Donnerstag, 30. April 2020

Rezension: Vengeful. Die Rache ist mein von V. E. Schwab


*Werbung*
Vengeful. Die Rache ist mein
Autorin: V. E. Schwab
Broschiert: 528 Seiten
Erschienen am 28. April 2020
Verlag: FISCHER Tor

----------------------------------------

Fünf Jahre sind vergangen, seit Victor Vale und Eli Ever sich in einem folgenreichen Kampf begegnet sind. Seither gilt Victor als tot, und Eli ist als Massenmörder hinter Schloss und Riegel. Doch die Wahrheit sieht etwas anders aus: Victor lebt, doch seine Fähigkeit hat sich verändert und wird zunehmend zur Bedrohung für ihn selbst. Und Eli ist im Gefängnis eine ungewöhnliche Kooperation eingegangen und in der Folge höchst aktiv. Schließlich betritt in Merit eine neue EO die Bühne: Marcella Riggins wurde von ihrem Mann, einem einflussreichen Mafioso, getötet, nachdem sie seine Affäre entdeckt hat. Jahrelang stand sie in seinem Schatten. Nun will sie nicht nur Rache, sondern strebt auch nach Macht - und ihre neue zerstörerische Fähigkeit erweist sich auf dem Weg nach ganz oben als überaus hilfreich.

Nachdem mich die Autorin im letzten November mit „Vicious. Das Böse in uns“ begeistern konnte, war diese Fortsetzung ein Must Read für mich. In Deutschland lagen zwischen den Veröffentlichungen der beiden Bücher nur wenige Monate, in Amerika jedoch fünf Jahre, denn die Autorin hat dazwischen die Weltenwanderer-Trilogie geschrieben. Diese fünf Jahre hat die Autorin auch in ihrer Buchwelt vergehen lassen.

Wie schon im ersten Band sind die Kapitelüberschriften als Countdown angelegt. Der Leser erfährt jeweils, wie viele Wochen oder Jahre vor einem unbekannten Ereignis das Kapitel spielt. Es gibt es mehrere Handlungsstränge, wobei in manchen Phasen häufiger hin und her gesprungen wird und der Fokus in anderen länger auf einem bestimmten Charakter bleibt.

Nach einem Intro, in welchem Marcella zur neuen EO wird und ihre Fähigkeit entdeckt, liegt der Fokus zunächst vor allem auf Victor. Er ist mit seiner Wahlfamilie, bestehend aus Sydney, Mitch und Dol, im Land unterwegs, um nach einer Heilung für sich zu suchen. Denn seit Sydney ihn mithilfe ihrer Fähigkeit von den Toten zurückgeholt hat, spielt seine Gabe verrückt. Hinter sich her zieht er eine Spur aus toten EOs, die ihm nicht helfen konnten und dan

Dienstag, 28. April 2020

Rezension: Das Rosie-Resultat von Graeme Simsion


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Das Rosie-Resultat
Autor: Graeme Simsion
Übersetzerin: Annette Hahn
Erscheinungsdatum: 25.03.2020
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783810530660
------------------------------------------------------------------------------------

Der Roman „Das Rosie-Resultat“ ist der dritte Band einer Reihe des australischen Autors Graeme Simsion mit dem kühl und rational denkenden Genetiker Don Tillman, der autistisch ist, als Protagonisten. Der erste Teil handelt davon, dass Don sich in die klinische Psychologin Rosie verliebt hat, unbeholfen die geliebte Frau umwirbt und dabei strikt nach Projektplan vorgeht. Im zweiten geht es darum, wie Don sich auf seine zukünftige Rolle als Vater vorbereitet. Der Titel „Das Rosie-Resultat“ bezieht sich auf Hudson, den gemeinsamen Sohn des Ehepaars, der im Laufe der Geschichte im Mittelpunkt des neuen Projekts von Don stehen wird. Das Buch kann unabhängig von den beiden Vorgängerbänden gelesen werden.

Hudson ist elf Jahre alt und in dessen Verhaltensweisen erkennt der inzwischen 52-jährige Don sich in vielerlei Hinsicht wieder. Nachdem Rosie ein lukratives neues Jobangebot in Melbourne erhalten hat, beschließt die Familie nach jahrelangem Aufenthalt in New York, zurück in die Heimat zu ziehen. Darüber ist Hudson nicht glücklich. Als dann Don bei seiner Stelle als Universitätsprofessor Schwierigkeiten bekommt, beschließt er zu kündigen und sich verstärkt um seinen Sohn zu kümmern, auch damit Rosie ihren Traum von einer Projektleitung verwirklichen kann, was fast nur in Vollzeit möglich ist.

In der neuen privaten Schule, die Hudson besucht, findet er wenig Freunde, weil er andere gerne belehrt, dabei möchte er nur sein Wissen weitergeben und hilfreich sein. Auch Don hat in seiner Kindheit und Jugend ähnliche Probleme gehabt. Zusammen mit Rosie macht er sich Gedanken darüber, welche Kompetenzen Hudson erwerben sollte und Don hat einige Ideen dazu, wie er diese seinem Sohn vermitteln könnte. Seiner neuen Aufgabe kommt er mit der von ihm gewohnten Akribie nach. Aber Hudson hat seine eigenen Vorstellungen davon, wie er sein will und was er lernen möchte.
 
Don fehlt die Möglichkeit, sich in andere Personen, in ihr Denken und Handeln, einzufühlen. Im Laufe seines Lebens hat er daher gelernt, durch Beobachtung und Recherche bestimmte Situationen anhand gewisser Kriterien zu beurteilen und wendet die dabei gewonnen Fakten im sozialen Miteinander an. Ebenso wenig wie Don im Alter von Hudson nimmt dieser die Ratschläge seiner Eltern ungefragt an, sondern fühlt sich ungerecht behandelt.

Als Ich-Erzähler lassen sich die Gedankengänge von Don nachvollziehen, die einem rationalen Verständnis folgen. Auf Außenstehende wirkt sein Verhalten manchmal seltsam, aber durch seine jahrelange Erfahrung hat er sich genügend Übung angeeignet, um weniger als früher aufzufallen. Dennoch kommt es immer wieder zu amüsanten Szenen aufgrund seiner besonderen Denkweise.

Don und Rosie haben viele Fragen rund um die Erziehung ihres Sohns zu klären, mit denen sich Eltern alltäglich auseinanderzusetzen haben. Einen breiten Raum nimmt dabei auch die Aufteilung der Betreuung in Anspruch, denn es ist nicht immer einfach zwischen dem Wohl des Kindes und der Karriere zu entscheiden.

