ihr Leben im Rückblick, denn sie hat die Vergangenheit ruhen lassen. Aber durch die Begegnung mit Julien wird ihr bewusst, dass sie immer noch verheiratet ist und zunehmend kommen die Erinnerungen zurück. Das Tagebuch von Juliens Mutter gibt den Anstoß zur Erzählung einer langen weiteren Geschichte, die die Autorin in den Roman einflechtet. Sie konnte mich aber nicht näher ergreifen, vielleicht weil sie mich immer wieder von den Geschehnissen rund um Valérie wegführte und es dadurch zu Längen kommt.

In ihrem Roman „Unter den hundertjährigen Linden“ schreibt Valérie Perrin über Liebe und Trauer, Verlust und Lebensfreude und zeigt auf, wie nah diese im Leben beieinanderliegen. Ihre Protagonistin Violette hat einige schwere Zeiten auf ihre eigene Art und Weise gemeistert und sich einen für sie passenden Rahmen gesucht in dem sie glücklich ist. Gerne empfehle ich das Buch an Leser weiter, die eine Hoffnung im Herzen auf schöne Zeiten mit sich tragen. 

Dienstag, 7. Januar 2020

Rezension: Der Store von Rob Hart


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Der Store
Autor: Rob Hart
Übersetzer: Bernhard Kleinschmidt
Erscheinungsdatum: 02.09.2019
ISBN: 9783453272309
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Rob Hart nahm mich in seinem Roman „Der Store“ mit in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft. Die Geschichte nimmt die drei Protagonisten Gibson, Paxton und Zinnia in den Mittelpunkt. Gibson Wells ist der reichste Mensch Amerikas, er hat vor einigen Jahren ein Unternehmen für elektronischen Einzelhandel und Cloud-Computing, „Cloud“ genannt, gegründet. Mittels Drohnenlieferung hat er das Verkehrsproblem gelöst hat und sich dadurch in eine entscheidende Vorrangstellung am Markt bringen können. Das Unternehmen ist zunehmend gewachsen. Die Niederlassungen, oft angesiedelt in verlassenen Städten, verfügen über eigenen Wohnraum für die Arbeitnehmer und über Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Das Jobangebot ist umfangreich, doch wer hier beschäftigt ist, muss sich an die vorgeschriebenen Regeln halten und wird einem ständigen Bewertungssystem unterworfen. Wer sich nicht konform verhält, wird gekündigt.

Paxton und Zinnia lernen sich bei einem Einstellungstest kennen. Sie haben sich aus ganz unterschiedlichen Gründen beworben. Ein Arbeitsplatz wird ihnen vom System aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse zugeordnet, so dass Paxton bei der Security Beschäftigung findet und Zinnia als Packerin. Doch eigentlich ist Zinnia aus einem ganz anderen Grund hier. Sehr detailliert beschreibt der Autor das Bewerbungsverfahren, die Aufnahme der neuen Arbeitnehmer, die Unterbringung, die Arbeitsaufgaben und die kurze Freizeit. Bis auf wenige Ausnahmen ist jeder Tag ein Arbeitstag.

Gibsons Perspektive werden von Rob Hart als Blogeinträge dargestellt, so dass Gibson in der Ich-Form erzählt. Er findet, dass er Großes geleistet hat und ist sehr stolz darauf. Angeblich nimmt er Kritik sehr ernst, weiß aber auch jegliche Einwände von anderen gleich zu beschwichtigen. Erstaunt war ich über einige seiner Ansichten wie beispielsweise, dass die Sicherheit eines Arbeitsplatzes zur Nachlässigkeit der Arbeitnehmer führt. Steht sein Ruf auf dem Prüfstand, ist es für ihn meist nur eine Frage des Geldes, um politisch hoch zu greifen und sich im Anschein der wirtschaftlichen Entwicklung weitere Vorteile für sein Unternehmen zu sichern. Vor allem diese Kapitel des Buchs brachten mich zum Nachdenken und sicher haben die heutigen Globalplayer durchaus das Potential sich ähnlich wie „Cloud“ zu entwickeln.

Zinnia und Gibson verabreden sich in ihrer Freizeit und kommen sich langsam näher. Beide haben in der abgeschlossenen Umgebung des Unternehmens, das einen eigenen Kosmos bildet, ihre persönlichen Probleme, die auch bei einem so durchdachten System wie „Cloud“ es sein möchte, nicht verhinderte werden können. Durch ihre eigene Arbeit und im Gespräch mit Kollegen werden sie auf immer mehr Nachteile ihrer Zugehörigkeit zum Unternehmen „Cloud“ aufmerksam. Durch die unterschiedlichen Perspektiven der drei Protagonisten setzt Rob Hart bewusst die Sicht der Arbeitnehmer beispielhaft der des Arbeitgebers gegenüber.

