Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Die Bagage
Autorin: Monika Helfer
Erscheinungsdatum: 01.02.2020
Verlag: Hanser (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783446265622
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Das Jahr 1914 ist schicksalsträchtig für die Familie der
Autorin Monika Helfer, denn damals wurde im September ihr Großvater zum
Wehrdienst eingezogen. Aber sie erzählt in ihrem Roman „Die Bagage“ nicht nur
die Geschichte ihrer Großeltern und deren Kinder, sondern erinnert sich auch an
Episoden aus ihrem eigenen Leben.
Ihre Großeltern Josef und Maria Moosbrugger wohnten ganz am
Ende eines kleinen Dorfs in Vorarlberg auf einer Anhöhe. Ihr kleiner Bauernhof
stand dort recht einsam, der Boden war karg und die Arbeit darauf mühsam.
Später sollte das Paar einmal sieben Kinder haben, zur Zeit der Einberufung
waren es vier. Grete, die Mutter von Monika Helfer wurde zu Kriegszeiten
geboren. Wer Gretes Vater tatsächlich ist, weiß wohl nur Maria. Wie es zu
diesem Mysterium gekommen ist, davon erzählt die Autorin in ihrem Roman. Der
Titel des Buchs ergibt sich aus der Nutzung des Begriffs „Bagage“ für
diejenigen, die am unteren Ende der gesellschaftlichen Schicht standen. Auch
hier bei uns am Niederrhein wird die Bezeichnung abwertend für eine als lästig
empfundene Gruppe genutzt.
Monika Helfer schildert das Geschehen in einem eigenwilligen
Schreibstil mit meist kurzen Sätzen. Dennoch beschränkt sie sich nicht nur auf
das Wesentliche, sondern versucht mögliche Erklärungen für das Verhalten ihrer
Verwandtschaft zu finden. Eine wesentliche Quelle für sie, waren die Gespräche
mit ihrer Tante Katharina, der ältesten Schwester ihrer Mutter, die damals im
Herbst 1914 elf Jahre alt war. Manchmal verlässt die Autorin abrupt die
Erzählebene des außenstehenden Betrachters um sie als Ich-Erzähler mit
Ereignissen aus ihrer eigenen Erinnerung fortzusetzen.
Maria legt sehr viel Wert auf saubere Kleidung. Ihr ist
bewusst, dass sie allgemein als schön gilt und ihr daher Männer gerne Avancen
machen. Es ist ein ärmliches Leben, das durch das Fehlen des Vaters zu
Kriegszeiten dazu führt, dass kaum mehr genug zu essen da ist. Maria versucht
das beste aus der Situation zu machen. Es wird deutlich, dass zu vergangenen
Zeiten der Liebe ein anderer Stellenwert zukommt wie heute, denn um eine Ehe zu
führen war sie früher nicht entscheidend.
Monika Helfer füllt die fehlenden Informationen mit ihrer
Fantasie und versucht auf diese Weise die Beweggründe ihrer Großmutter
nachzuvollziehen. Ganz bestimmte Ansichten über einzelne Familienmitglieder stellt
sie durch Wiederholungen heraus. Anhand vieler, kleiner Episoden, die sich in
der Realität so zugetragen haben, baut sie Szenen weiter aus. Zeitsprünge, auch
zu Erlebnissen im Leben der Autorin, machten mir das Lesen nicht immer einfach.
Monika Helfers Roman „Die Bagage“ ist nur teilweise fiktiv.
Die meisten Begebenheiten beruhen auf Geschichten aus ihrer eigenen Familie.
Sie gab mir als Leser Einblicke in den harten Alltag ihrer Großmutter, deren
Handlungen auch die nachfolgenden Generationen geprägt haben. Die Autorin
versteht es, die Fakten ansprechend aufzubereiten, so dass es unterhaltsam ist,
den Schilderungen zu folgen. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.