Graeme Simsion behandelt das Abweichen vom Verhalten, dass von der Gesellschaft erwartet wird, behutsam und mit viel Feingefühl. Dabei greift er neben Autismus auch die Themen körperlicher Behinderung und Geschlechterklischees auf. Interessant fand ich die Frage, die der Autor aufwirft, ob eine Testung auf bestimmte Abweichungen von der Norm im Ergebnis zu Vorteilen der getesteten Person führen könnte.

Graeme Simsion ist mit dem Roman „Das Rosie-Resultat“ eine würdige Fortsetzung der Serie rund um seinen Protagonisten Don gelungen. Der Autor zeigt auf einfühlsame Weise wie sich seine liebenswerten Figuren gegen Vorurteile wehren und für Toleranz einsetzen. Dabei bietet er unkonventionelle Lösungen für Streitigkeiten an. Die Geschichte bietet Unterhaltung mit Tiefgang und brachte mich zum Nachdenken. Daher vergebe ich gerne eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses Buch.

Montag, 27. April 2020

Rezension: Die Schwestern vom Ku'damm. Tage der Hoffnung von Brigitte Riebe


*Werbung*
Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
Autorin: Brigitte Riebe
Hardcover: 464 Seiten
Erschienen am 21. April 2020
Verlag: Wunderlich

----------------------------------------

Im Jahr 1958 kehrt Florentine Thalheim nach West-Berlin zurück. Sechzehn Monate hat sie in Paris verbracht, doch dann hat ihr Freund Pascal sie verlassen. Auch in der Heimat hat sie nur eins im Sinn: Kunst! Deshalb kommt sie erst einmal bei ihrem Cousin Gregor und dessen Lebensgefährten unter, statt bei ihren Eltern einzuziehen und sich entsprechend der Pläne ihres Vaters im Modekaufhaus Thalheim am Ku’Damm einzubringen. Als sie an der Hochschule für bildende Künste abgelehnt wird, ist die Enttäuschung groß. Doch so schnell gibt Flori nicht auf.

Nachdem der Fokus erst auf Rike und dann auf Silvie Thalheim lag, ist in „Tage der Hoffnung“ Flori an der Reihe. Nach über einem Jahr in Paris kehrt sie in die Heimat zurück, doch den Plänen ihres Vaters will sie sich trotzdem nicht beugen. Stattdessen will sie ihre Zeit ganz der Kunst widmen. Floris experimentiert gerne mit Farben, doch auch das Fotografieren interessiert sie. Mit Begeisterung und Leidenschaft setzt sie ihre Projekte um. Über die Kunst findet sie neue Freunde, die ihr Halt geben. Ausgerechnet ihr Lehrer ist es, der ihr das Leben schwer macht und Zweifel in ihr sät.

Floris Werdegang steht im Mittelpunkt, doch man erfährt auch viel darüber, wie es für die Familie Thalheim grundsätzlich weitergeht. Schön fand ich, dass Flori viel Zeit mit ihrer Cousine Franzi verbringt, die inzwischen eine bekannte Schauspielerin ist. Deren Eltern leben im Ostteil der Stadt und wollen dort auch nicht weg, was zunehmend zum Problem wird. Luisa, die Mutter von Oskars Kind, bringt mit ihren Wünschen zusätzliche Unruhe in das Familienkonstrukt.

Flori ist deutlich jünger als ihre beiden Schwestern und fühlt sich von den beiden immer wieder ausgeschlossen. Sie hat das Gefühl, brisante Familiengeheimnisse immer als allerletzte zu erfahren. Von diesen gibt es wieder einige. Das Thema Wer-hat-mit-wem wurde für meinen Geschmack schon im zweiten Band zu sehr ausgereizt, und dieser Kritikpunkt zieht sich weiter durch dem dritten Band.

Lange wird das Buch von Familienangelegenheiten und Floris Kunst dominiert, während die historischen Entwicklungen eher am Rande thematisiert werden. Ich hätte mir eine etwas straffere Erzählung dieser Phase gewünscht. Mit dem Bau der Mauer kommt neuer Schwung in die Handlung. Ereignisse wie die Rede Willy Brandts gegen den Mauerbau und ein Besuch Marlene Dietrichs in Berlin werden thematisiert. Beim Thama Mauerbau hat sicher jeder bestimmte Bilder im Kopf, und Flori passt mit ihrer Kamera gut ins allgemeine Geschehen. Der Leser begleitet sie durch Höhen und Tiefen bis hin zu einem emotionalen und historischen Moment, der die Trilogie gelungen abschließt!

Sonntag, 26. April 2020

Rezension: Die Wahrheit ist von Eshkol Nevo


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Die Wahrheit ist
Autor: Eshkol Nevo
Übersetzer aus dem Hebräischen: Markus Lemke
Erscheinungsdatum: 24.04.2020
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
----------------------------------------------------------------------------------------------------------

Seinen Roman „Die Wahrheit ist“ hat der israelische Autor Eshkol Nevo auf eine besondere Weise gestaltet. Er setzt sich zusammen aus den Antworten, die ein Alter Ego des Schriftstellers als fiktiver Ich-Erzähler auf über hundert Fragen gibt, die ein Onlineredakteur aus einer Reihe von Fragen der User ausgewählt hat. Der Ich-Erzähler vermutet, dass es sein letztes Interview sein wird, denn er rechnet mit einem Herzinfarkt in den nächsten zwei Jahren, wobei seine Befürchtung auf seinen familiären Erfahrungen beruht.

Momentan schreibt er an keinem neuen Roman, weil es noch kein Jahr her ist, dass sein letztes Buch erschienen ist und er in der Zeit nach der Veröffentlichung immer besonders offen dafür ist, sich neu zu verlieben. Bereits nach dieser Aussage auf einer der ersten Seiten, stellte ich in Frage, ob der Erzähler sich tatsächlich an sein Versprechen dem Leser gegenüber hält, die Antworten der Wahrheit entsprechend zu geben, so wie es auch der Buchtitel andeutet, doch dazu weiter unten mehr. Im Cover drückt sich aus, dass sich Teile eines Ganzen, wie hier zum Beispiel die Wahrheit, in Ihrer Gestaltung verschieben lassen und dadurch ein neuer Eindruck entsteht.

Der Roman hat keine durchgehende Handlung und setzt sich aus vielen kurzen Geschichten als jeweilige Erwiderung zusammen. Lediglich zwei bis drei Fragen beantwortet der Protagonist täglich, so dass der Handlungsspielraum sich über einen längeren Zeitraum zieht. Aus den Antworten ergibt sich immer mehr das Bild eines Schriftstellers, der sich seine Wahrheiten zurechtbiegt entsprechend seiner Wünsche und Vorstellungen vom Leben. Die Schilderungen sind teils wie Vexierbilder doppeldeutig. Den Wahrheitsgehalt zu finden ist schwierig. Beispielsweise gibt er sich gerne als Liebhaber, obwohl er seit vielen Jahren verheiratet ist. Später nimmt er seine Aussagen zurück, auch weil seine Ehe darunter leidet.

