Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Power
Autorin: Verena Güntner
Erscheinungsdatum: 18.02.2020
Verlag: Dumont (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783832183691
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Der Roman „Power“ von Verena Güntner handelt von dem titelgebenden Hund,
der verschwunden ist. In dem Dorf, in dem das geschehen ist und das an einem
Waldrand liegt, ist darüber zunächst nur seine Besitzerin betrübt. Doch das
Buch macht seinem Namen alle Ehre, denn „Power“ bildet die treibende Kraft, die
die Kinder des Orts schließlich geschlossen dazu bringt, ihn auf eine
ungewöhnliche Weise zu suchen.
Kerze, die Protagonistin des Romans, ist elf Jahre alt und
damit genauso alt wie Power. Sie lebt allein mit ihrer Mutter, die tagsüber zur
Arbeit ist. Ihren gegebenen Versprechen kommt sie immer nach. Sie hat sich ihren
Spitznamen gegeben, weil sie Verzweifelten, Enttäuschten und Bedrückten wieder
Licht und damit Freude zurück in den Alltag bringen will. Dem Auftrag der älteren
Dorfbewohnerin Frau Hitschke, nach ihrem Hund Power zu suchen, kommt sie daher
gerne nach. Sie ist selbstbewusst, vorlaut und lebt ihre Rolle als Detektivin
streng und übertrieben aus.
Das Ende der Geschichte ist nicht verwunderlich, denn das
Ergebnis der Suche wird auf den ersten Seiten vorweggenommen. Dennoch ist die
Erzählung bis dahin überraschend. In einem kleinen Ort, in dem jeder jeden
kennt mit all seinen Eigenarten, Allüren, Freundschaftsbeziehungen und
Abneigungen stehen die Sommerferien an. Für Kerze und die übrigen Kinder ist
das eine eher langweilige Zeit. Keiner hat eine Urlaubsreise, der Tag liegt wie
ein dunkles Loch vor einem, denn Aktionen in Form von Ferienspielen oder
ähnlichen bieten sich hier keine an. Ich kenne das aus meiner eigenen Kindheit
auf dem Dorf. Kerze aber bietet mit ihrer Suche eine prima Ablenkung vom
Ferienalltagseinerlei. Ganz nebenher tut man auch noch Gutes, wenn man sich der
Sache anschließt und einer Ortsbewohnerin vielleicht sogar ihren kleinen
Liebling wiederbringen kann. So beginnt es.
Zunehmend übernimmt Kerze die Organisation der Gruppe der
Kinder, von denen sich immer mehr der Suche anschließen, und gewinnt dadurch
deren Vertrauen. Die Gruppe folgt ihren Anweisungen, aber mit steigender
Verantwortung für die Entscheidung über Gerechtigkeit und die Übernahme von
Schiedssprüchen ändert sich allmählich ihr Ton. Die Suche wird immer
verbissener. Die Ideen von Kerze zum Auffinden des Hunds werden immer
abstruser, aber keines der Kinder wagt gegen die Methoden aufzubegehren, der
Druck der Gruppe auf Uniformität wächst.
Die Eltern sehen dem Treiben unterdessen tatenlos zu. In der
von der Autorin aufgezeigten Welt, in der Erwachsene ihrer Rolle als Vermittler
von Werten und Normen kaum nachkommen, testen die Kinder ihre Grenzen bis zum
Äußersten aus und die Mütter und Väter rühmen sich ihrer erzieherischen
Fähigkeiten und lehnen jede Hilfe ab, die nicht aus diesem Kosmos kommt.
Auf überspitzte Weise zeichnet Verena Güntner in ihrem Roman
„Power“ die ungewöhnliche Art eines Zusammenschlusses von Kindern auf, zunächst mit
einem erkennbar guten Sinn, später aber immer mehr aus dem Ruder laufend. Ihre
Sprache ist beredt, klar und mit viel feinem Gespür fürs Detail. Die Geschichte
regt zum Nachdenken an. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.