Das Geheimnis von Zinnia und die Krankheit von Gibson bauen zu Beginn des Romans Spannung auf, die durch die Alltagsroutine leicht verloren geht, dann aber durch eine Entwicklung nochmal ansteigt. Eine unerwartete Wendung zum Ende hin konnte mich überraschen, doch der Schluss wirkt unentschlossen und lässt einiges offen. Lesenswert ist der Roman auf jeden Fall, vor allem, weil er sich damit auseinandersetzt und bewusst macht, welchen Preis wir bereit sind für einen Arbeitsplatz zu zahlen und welche Macht ein Unternehmen durch seine Vorrangstellung erhalten kann, daher empfehle ich das Buch gerne weiter.

Freitag, 3. Januar 2020

Rezension: Die Zeuginnen von Margaret Atwood


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Die Zeugninnen
Autorin: Margaret Atwood
Übersetzerin: Monika Baark
Hardcover: 576 Seiten
Erschienen am 10. September 2019
Verlag: Berlin Verlag

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Agnes ist in Gilead aufgewachsen und weiß, dass Tabitha nicht ihre leibliche Mutter ist. Was sie jedoch nicht weiß ist, was aus dieser geworden ist. Als Tochter eines Kommandanten besucht sie eine Schule der Tanten, wo sie Dinge lernt, die man als zukünftige Ehefrau beherrschen sollte. Dazu gehört sticken und beten, aber nicht lesen und schreiben. Daisy hingegen kann sich kaum vorstellen, ein solch beengendes Leben in einem totalitären Staat zu führen. Sie lebt in Kanada, wo ihre Eltern einen Secondhand-Shop betreiben. Doch durch ein dramatisches Ereignis ändert sich ihr Leben von einen Tag auf den anderen, und sie muss entscheiden, ob sie sich auf eine wichtige Mission begeben will. In Gilead zieht unterdessen Tante Lydia, eine der vier Gründerinnen der Tanten, die Fäden in einem komplexen und gefährlichen politischen Spiel.

Nachdem mich „Der Report der Magd“ erst vor kurzem begeistert hat, war „Die Zeuginnen“ für mich ein Must Read, da ich unbedingt mehr über Gilead erfahren wollte. Diesmal wechseln sich drei Perspektiven beim Erzählen ab: Eine Tante, eine Tochter auf dem Weg zur Ehefrau und ein Teenager aus Kanada, dem Land, in das immer wieder Frauen aus Gilead flüchten.

Während man beim Report der Magd zunächst nichts über Gilead wusste, nicht einmal den Namen des Staates, und diese Informationen nur stückweise erhielt, schafft diese Geschichte dem Leser einen einfacheren Zugang. Man erfährt früh die wichtigsten Dinge über die Personen und begleitet sie in ihrem Alltag. Wer den Vorgänger gelesen hat, kann mit diesen Informationen an Bekanntes anknüpfen, das Buch ist aber auch ohne Vorkenntnisse lesbar.

Ich fand es spannend, aus neuen Perspektiven auf die Vorgänge in Gilead zu schauen. Wie auch die Magd erzählt Tante Lydia einiges über die Anfänge des Staates und ihr Leben davor, was ich interessant fand. Agnes und Daisy hingegen können sich nicht an eine Welt ohne Gilead erinnern und nehmen viele Dinge als selbstverständlich hin. Während Tante Lydia und Agnes aus dem Altag von Gilead berichten, kommt im Handlungsstrang von Daisy bald Spannung auf und ich bangte mit, ob ihre Mission erfolgreich sein wird. Auch in den anderen Handlungssträngen wird die Situation zunehmend brenzlig, und schließlich läuft alles auf einen entscheidenen Moment hinaus.

„Die Zeuginnen“ liefert rund fünfunddreißig Jahre nach „Der Report der Magd“ viele Antworten auf Fragen, die man sich bei der Lektüre gestellt hat. Das Buch gibt Informationen sehr viel expliziter preis als sein Vorgänger und fühlte sich dadurch beim Lesen mainstreamiger an. Die drei Perspektiven beleuchten die Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln und die Handlung konnte mich zunehmend packen. Weil mir die Grundidee bekannt war hat mich dieser Band nicht ganz so mitreißen können wie sein Vorgänger. Dennoch finde ich die Fortsetzung sehr gelungen und spreche eine klare Leseempfehlung aus!
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