Problematisch ist ebenfalls, dass er eigene Erfahrungen in seine Romanhandlungen einfließen lässt. Seine älteste Tochter hat dafür kein Verständnis und ihre Konsequenzen daraus gezogen. Auch in anderer Hinsicht hat er Sorgen, denn aufgrund eines lukrativen Auftrags hat er sich zur Unterstützung einer Meinung entschlossen, die nicht seine ist. Als er weitere Tätigkeiten dieser Art ablehnt, wird er vom Auftraggeber unter Druck gesetzt. Es wird deutlich, dass er auf ein positives Bild von sich in der Öffentlichkeit bedacht ist.

Die vorgenannten Gründe haben sicher auch dazu beigetragen, dass er unter einer ständigen Missstimmung leidet und vermutlich auch zu seiner momentanen Schreibblockade führten. Die Interviewfragen sind meist typisch für solche, die Schriftstellern gestellt werden und beziehen sich auf alles rund ums Schreiben, selten kommt es vor, dass Fragen zum familiären Hintergrund gestellt werden. Sie stehen in keiner Reihenfolge und führen zu Antworten, in die eine permanente zeitliche gegenwärtige Entwicklung einfließt, jedoch gehen die Gedanken des Ich-Erzählers häufig zurück zu Erinnerungen, die nicht immer positiver Art sind. Die örtlichen und zeitlichen Wechsel störten immer wieder meinen Lesefluss.

In seinem Roman „Die Wahrheit ist“ schreibt Eshkol Nevo über einen Autor, dem er seinen eigenen Namen gibt. Unweigerlich habe ich beim Lesen begonnen nach Parallelen zwischen Verfasser und fiktivem Schriftsteller zu suchen. Ähnlichkeiten zu sehen ist jedoch müßig, weil der Ich-Erzähler nach eigener Aussage die Schilderungen seinen Erwartungen an ein schönes Leben anpasst. Es ist unmöglich, die Wahrheit herauszufiltern, was den Roman überaus faszinierend macht. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.


Mittwoch, 22. April 2020

Rezension: Jägerin und Sammlerin von Lana Lux


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Jägerin und Sammlerin
Autorin: Lana Lux
Erscheinungsdatum: 10.03.2020
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783351037987
------------------------------------------------------------------------------------------------------


In ihrem Roman „Jägerin und Sammlerin“ erzählt die in Berlin wohnende Autorin Lana Lux von der schwierigen familiären Beziehung zwischen der an einer Essstörung leidenden jungen Frau Alisa und ihrer Mutter Tanya. An bestimmten Tagen überkommt Alisa eine Gier nach Essen, die ihr keine andere Möglichkeit lässt als einer Befriedigung ihrer Gelüste nachzukommen. Der Titel nimmt Anspielung darauf, dass sie dann auf die „Jagd“ geht und die immer gleichen ungesunden Lebensmitteln „sammelt“. Gleichzeitig ist das auf dem Cover abgebildete Eichhörnchen, das als Jäger und Sammler bekannt ist, auch Titelbild einer Zeitschrift, in der der vorläufig letzte große Erfolg von Alisa in einem enthaltenen Artikel beschrieben wird. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg für die Protagonistin in dieser beeindruckenden, faszinierenden Geschichte.

Zu Beginn des Romans steht Alisa kurz vor ihrem Abitur. Ihre Mutter hat ihr die frühere gemeinsame Wohnung überlassen als mit ihrem neuen Freund zusammengezogen ist. An Alisas Seite ist eine Freundin aus Kindertagen, mit der sie häufig Auseinandersetzungen hat. Neben der Schule hat Alisa mehrere Jobs, denen sie zu aller Zufriedenheit nachkommt. Trotz ihrer sehr guten Noten ist sie kaum motiviert, am Schulunterricht teilzunehmen und riskiert dadurch ihre Zulassung zur Prüfung. Nicht nur dadurch ist sie mit sich selbst unzufrieden, sondern auch mit ihrem Aussehen. Sie weiß, dass sie nicht den Ansprüchen entspricht, die Tanya an sie stellt. Alisas Ringen danach, sich selbst und anderen zu genügen führt sie in eine Abwärtsspirale, die dazu führt, dass sich ihre Essstörung immer stärker ausprägt und damit ihre Selbstverachtung immer mehr steigert, bis sie keine andere Möglichkeit mehr sieht und sich professionelle Hilfe sucht.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten habe ich darüber darüber gelesen, wie die Krankheit Alina immer mehr zu schaffen macht. In den beiden weiteren Teilen habe ich mehr über die Hintergründe erfahren wie es dazu kommen konnte, dass Alina zunehmend über sich selbst enttäuscht ist. Lana Lux schildert außerdem, wie Tanya ihre Ansichten zur Mutterrolle entwickelt und welche eigenen Wünsche sie für ihre eigene Zukunft und die ihrer Tochter hat. Es gelingt der Autorin anfangs, mich neugierig auf den weiteren Weg Alisas zu machen. Ebenso räumt sie im weiteren Verlauf des Romans der Lebensgeschichte von Tanya einen breiteren Raum ein, die sehr zum Verständnis der Mutter-Tochter-Beziehung beiträgt.

Lana Lux beschreibt detailreich und in klaren und deutlichen Worten, sei es der Umgang mit der unreinen Haut Alinas oder ihre Reaktion auf den übermäßigen Konsum von Essen. Ihre Schilderungen sind authentisch, auch weil sie selbst Erfahrung in den von ihren verarbeiteten Themen hat und ihr Wissen einfließen lässt. Sie hat selbst erlebt, wie man sich als Kind als Emigrierte in Deutschland fühlt. Als Ernährungswissenschaftlerin hat sie sich mit der Wirkung von Ernährung auseinandergesetzt.

Mit ihrem Roman „Jägerin und Sammlerin“ hat Lana Lux mich beeindruckt. Die Darstellung des Verhältnisses zwischen Mutter und Tochter, ihrer Erwartungen ans Leben und ihre Träume sind glaubwürdig. Für mich war es sowohl verstörend wie auch informativ über Essstörungen zu lesen. Dieses sehr ergreifende und bewegende Buch empfehle ich gerne weiter.

