Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Robin und Lark
Autorin: Alix Ohlin
Übersetzerin: Judith Schwaab (aus dem Englischen)
Erscheinungsdatum: 27.01.2020
Verlag: C.H. Beck (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag (Leseexemplar)
ISBN: 9783406747755
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Der Roman „Robin und Lark“ der gebürtigen Kanadierin Alix
Ohlin erzählt die Geschichte der beiden titelgebenden Schwestern. Das Cover
vermittelte mir den Eindruck, dass die Schwestern sich gegenseitigen Halt
bieten und dennoch ein Vertrauen zueinander besteht, das es ermöglicht sich ohne
vorherige Erklärung voneinander lösen zu können, ohne dabei im übertragenen
Sinne tief zu fallen.
Die Geschichte spielt zwischen zwei Staaten, einerseits im
Süden Kanadas und andererseits im Westen der USA. Das Buch gliedert sich in
vier Kapitel, wobei das erste den Titel „Davor“ trägt. Nicht nur die Betitelung
warf die Frage danach auf, vor welcher Begebenheit sich das Geschehen ereignen
wird, sondern auch der erste Satz weckte meine Neugier, denn darin erwähnt Lark
als Ich-Erzählerin des gesamten Romans, dass Robin und sie in die
Lebensgeschichte von Scottie verbandelt sind. Wer Scottie ist, erfuhr ich erst
am Ende des Buchs.
Lark ist vier Jahre älter als Robin, die beiden haben
verschiedene Väter. Weil ihre Mutter Marianne nach dem frühen Tod von Robins
Vater alleinerziehend ist und dabei berufstätig bleibt, sind die beiden Mädchen
schon als Kinder stundenweise allein zu Hause. Lark schlüpft als Ältere dabei
in eine beschützende Rolle. Ihre Bindung zueinander wächst, doch mit
zunehmendem Alter gehen die Interessen der Mädchen immer weiter auseinander.
Während Lark sehr gute Noten in der Schule erhält und einem Studium in den USA entgegenstrebt,
entdeckt Robin die Musik für sich. Ihre Begabung im Klavierspiel wird entdeckt.
Noch einmal finden die beiden Halt beim anderen, bis ihre Wege sich scheinbar
endgültig trennen.
Alix Ohlin hat den Charakter ihrer beiden Protagonistinnen
sehr gut ausformuliert. Sie lässt Lark die Geschehnisse als Erwachsene im
Rückblick erzählen und schaut dabei auf die Zusammenhänge, warum ihre
Lebensgeschichten sich so unterschiedlich entwickelt haben. Eine entscheidende
Rolle, die die beiden Frauen geprägt hat, ist ihre Mutter, die die ihr in den
1970ern Jahren gesellschaftlich üblichen zugedachten Mutterrolle nicht akzeptiert
und sich in verschiedenen Berufen ausprobiert. Aufgrund einer Reisetätigkeit
ist sie später immer weniger Zuhause. Ihre mütterliche Liebe äußert sich eher ungewöhnlich
mit sarkastischen und groben Antworten auf Fragen ihrer Kinder. Mit wechselnden
Partnern ihrer Mutter lernen Robin und Lark umzugehen. Bindungsfähigkeit
entwickeln beide auf ganz verschiedene Weise.
Während Lark durch ihren Schulfleiß auffällt und gern die
stille Beobachterin bleibt, ist Robin eigenwillig, ohne scheu und findet daher
schnell Freundschaften. Jedoch ist es schwierig, ihr uneingeschränktes
Vertrauen zu erhalten. Einfühlsam lässt die Autorin Lark als Erzählerin ihre
Gefühle beschreiben: bei der Loslösung von ihrer Familie, beim ersten Date,
beim Auszug zum Studium, bei der Entdeckung ihrer Berufung und dem Eintauchen
in eine neue künstlerische Welt bis hin zu einem geheimen Wunsch. Ihre
Empfindungen über Entscheidungen, die Robin für sich selbst trifft, prägen Lark.
Jeder Schritt war für mich durch die geschilderten Begründungen
nachvollziehbar. Immer wieder überraschte mich Alix Ohlin mit neuen unvorhergesehenen
Wendungen.
„Robin und Lark“ ist ein bewegender und nachhallender Roman
über zwei Schwestern, die auf ihre je eigene Weise einen Weg zur
Selbstverwirklichung finden. Es ist aber auch ein Roman über die Mutterrolle,
dem Suchen nach wahrer Liebe und dem Wunsch nach Anerkennung für die eigene
Fähigkeiten. Gerne empfehle ich das Buch weiter.