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Dienstag, 10. März 2020

Rezension: Dankbarkeiten von Delphine de Vigan


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Dankbarkeiten
Autorin: Delphine de Vigan
Übersetzerin: Doris Heinemann
Hardcover: 176 Seiten
Erschienen am 10. März 2020
Verlag: DuMont Buchverlag

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Michka hat einst Fotoreportagen gemacht und als Korrektorin gearbeitet. Doch inzwischen ist sie eine alte Frau, der schleichend die Fähigkeit entgleitet, sich auszudrücken. Als sie eines Tages das Gefühl hat, nicht mehr aufstehen zu können, lässt sie Marie rufen. Die beiden sind eng befreundet, seit Marie ein Kind und Michka ihre Nachbarin war. Zu dieser Zeit hat Marie viel Zeit bei Michka verbracht, denn ihre Mutter hat sich wenig um sie gekümmert. Jetzt hilft Marie ihr, ins Seniorenheim zu ziehen. Mit dem Logopäden Jérôme kämpft sie von nun an mit Übungen gegen den Verlust der Wörter an. Michka hat dabei eigentlich nur noch einen Wunsch: Sie möchte erfahren, was aus den beiden Menschen geworden ist, die ihr einst geholfen haben, zu überleben.

Die Geschichte beginnt mit einigen Worten von Marie zum Thema Dankbarkeit, die mich berühren könnten. Sie selbst verdankt Michka viel, weshalb es für sie selbstverständlich ist, ihr zu helfen, als ihr alles zu entgleiten beginnt. Der Umzug ins Seniorenheim ist für Michka eine große, aber nötige Veränderung und sie muss sich in der neuen Umgebung erst einmal einleben.

Michka leidet an einer beginnenden Aphasie, bei der es ihr schwer fällt, die richtigen Wörter zu finden. Am Anfang sind es nur einzelne Worte - sie sagt „oje“ statt „ok“ und „mit dem Topf voran“. Im Laufe der Geschichte nehmen die Schwierigkeiten bei der Wortfindung jedoch trotz der Übungsstunden mit Jérôme zu. Gerade für Michka, die als Korrektorin einst so meisterhaft mit Worten umgehen konnte, ist das ein schwerer Schlag. Ich fand die Schilderung des schrittweisen Verlusts der Worte sehr berührend. Die Übersetzerin Doris Heinemann hat Michkas Ringen nach den richtigen Begriffen gelungen ins Deutsche übertragen.

Michka hat nur noch eine Bitte, die sie an Marie richtet. Sie soll noch einmal versuchen, die beiden Personen zu finden, denen Michka ihr Leben verdankt, von denen sie aber nur die Vornamen kennt. Marie wagt einen Versuch und erhält dabei Unterstützung von Jérôme, dem sie nie begegnet, da sie am Wochenende kommt und er werktags arbeitet. Abgesehen von diesem Wunsch beginnt Michka, mit ihrem Leben allmählich abzuschließen. Nachts wird sie von Albträumen geplagt, in denen sie sich auf irgendeine Weise rechtfertigen muss. Ganz aufgegeben hat sie aber noch nicht und versorgt Marie und Jérôme mit Ratschlägen und Ermunterung.

Das Buch regt zum Nachdenken an darüber, was am Ende bleibt und wie man Dankbarkeit zum Ausdruck bringen kann. Die Geschichte ist emotional erzählt und obwohl Michkas Verlust der Sprache traurig ist, konnten mir kleine schöne Momente und die gezeigte Hilfsbereitschaft immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Für mich ist „Dankbarkeiten“ ein echtes Lesehighlight, das ich uneingeschränkt weiterempfehle!