Dienstag, 21. April 2020

Rezension: Kein Teil der Welt von Stefanie de Velasco



*Werbung*
Kein Teil der Welt
Autorin: Stefanie de Velasco
Hardcover: 432 Seiten
Erschienen am 10. Oktober 2019
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

----------------------------------------

Esther und Sulamith waren von klein auf beste Freundinnen, die alle Geheimnisse miteinander geteilt haben. Für sie als Teil der Zeugen Jehovas war da immer eine Distanz zu den Weltmenschen in der Schule. Doch dann verliebt Sulamith sich und beginnt, den Glauben mit seinen Regeln und Pflichten zu hinterfragen. 

Ein Jahr später ist Esther mit ihren Eltern aus dem Ruhrgebiet in das Heimatdorf ihres Vaters im Osten gezogen. Es ist kurz nach der Wende und die Zeugen Jehovas sind nicht mehr verboten. Nun bauen ihre Eltern hier einen neuen Königreichssaal auf und versuchen, neue Menschen für ihren Glauben zu gewinnen. Was mit Sulamith passiert ist, darüber redet niemand. Und Esther muss feststellen, dass ihre Eltern ihr schon lange einige Dinge verheimlichen.

Ich habe mich mit den Zeugen Jehovas bislang nur oberflächlich auseinandergesetzt und fand es interessant, Einblicke von einer Autorin zu erhalten, die im Alter von 15 Jahren die Gemeinschaft verlassen hat. Die Geschichte ist fiktiv, doch bei den Schilderungen von Esthers und Sulamiths Teenager-Alltag bei den Zeugen, wo sie unter anderem am Predigtdienst, Bibelstudium und Versammlungen teilnehmen und Dinge wie Geburtstag und Weihnachten nicht feiern dürfen, hat sie ihre Erfahrung einfließen lassen. Auf einer zweiten Zeitebene wird von Esthers Ankommen in Ostdeutschland berichtet, sodass man als Leser in der Zeit vor und zurück springt und allmählich erfährt, was vor dem Umzug passiert ist.

Das Buch ist keine Abrechnung und beschönigt auch nichts, sondern erlaubt eine kritische Auseinandersetzung. Gleichzeitig erzählt es vom Erwachsenwerden - es geht um Freundschaft, die erste Liebe, dem Loslösen vom Elternhaus und dem Streben nach Normalität. Hier kommen jedoch die Regeln der Zeugen Jehovas ins Spiel - unter anderem darf man nicht einfach so eine Beziehung anfangen, erst recht nicht mit einem Weltmenschen - durch die bald Konflikte mit weitreichenden Folgen entstehen. Eine tiefgründige Geschichte mit vielen Einblicken in eine fremd erscheinende Welt, die an vielen Stellen bedrückt und schleichend an Dramatik gewinnt bis hin zu einem offenen Ende, das ich als stimmig erlebte.

Sonntag, 19. April 2020

Rezension: Der Himmel so rot von Marion Feldhausen


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Der Himmel so rot
Autorin: Marion Feldhausen
Erscheinungstermin: 30.03.2020
Verlag: Crimina (Imprint Ulrike Helmer) (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch
ISBN: 9783897414433
-------------------------------------------------------------------------------------------------------

Im Krimi „Der Himmel so rot“ von Marion Feldhausen ermitteln die Duisburger Hauptkommissarin Sofia Barucchi und ihr Team zum ersten Mal. Die Polizei wurde durch einen anonymen Anruf darüber informiert, dass auf dem Kaiserberg, in der Nähe des bekannten Duisburger Zoos, das Skelett einer Frau aufgefunden wurde, die jemand dort vermutlich in den1980er Jahren vergraben hat. Die Identifizierung ist schwierig und führt schließlich nach Italien. Barucchi, deren Vater Italiener ist, stellt den Kontakt her. Unterdessen treffen sich Mitglieder einer Motorradgang in Duisburg und rangeln neben den Absprachen zu weiteren Verbrechen um ihre Führungsrollen.

Auch wenn es zunächst so aussieht, als ob die Handlungsstränge nichts miteinander zu tun haben, so sind sie doch miteinander verknüpft und führen beide in das Jahr 1944 zurück. Der Titel des Buchs, der einer Textzeile eines alten Kriegslieds entnommen ist, deutet an, dass das damalige Geschehen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg steht. Marion Feldhausen greift dabei eine wenig bekannte Tatsache von Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Italien auf, die erst durch die Entdeckung des „Schranks der Schande“ im Palazzo Cesi, in dem Einzelheiten dazu von den Alliierten archiviert wurden, an die Öffentlichkeit traten.

Die Handlungsorte werden mit wenigen Worten skizziert. Marion Feldhausen hat einen eigenen Sprachstil, der auf Dialogen fokussiert. Im Kommissariat geht man locker miteinander um. Die Charaktere sind interessant gestaltet, aber ich hätte mir manchmal noch mehr Einzelheiten über das Leben der Figuren in ihrem Umfeld gewünscht. Das Alter einer Figur in Bezug auf dessen Vergehen verwirrte mich. Die Autorin erzählt mit klaren, deutlichen Worten den geschichtlich eingewobenen Aspekt ihres Krimis und beschreibt und beispielhaft die Gräuel der Wehrmacht. Das Thema erschütterte mich, vor allem die Folgen der Geschehnisse.

Bei den Ermittlungen greift Marion Feldhausen auch zu unkonventionellen Aufklärungsmethoden, die ich mir gut im Rahmen alltäglicher Fallermittlungen vorstellen konnte. Von Beginn an baut sie Spannung auf, die sie durch einige unerwartete Wendungen und parallellaufende Handlungen aufrechterhält, in denen nach und nach immer mehr Fakten zu Tage treten.

In ihrem gut komponierten Buch „Der Himmel so rot“ verbindet die Autorin Marion Feldhausen auf Fakten beruhende, verstörende Ereignisse im Zweiten Weltkrieg in Italien gekonnt mit spannenden kriminellen Handlungen in Duisburg, die erst wenige Jahre zurückliegen. Gerne empfehle ich den Krimi an alle Leser des Genres.

Freitag, 17. April 2020

Rezension: Mathilda oder Irgendwer stirbt immer von Dora Heldt


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Mathilda oder Irgendwer stirbt immer
Autorin: Dora Heldt
Erscheinungsdatum: 12.03.2020
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783432362491
-------------------------------------------------------------------------


Die Titelfigur „Mathilda“ im gleichnamigen Roman von Dora Heldt nimmt im Prolog der Geschichte Rückblick auf die vergangenen turbulenten Monate und verrät dabei einiges, was in dieser Zeit geschehen ist. Ein wenig lässt auch der Untertitel des Buchs „Irgendwer stirbt immer“ vermuten, dass die Dorfidylle von Dettebüll, dem Ort, in dem Mathilda nun schon über 60 Jahre lebt, durch unerwartete Ereignisse gestört wurde. Noch vor Aufblättern der ersten Seiten führt das Cover mit einer beschaulichen Szene des Landlebens stimmungsvoll in die Erzählung ein.

