Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Vardo - Nach dem Sturm
Autorin: Kiran Millwood Hargrave
Übersetzerin: Carola Fischer
Erscheinungsdatum: 02.03.2020
Verlag: Diana (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783453292369
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Die Engländerin Kiran Millwood Hargrave beschreibt in ihrem
Roman „Vardo“, wie auch der Untertitel „Nach dem Sturm“ schon andeutet, die
fiktiven Ereignisse nach dem historisch belegten Unwetter am Heiligen Abend des
Jahres 1617. Er betraf vor allem die Fischer von Vardo, der östlichsten
Gemeinde Norwegens, deren Boote er versenkte. Vierzig, und damit alle
erwachsenen Männer des Orts ertranken dabei. Die Frauen müssen den Kampf ums
Überleben aufnehmen in einer kargen und abgeschiedenen Gegend. Dabei versuchen sie
teilweise auch die Aufgaben ihrer Männer zu übernehmen. Durch die Konventionen
ihrer Zeit sind sie dabei eingeschränkt. Im gleichen Jahr wird ein Dekret zu
Zauberei und Hexerei erlassen, dass drei Jahre später in der Finnmark, zu dem
Vardo gehört, durchgesetzt wird.
Zu den Opfern des Sturms gehörten der Vater, der Bruder und
der Verlobte der 20-jährigen Maren, die jetzt mit ihrer Mutter allein in einem
kleinen Haus lebt. Ihre Schwägerin ist samischer Herkunft, schwanger und hat
ein Zimmer gleich nebenan. Während Maren und die meisten Frauen des Dorfs
gläubige Christen sind, hängen die Samen ihrem eigenen Glauben an, zu denen der
Kontakt zur Geisterwelt durch einen Schamanen gehört, wodurch sie besonders im
Blickfeld des neues Gesetzes stehen.
Zur Durchsetzung des Dekrets wird Absalom Cornet, der sich
in seiner Heimat Schottland bereits in der Hexenverfolgung einen Namen gemacht
hat, nach Vardo geschickt. Bei seiner Zwischenstation in Bergen trifft er Ursa,
die Tochter eines Reeders. Schnell wird eine Ehe zwischen den beiden arrangiert.
Die als Hausfrau unerfahrene Ursa begleitet ihren Ehemann in den Norden. Die
Frauen von Vardo begegnen ihr mit Misstrauen, doch zwischen ihr und der etwa
gleichaltrigen Maren entwickelt sich zunehmend ein ganz besonderes Verhältnis.
Kiran Millwood Hargrave beschreibt behutsam und feinfühlig
die zunehmenden Spannungen in einer Gemeinschaft, in der durch den Verlust der
erwachsenen Männer jahrzehntelang bewährte Aufgabenverteilungen hinfällig
geworden sind. Der tägliche Kampf darum, genug Nahrung besorgen zu können,
überdeckt die Trauer, sie brauchen einander. Obwohl sie Hilfe aus anderen
Ortschaften erhalten, ist die Enttäuschung über die Obrigkeit groß, der das Einhalten
der Gesetze wichtiger zu sein scheint als das Überleben der Einwohner.
Ursa kommt an der Seite ihres Mannes in dieser Situation
nach Vardo. Das Misstrauen gegenüber Absalom übertragt sich auf seine Frau.
Dabei weiß Ursa wenig über ihren Mann, denn die insgesamt verbrachte gemeinsame
Zeit ist kurz und geprägt von Bewunderung und Respekt, aber auch einer
unterschwelligen Angst vor Absalom, der ihr wenig über sein bisheriges Tun
erzählt hat. Ausgerechnet ihre Unfähigkeit zur Führung eines Haushalts bringt
ihr die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Frauen der Gemeinde. Bei Maren
findet sie das, was sie fern ihres Heimathauses vermisst hat: Sie wird zu ihrem
Ankerpunkt, bringt ihr Verständnis entgegen und spendet ihr Trost.
Der Glaube an Hexerei und Zauberei treibt einen Keil in die
Gemeinschaft, der Spalt öffnet sich immer weiter. Ursas Stand in der Gemeinde
als Frau des Hexenverfolgers ist umstritten. Die beschriebenen Prozesse
basieren auf den historischen Grundlagen und wurden von der Autorin sehr gut
recherchiert. Sie sind grausam, abschreckend und bis heute unverständlich.
Vardo hat ihnen ein Mahnmal gesetzt, damit niemand vergisst.
Kiran Millwood Hargrave erzählt im Roman „Vardo – Nach dem
Sturm“ berührend und eindringlich über das reale Schicksal der Frauen in der
titelgebenden Gemeinde Norwegens im Jahr 1617, die sich schon bald nach dem
Unwetter und dem Verlust ihrer Männer der Macht der von der Regierung
entsendeten Hexenverfolger gegenüber sehen, die die Gesetze erbarmungslos durchsetzen.
Gleichzeitig schreibt die Autorin zart und behutsam über Liebe, die nicht
zerstört werden kann und sich ihre eigenen Wege sucht. Ein Roman mit einem ganz
eigenen Klang, der in Erinnerung bleibt. Leseempfehlung!