Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Die Detektive vom Bhoot-Basar
Autor: Deepa Anappara
Übersetzer: pociao und Roberto de Hollanda
Erscheinungsdatum: 10.03.2020
Verlag: Rowohlt (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783498001186
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Der Debütroman der in Südindien geborenen Autorin Deepa
Anappara führte mich tief hinein in ein indisches Basti, das ist eine illegale
Siedlung am Rand einer großen Stadt. Die Häuser dort sind zwar klein und
bestehen meist nur aus einem Raum, aber immerhin sind sie aus Stein gemauert. Zur
Ausstattung gehört oft ein Fernseher und von den erwachsenen Bewohnern besitzt
fast jeder ein Handy. Aber es besteht ständig die Gefahr, dass die Siedlung auf
Anordnung der Verwaltung mit Bulldozern niedergewalzt wird. Darum versuchen die
Bewohner sich möglichst unauffällig zu verhalten und die örtlichen Polizisten
nicht zu verärgern.
Der neunjährige Jai lebt in einem solchen Basti zusammen mit
seinen Eltern und seiner älteren Schwester Runu. Sein Vater verdingt sich auf
einer Baustelle und seine Mutter ist Dienstmädchen in der angrenzenden
Hochhaussiedlung der Reichen. Eines Tages verschwindet ein Klassenkamerad von
Jai, schon bald ist es ein zweites Kind und weitere folgen. Jai begibt sich mit
seinen gleichaltrigen Freunden Pari und Faiz auf die Suche nach ihnen. Dabei
hofft er, dass ihm sein Wissen über das Lösen von Kriminalfällen, das er sich beim
Anschauen von Fernsehsendungen erworben hat, zugutekommt.
Die Wege der Freunde
führen sie durch die verwinkelten Gassen des Bastis, hin zum quirligen
Bhoot-Basar, der seinen Namen von dem indischen Volksglauben an Bhutas d.h.
Geister ableitet, und mittels U-Bahn bis hin in die Großstadt. Die drei halten
Augen und Ohren offen und kommen der Lösung immer näher, die verbunden ist mit
unglaublichen Erkenntnissen über die Realität.
Jai hat in seinem jungen Alter noch eine unverstellte
frische Sicht auf sein Umfeld und das ist auch genau das, was den Roman
ausmacht. Aus seiner Ich-Erzähler-Perspektive heraus schildert er einfach alles
was er wahrnimmt und seine Gedanken dazu. Auf diese Weise vermittelte er mir
damit all die Geräusche, Gerüche und Farben seiner Welt, die sich eigentlich
auf das Basti beschränken sollten und nun durch seine Ermittlungen um einiges
erweitert werden. Bewusst fügt die Autorin indische Bezeichnungen für Personen
und Dinge ein, um ein gewisses Feeling für das Milieu zu vermitteln.
Indem die
Freunde genau hinhören und hinsehen erfahren sie von den Erwachsenen Tatsachen
und Gerüchte, die eigentlich nicht für so junge Kinder gedacht sind, aber zu
einem verstörenden Bild für mich als Leserin werden. Denn trotz der wenigen
Mittel die Jai zum Spielen zur Verfügung stehen, vermisst er nichts. Er besucht
die Schule, trifft sich mit Freunden und spielt fantasievolle Spiele. Der
Zusammenhang zwischen guten Noten und seiner späteren beruflichen Perspektive
ist ihm noch nicht klar. Der Glaube an Geister verlangt nach gewissen Ritualen
und setzt Regeln. Doch die zunehmende Zahl verschwundener Kinder geht auch an
ihm nicht spurlos vorbei.
Während Jais Ahnungslosigkeit dem gesamten Roman einen
gewissen heiteren Unterton verleiht, erfuhr ich zunehmend mehr über Missstände,
die die indische Gesellschaft betreffen. Das Verschwinden der Kinder beruht auf
wahren Ereignissen. In Einschüben erzählt die Autorin zu jedem vermissten Kind
eine Geschichte bis zu dessen Verschwinden, doch was danach geschieht, bleibt
offen und füllte sich für mich mit der Zeit durch Erzählungen und Tuscheleien der
Basti-Bewohner über Missbrauch,
Kriminalität, Korruption, Ausbeutung und der Nachlässigkeit der Polizei. Gegenseitiges
Misstrauen, das auch auf Glaubensunterschiede zurückgeführt werden kann,
erschweren die Aufklärung. Leider kam es nach etwa der Hälfte des Buchs zu ein
paar Längen.
Im Roman „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ nahm Deepa Anappara
mich mit in die illegalen Siedlung am Rande einer Großstadt. Aus kindischen
Augen des Protagonisten Jai betrachtet, konnte ich am quirligen Leben dort
teilnehmen. Ganz nebenher übt die Autorin deutliche soziale Kritik am System
und prangert so manchen Missstand an. Ich fand die Geschichte beeindruckend und
faszinierend und war erschüttert über die Umstände, die mich erschrocken
zurückließen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.