Gemeinsam mit ihrem Mann Gunnar, der inzwischen in Rente ist, wohnt Mathilda in einer Haushälfte, die ihrer Mutter Ilse gehört. Sie hat zwei erwachsene Kinder, die nicht mehr vor Ort leben. Obwohl sie gern im Dorf lebt, muss sie sich mit einigen Dingen, die ihr weniger oder gar nicht gefallen, arrangieren. Dazu gehört zum Beispiel ihre in der anderen Hälfte des Hauses wohnende Mutter, der sie zwar Respekt zollt, die sich aber auf ihre eigene Weise in sämtliche Belange einmischt, ihre Meinung kundtut und dabei immer auf der Suche nach einer wenig konstruktiven Auseinandersetzung zu sein scheint. Mathilda liebt Frieden und ist immer bereit, einzulenken und Streit beizulegen. Und eines Tages geschieht ein Unfall, der für Ilse nicht gut endet, aber für Mathilda vieles verändert. In der Zwischenzeit kehrt ihr Bruder Pit, ein Kneipenwirt in Hamburg, ohne ihr Wissen in besonderer Mission in sein Heimatdorf zurück. Er ahnt nicht, dass er selbst seinen Teil dazu beitragen wird, dass ungewöhnliche Ereignisse im Dorf geschehen, mit denen niemand gerechnet hat.

Mathilda ist ein sympathischer Charakter. Liebevoll kümmert sie sich sowohl um die ihr anvertrauten Menschen wie auch die ihr übertragenen Aufgaben. Viele Erledigungen sind für sie Routine und werden selten von ihr hinterfragt. Die Beziehungen innerhalb der Dorfgemeinschaft haben sich über Jahre herausgebildet, Freundschaften werden gepflegt, Widersacher gemieden. In Dettebüll kennt jeder jeden und weil so wenig geschieht, tragen sich Neuigkeiten schnell weiter, denn alle freuen sich über neue Gesprächsthemen. Dora Heldt schafft Figuren, denen sie einen eigenwilligen, nicht immer liebenswerten, manchmal überspitzt dargestellten Charakter verleiht, der sich aber im Laufe der Ereignisse auch ändern kann. Die Absichten einiger Personen sind schwierig vorherzusehen und tragen zu den ereignisreichen Begebenheiten bei. Mit der Zeit erhält die Handlung einige kriminelle Elemente. Über allem liegt ein durchgehend amüsanter Unterton, auch durch die Verknüpfung von Handlungen, die über den Zufall hinausgehen. Allerdings führte der gekonnt konstruierte Handlungsablauf mit immer neuen Verwicklungen zum Ende hin zu wenigen Längen.

In ihrem Roman „Mathilda“ schildert Dora Heldt zwar ein lauschiges Landleben, doch demgegenüber stellt sie auch die Vorteile des Wohnens in einer Stadt. Sie vermischt eine vergnügliche Geschichte mit kriminellen Handlungen, die sie aber passend zur Story als unerheblich erscheinen lässt. Gerne empfehle ich das Buch an Leser, die nach einer Erzählung für unterhaltsame Stunden suchen.

Montag, 13. April 2020

Rezension: 1000 Serpentinen Angst von Olivia Wenzel



Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: 1000 Serpentinen Angst
Autorin: Olivia Wenzel
Erscheinungsdatum: 04.03.2020
Verlag: S.Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103974065
-----------------------------------------------------------------------------------------------

Mit „1000 Serpentinen Angst“ hat die in Berlin lebende Autorin Olivia Wenzel ihren ersten Roman vorgelegt. Wie schon der Titel andeutet, leidet ihre unbenannte Protagonistin, eine junge Frau im Alter von Mitte 30 und Projektmanagerin im E-Commerce, unter einer Angststörung. Sie hat Flugangst, Angst vor Terror in allen Abstufungen und schließlich Angst vor der Angst. Aber sie ist aufgeschlossen, wissbegierig und vor allem reiselustig. Sie beobachtet genau und speichert die Szenen ab, um sie jederzeit wieder abrufen zu können. Leider sind ihre Erinnerungen nicht immer positiver Art.

Die Autorin lässt in ihre Geschichte durchgehend symbolisch einen Snackautomaten als Herz der jungen Frau einfließen. Sie steht immer wieder an einem Bahnsteig vor einem solchen Kasten. Die Orte, an denen sie sich dabei aufhält, sind wechselnd über die ganze Welt verstreut, Der Inhalt des Automaten ist vielfältig, so bunt wie das Leben. Als Kind hat sie für ihr Taschengeld Kaugummi mit Goodie gezogen, aber was sie sich gewünscht hat, ist selten erschienen. Heute kann sie direkt wählen, doch die große Auswahl macht es ihr nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Später ist der Automat kleiner und damit unauffälliger geworden. Um die Sicht auf den Inhalt zu erhalten, muss die Protagonistin sich bücken, sich selbst klein machen und sich biegen, aber die Auswahl ist vorhanden und es tut gut, sich seinen Wunsch zu erfüllen.

Geboren ist die junge Frau im Osten Deutschlands als Tochter einer alleinerziehenden Mutter und eines angolanischen Vaters, der in die Heimat zurückgekehrt ist. Bei ihrer Großmutter, dem Sozialismus verbunden, ist sie gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder eine Weile aufgewachsen. Ihre Mutter hat sich als Jugendliche zum Punk gewandelt und auf diese Art gegen das System rebelliert. Im Teenageralter hat die Protagonistin einen großen Verlust hinnehmen müssen. Aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe fiel sie oft ungewollt auf.

Für die junge Frau ist es nicht einfach, ihren eigenen Weg zu finden und gesellschaftspolitisch eine eigene Meinung zu bilden. Sie lehnt jede Art von Gewalt ab genauso wie jede Form der Diskriminierung.

Olivia Wenzel findet eine ganz eigene Erzählweise. Ihr Roman ist in drei Teile geteilt. Der erste und letzte Teil ist vorwiegend im Frage-Antwort-Stil geschrieben. Die Fragen sind durchgehend in Großbuchstaben geschrieben und dementsprechend fordernd. Die fragende Person bleibt unbenannt. Das Stil erinnerte mich teils an Pressekonferenzen, bei denen die Interviewer vorbereitete Fragen stellen, auch wenn sie nicht zur Situation passen, weil es Fragen sind, die zu ihnen gehören und die sie immer in ihrem Repertoire haben. Die junge Frau antwortet, bleibt gelassen, rückversichert sich und lässt manchmal durch die Fragen angeregt ihre Gedanken schweifen. Während des dritten Teils ändert sich die fragende Person und schlüpft in die Rolle der jungen Frau, die nun aus zwei Perspektiven spricht.

