Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Der Empfänger
Autorin: Ulla Lenze
Erscheinungsdatum: 22.02.2020
Verlag: Klett-Cotta (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783608964639
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In ihrem Roman „Der Empfänger“ schreibt Ulla Lenze über
ihren Großonkel Josef Klein, dessen Leben sie fiktionalisiert hat. Er wanderte
im Jahr 1924 in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. Durch seine Tätigkeit
in einer Druckerei wurde er vor dem Zweiten Weltkrieg mit einer Gruppe bekannt,
die Deutschland und seiner damaligen Politik stark verbunden war. Josef, der in
Amerika nur noch Joe gerufen wurde, besaß ein Funkgerät, einen Detektorempfänger,
damit soll er die Gruppe zu festgelegten Zeiten mit seinen Kenntnissen als
Funker im Austausch mit Deutschland unterstützen.
Das erste Kapitel des Romans spielt in Costa Rica im Jahr
1953. Josef hilft zu dem Zeitpunkt beim Verzeichnen des Landes. In Rückblicken
schaut er auf sein bewegtes Leben zurück. Vier Jahre vorher war er aus dem
Internierungslager für feindliche Ausländer auf Ellis Island entlassen und des
Landes verwiesen worden. Sein Weg führte ihn direkt in seine Heimat nach Neuss,
wo die Familie seines jüngeren Bruders Carl noch immer wohnt. Von der Familie
seines Bruders erfährt er ein gewisses Unverständnis für seine aktuelle Lage,
auch aufgrund der Unkenntnis seiner vorigen Erlebnisse. Sein Ehrgeiz, wieder
von anderen unabhängig leben zu können, veranlasst Josef dazu, seine früheren
Kontakte zu nutzen, um einerseits wieder Arbeit zu finden und andererseits
vielleicht sogar wieder in die Vereinigten Staaten zurück zu finden.
Durch die ersten Seiten des Romans wusste ich, wohin der Weg
von Josef ihn führen wird. Meiner Meinung nach nimmt diese Gestaltung der
Geschichte eine möglich gewesene gewisse Spannung, die sich aufgrund der
Ungewissheit über Josefs weiteres Leben ergeben hätte. Danach lernte ich Josefs
Familie in Neuss kennen. 1949 herrscht immer noch Mangel an vielen Dingen des
Alltags. Sein jüngerer Bruder hat sich zum Familienoberhaupt entwickelt, Josef
wird zum geduldeten Gast. Er sehnt sich aufgrund seiner früheren Erfahrungen
nach Liebe und Aufmerksamkeit und sucht sie vor allem bei seiner Schwägerin,
wodurch sich das Verhältnis zu ihr schwierig gestaltet.
Die Autorin wertet nicht über das Leben ihres Großonkels.
Zaghaft beschreibt sie Josefs Aktivitäten als Funker und schafft ein
realistisches Szenario. Dabei öffnete sie mir als Leser den Zugang zu dem
interessanten Thema der geschickten Spionagetätigkeiten der Nationalsozialisten
in den Vereinigten Staaten.
Josef ist inzwischen 36 Jahre alt. Eine beschriebene
Liebesgeschichte blieb recht blass, denn ich konnte die Empfindungen von Josef
nicht nachvollziehen. Vielleicht waren seine Gefühle nervlich zu sehr
angespannt aufgrund seiner konträren Ansichten über seine Tätigkeit als Funker.
Leider erfuhr ich so gut wie nichts über die ersten Jahre seines Aufenthalts in
den USA. Ulla Lenze lässt die damalige brodelnde Atmosphäre in den Straßen New
Yorks und das Miteinander der verschiedenen Kulturen durch ihre Beschreibungen
wieder Gestalt annehmen.
In ihrem Roman „Der Empfänger“ zeigt Ulla Lenze, dass man
auch nach Jahren an einem Ort fernab der Heimat innerlich noch immer nicht
angekommen sein kann. Die Suche nach Liebe, Vertrauen und Geborgenheit birgt
dabei ungeahnte Risiken, die ihr Großonkel in den Tagen vor und während des
Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten erfahren hat. Gerne empfehle ich
das Buch weiter.