Die Mitte des Romans besteht zu einem großen Teil aus der Betrachtung von Fotos, die für das Leben der jungen Frau von Bedeutung sind. Rückblicke auf Kindheit und Jugend stehen neben Reisen in die USA und nach Vietnam, der Heimat einer ihrer Freundinnen, während sie ebenso ihren Alltag in Berlin meistert.

Olivia Wenzels Roman „1000 Serpentinen Angst“ ist vielschichtig. Er vermittelt Lebensfreude ebenso wie Ängste, von denen man sich aber nicht entmutigen lassen sollte. Liebe in allen Schattierungen und die Frage danach, wo man sich Zuhause fühlt sind weitere Themen. Während des Lesens fragte ich mich häufiger, wie viel Selbsterlebtes die Autorin in ihre Geschichte einfließen ließ, vor allem weil sie eine große Empathie für ihre Figuren und deren Handlungen zeigt. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

Samstag, 11. April 2020

Rezension: Sieben Lügen von Elizabeth Kay



Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Sieben Lügen
Autorin: Elizabeth Kay
Übersetzer aus dem Englischen: Rainer Schumacher
Erscheinungsdatum: 28.02.2020
ISBN: 9783785726693
--------------------------------------------------------------------------

Im Buch „Sieben Lügen“ beschreibt die Engländerin Elizabeth Kay die Freundschaft zweier Frauen, die einen Mord nach sich zieht. Siebenmal lügt die Protagonistin Jane Black ihre Freundin Marnie Gregory an, wobei die letzte Lüge in ihrer Beziehung alles verändert.

Jane und Marnie lernen sich als elfjährige am ersten Schultag in der weiterführenden Schule kennen. Das ist jetzt 18 Jahre her. Inzwischen betreibt Marnie berufsmäßig einen Food-Blog. Jeden Freitag lädt sie Jane zum Essen ein. Während Marnie in der Küche steht und ihre Kochaktivitäten auf Video aufzeichnet, verbringt Jane Zeit mit Marnies Freund Charles. Jane als Ich-Erzählerin verbirgt nicht, dass sie Charles nicht besonders gut leiden kann und schon auf den ersten Seiten erfuhr ich, dass er bald sterben wird. Zwar fragte ich mich nun, was zu seinem Tod führen wird, doch nimmt das Wissen darum, einen Teil der Spannung.

Zunächst erschien es so, als ob Jane sich mit ihrer Erzählung an mich als Leserin wenden würde. Allerdings konnte ich einige Bemerkungen nicht richtig einordnen. Erst ganz zum Ende hin erfuhr ich, wem sie ihre Geschichte tatsächlich erzählt und ihre Äußerungen fanden ihren passenden Platz darin.

Über die ersten Kapitel hinweg baute sich leider wenig Spannung auf. Immer wieder kehren Janes Gedanken in die Vergangenheit zu verschiedenen Szenen, die von ihr und Marnie handeln. Auf diese Weise konnte ich verstehen, dass die beiden eine besonders enge Freundschaft pflegen. Marnie ist selbstbewusst und aktiv, während Jane sich gern in den Schatten von Marnie stellt und auf ihre Anregungen wartet. Aber im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass es Situationen gibt, in denen Marnie die Hilfe von Jane benötigt. Jane hat in ihrer Kindheit wenig Liebe erfahren, Marnie bietet ihr eine Konstante im Leben, ist für einige Zeit ihr Fels in der Brandung.

Doch Charles ist nicht der erste Mann, der sich in das Leben der beiden Frauen drängt. Es ist erst drei Jahre her, dass Jane ihren Ehemann Jonathan bei einem Unfall verloren hat. Sie hat ihn mit 22 Jahren kennen gelernt und ist schon wenig später aus der gemeinsamen Wohnung mit Marnie aufgezogen, damit sie mit Jonathan zusammenleben kann. Inzwischen ist Jane selbstbewusster geworden und darum ist sie bereit, für ihre große Liebe das aufzugeben, was ihr bisher als Ankerpunkt diente. Jane erinnert sich gerne an die schöne gemeinsame Zeit, während sie findet, dass Charles nicht zu Marnie passt. Doch das sagt sie ihr nicht, ganz im Gegenteil. Nach Janes Meinung beginnt so der Weg in die Krise ihrer Freundschaft. Jane ist ein wandelbarer Charakter und vermutlich ergibt sich ihre Abneigung Charles gegenüber allein aus dem Umstand, dass er die Rolle von Marnie in Janes Leben verändert.

Jedem Kapitel im Buch ist eine Lüge zugeordnet. Erst bei der vierten Lüge kommt mehr Thrill auf, durch den Umstand einer Einmischung durch eine Außenstehende. Hier zeigt die Autorin, welche Möglichkeiten, aber auch Gefahren die Sozialen Medien heute bieten. Zwar ist das ein geschickter Zug, die Spannung zu steigern, jedoch fand ich diesen Handlungsstrang der Geschichte und die Reaktionen darauf von Jane und Marnie teils zu konstruiert.

„Sieben Lügen“ von Elizabeth Kay ist eine Geschichte über eine komplizierte Freundschaft zweier junger Frauen mit einigen Höhen und Tiefen. Die Konstruktion der Handlung konnte mich leider nicht vollständig überzeugen. Eine hintergründige Spannung kommt erst im Laufe der Erzählung auf. Janes Lügen führen schließlich zu einem kurzen stürmischen Abschluss. 

Freitag, 10. April 2020

Rezension: Neuleben von Katharina Fuchs


*Werbung*
Neuleben
Autorin: Katharina Fuchs
Hardcover: 480 Seiten
Erschienen am 1. April 2020
Verlag: Droemer HC

----------------------------------------

Im West-Berlin des Jahres 1953 studiert Therese Jura an der Freien Universität und steht kurz vor dem ersten Staatsexamen. In der DDR durfte sie nicht studieren, denn ihre Familie hatte Landbesitz und ihr Ziehvater war als Offizier bei der Wehrmacht. Doch als eine von zwei Frauen wird ihr von dem Professoren und Kommilitonen auch nach mehreren Semestern noch immer das Leben schwer gemacht. Unterstützung erhält sie von ihrem leiblichen Vater Leo, der als Strafverteidiger arbeitet und bei dem sie wohnen darf.

Gisela hat gerade Thereses Halbbruder Felix geheiratet. Sie arbeitet als Schneiderin und tritt eine neue Stelle im Konfektionshaus Engelmann an. Er selbst studiert noch, sodass sie auf ihr Ankommen angewiesen sind. Doch viel lieber würde sie selbst Schnitte entwerfen wie einst ihre Mutter Anna. Nicht in allen Punkten sind sie und ihr Mann sich einig: Sie möchte auch nach seinem Studium gerne weiterarbeiten. Und sie macht sich Sorgen, dass auffliegen könnte, was Felix immer wieder in die DDR hinein- und aus ihr herausschmuggelt.

Nachdem mich die Geschichte von Anna und Charlotte in „Zwei Handvoll Leben“ begeistern konnte, habe ich mich über die Nachricht gefreut, dass in „Neuleben“ die Geschichte ihrer Kinder Gisela und Therese erzählt wird. Es handelt sich hierbei um die Mutter und die Tante der Autorin. Diese hat es im Jahr 1953 beide aus der DDR nach Westberlin verschlagen.

Katharina Fuchs konnte mich erneut mit ihrer Erzählung der Ereignisse fesseln. Gespannt verfolgte ich die Lebenswege der beiden Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen. Therese wir in der Universität regelrecht drangsaliert, und als ihre Mitstreiterin Marie wegen schlechter Noten aufgeben will fürchtet sie eine weitere Verschlechterung ihrer Lage. Gisela braucht als Ehefrau die Erlaubnis ihres Mannes, um arbeiten zu gehen. Doch das Schneidern allein reicht ihr nicht und sie sucht nach Wegen, um eine abwechslungsreichere Tätigkeit ausüben zu dürfen.

Das Lebensgefühl der 50er Jahre wurde in diesem Roman gelungen eingefangen. Es ist ein Aufbruch in eine neue Zeit, doch an vielen Stellen herrschen auch noch alte Denkweisen. Der größte Teil des Buches spielt in West-Berlin, wo die Entwicklungen in der DDR kritisch beäugt werden. Auch die Tätigkeit der Stasi wird thematisiert. Die Geschichte ist authentisch erzählt, nichts wird überdramatisiert oder beschönigt. Gleichzeitig bietet sie viele spannende, berührende und nachdenklich stimmende Momente.

Der Roman lässt sich ohne Vorkenntnisse lesen, was jedoch ganz sicher dazu führt, dass man „Zwei Handvoll Leben“ danach unbedingt lesen will. Also am Besten gleich chronologisch lesen! Von mir erhält „Neuleben“ eine große Leseempfehlung für alle Leser von Familiengeschichten!

Mittwoch, 8. April 2020

Rezension: Die Parade von Dave Eggers


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*
Titel: Die Parade
Autor: Dave Eggers
Übersetzer: Ulrike Wasel und Claus Timmermann
Erscheinungsdatum: 08.04.2020
Verlag: Kiepenheuer & Witsche (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783462053579
---------------------------------------------------------------------------------------------

Dave Eggers Roman „Die Parade“ spielt in einem unbenannten Land, in dem bis vor kurzem Bürgerkrieg herrschte, in der jetzigen Zeit. Auf Anordnung des Unternehmens, für das die zwei Protagonisten arbeiten, sind deren Namen anonymisiert, was konkret heißt, dass die beiden sich mit einstelligen Zahlen anreden, die sie sich selbst ausgesucht haben. Ihre Aufgabe besteht darin, eine bereits planierte und verdichtete Straße mittels einer Maschine zu asphaltieren und zu markieren. Sie ist 230 Kilometer lang und führt von der quirligen Hauptstadt im Norden in den ländlich geprägten Süden, Für die Arbeiten ist ein Zeitraum von höchstens zwölf Tagen vorgesehen. Der Plan muss eingehalten werden, denn die fertige Straße soll für die große angekündigte Parade, die als Zeichen für den Anbruch friedlicherer Zeiten stattfinden soll, zur Verfügung stehen.

Der Protagonist „Vier“ ist ein erfahrener Tiefbauarbeiter, der schon viele Aufträge zur Zufriedenheit für das Unternehmen durchgeführt hat. Er beherzigt die Ratschläge der Firma in Bezug auf das Verhalten vor Ort gegenüber den Einheimischen und die Empfehlungen in Bezug auf den Verzehr von Speisen und Getränken. Doch nicht nur Zuverlässigkeit, sondern auch Durchsetzungskraft sind ihm zu eigen, darum sieht er sich auch als weisungsgebend seinem Kollegen „Neun“ gegenüber, was dieser aber nicht akzeptieren will. Vier wird die Maschine fahren, während Neun mit einem Quad vorausfährt und mögliche Hindernisse beseitigt. Für Neun ist es der erste Auftrag. Er hat seine eigenen Auffassungen vom Umgang mit Land und Leuten hat. Sein Vorteil ist die Kenntnis der Sprache. Schon kurz nach dem Kennenlernen stellt Vier fest, dass die Arbeitsbeziehung sich schwierig gestalten könnte.

Dave Eggers stellt zwei sehr unterschiedliche Charaktere gegenüber mit jeweils einer anderen Auffassung davon, wie die aufgetragene Arbeit zu erfüllen ist. Während für Vier, auch aufgrund seiner langjährigen Erfahrung, die strikte Erfüllung des Solls im Vordergrund steht und er Kontakte zu Einheimischen durchaus auch als gefährlich einstuft, interessiert sich Neun für die fremde Kultur und genießt neue, ungewöhnliche Angebote mit allen Sinnen. Konfliktpotential ist von Beginn an reichlich vorhanden. Mit einer gewissen Spannung verfolgte ich die Auseinandersetzungen. Die Folgen des jeweiligen Verhaltens waren zunächst fast absehbar, wurden dann aber überraschend.

Neun ist stolz darauf, wertvolle Hilfe bei der Fertigstellung der Straße leisten durch das Unternehmen für das er arbeitet leisten zu können. Sie wird eine schnellere Verbindung schaffen, was vor allem dem Handel zwischen den Regionen zugutekommen wird und die Wiederaufbauarbeiten des Landes werden schneller möglich. Allerdings wird der Transportweg nicht nur für Güter des täglichen Bedarfs zur Verfügung stehen, sondern in dem korrupten Land auch Möglichkeiten zur rascheren Verbreitung unerwünschter Ware bieten.

„Die Parade“ von Dave Eggers ist eine erschreckend realistische und verstörende Geschichte, die einerseits für Völkerverständigung und Kulturausstausch steht, andererseits aber unserer Skepsis Fremdländischen und Unbekanntem gegenüber Nahrung gibt. Der Schluss wird nicht jedem Leser gefallen, wäre aber durchaus denkbar. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

Sonntag, 5. April 2020

Rezension: Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst von Nick Hornby


*Werbung*
Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
Autor: Nick Hornby
Übersetzer: Ingo Herzke
Hardcover: 160 Seiten
Erschienen am 5. März 2020
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

----------------------------------------

Tom und Louise treffen sich vor ihrer ersten Sitzung der Paartherapie im Pub gegenüber. Vier Mal hat Louise mit einem anderen Mann geschlafen und es Tom schließlich gestanden. Nun steht die Ehe des arbeitslosen Musikkritikers mit der Ärztin auf dem Prüfstand. Gibt es für sie noch eine Zukunft? Darüber reden die beiden mal direkt, mal über Umwege. Auch vor dem nächsten Termin treffen sie sich wieder im Pub, was schnell zu einer Gewohnheit wird.

Die Grundidee des Buches hat mich neugierig auf diesen neuen Titel aus der Feder von Nick Hornby gemacht: Als Leser begegnet man den beiden Protagonisten ausschließlich im Pub vor ihrer Paartherapie. Insgesamt zehn Mal treffen sie sich dort. Zu Beginn ist vor allem die Affäre ein Thema und ob die Sitzungen den beiden wirklich helfen können. Die unterschiedliche Haltung der beiden zum Brexit wird angesprochen genauso wie die ganz verschiedenen Erfahrungen, die sie in ihren Berufen sammeln.

Jedes Gespräch der beiden stellt sich als Schlagabtausch mit Worten dar. Tom und Louise nutzen jede Vorlage, die der andere bietet - mal für sarkastische Erwiderungen, mal für ein humorvolles Weiterspinnen des Gedankens, mal für bewusstes Missverstehen. Sie reden dabei nicht nur über sich, sondern haben auch Spaß daran, sich Geschichten zu den Paaren auszudenken, die vor ihnen bei der Therapie sind und die sie beim Hinausgehen beobachten. Auch bei den Überlegungen, welche neuen Partner die beiden wohl nach einer möglichen Scheidung hätten, sind beide eifrig und kreativ bei der Sache. Schlagfertigkeit und Wortwitz steht hier im Vordergrund, wodurch das eigentlich ernste Thema einer Ehekrise für den Leser zu einer heiteren Sache wird.

Ob die beiden die Kurve kriegen oder nicht war mir dabei ehrlich gesagt egal, denn wirklich sympathisch wurden sie mir nicht und es gibt auch keine Versuche, Verständnis für die jeweilige Haltung der beiden herzustellen. Als Leser erhält man ein Bild von Tom, Luise und ihrer Ehe, das sich auch für einen Stammgast im Pub beim regelmäßigen Lauschen gebildet hätte. Das Buch bleibt konsequent bei der Außenperspektive, sodass man keine Einblicke in die Gefühlswelt der beiden erhält oder was ihr soziales Umfeld über sie denkt. Es bleibt bei der leichten Unterhaltung an der Oberfläche und dem geschickten Spiel mit Worten und Kommunikation. Zehn schnell gelesene Episoden mit Unterhaltungswert!

Samstag, 4. April 2020

Rezension: Glasflügel von Katrine Engberg


Rezension von Ingrid Eßer

*Werbung*

Titel: Glasflügel
Übersetzer aus dem Dänischen: Ulrich Sonnenberg

Erscheinungsdatum: 26.02.2020
Verlag: Diogenes (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag 
ISBN: 9783257071238

weitere Bücher der Kopenhagen-Thriller-Reihe:
Fall 1: Krokodilwächter (Rezension KLICK!)
Fall 2: Blutmond (Rezension KLICK!)
---------------------------------------------------------------------------------------------


In der Reihe der Kopenhagen-Thriller der Dänin Katrine Engberg ist „Glasflügel“ der dritte Band bei dem der Ermittlungsleiter bei der Kopenhagener Polizei Jeppe Körner versucht, den Fall zu klären. Seine Kollegin Anette Werner, inzwischen 44 Jahre alt und in Elternzeit, ist diesmal nicht an seiner Seite. Stattdessen erhält Körner mehr Unterstützung durch seine Kollegen Falck und Larsen sowie von Sara Saidani, mit der er privat eine Beziehung führt, die er bisher aber nicht öffentlich gemacht hat. Für Werner spricht allerdings nichts dagegen, dass sie sich als Abwechslung zur Mutterrolle auf eigene Faust einige Informationen zum Fall einholt …

Die Ermittlungen führen wenige Jahre in die Vergangenheit zu dem inzwischen geschlossenen Fürsorgeheim für Jugendliche, der Wohnstätte „Sommerfuglen“, ins Deutsche übersetzt bedeutet der Begriff „Schmetterlinge“. Dabei ist der titelgebende Glasflügler eine besonders zerbrechlich wirkende Schmetterlingsart, die aber für ihre Fressfeinde tödlich sein kann.

In Kopenhagen wird in einem Brunnen eine nackte weibliche Leiche gefunden, blutleer mit Schnitten an den Handgelenken und der Leiste. Körner steht vor einem Rätsel. Erst als am nächsten Tag ein weiteres Opfer gefunden wird, führt eine erste Spur nach „Sommerfuglen“. Die Zeit drängt, denn das Motiv ist nicht klar und es könnte weitere Tote geben.

Körner und Werner waren vor der Erziehungszeit ein eingespieltes Team. Jetzt gibt es Situationen für beide, in denen sie den jeweils anderen auf gewisse Weise vermissen, weil sie genau einschätzen können, welche Tätigkeit der Partner jetzt übernehmen beziehungsweise welche Gedanken er äußern würde. Werners Verhalten zeigt, dass bei weiteren Bänden mit ihrer unkonventionellen Hilfe bei den Fallermittlungen zu rechnen ist. Sowohl das Privatleben wie auch der berufliche Alltag von Körner und Werner sind mit Sorgen und Problemen belastet und dabei lässt sich die jeweilige Stimmungslage nicht immer scharf dazwischen trennen.

Angeteasert wird der Thriller durch eine Szene, in der eine Krankschwester einem Patienten eine Überdosis eines Medikaments verabreicht. Im Laufe der Erzählung hatte ich eine vage Ahnung davon, um welchen Erkrankten es sich dabei handeln könnte, was die Spannung zusätzlich steigerte. Katrine Engberg hat für „Glasflügel“ als Hintergrundthema den Pflegenotstand gewählt, der uns auch gerade jetzt in Deutschland wieder einmal schmerzlich bewusst wird. Sie verweist auf den Umstand, dass gerade im Bereich der Psychiatrie, aber auch in anderen medizinischen Gebieten, durch eine erhöhte Medikation beispielsweise eine Beruhigung des Patienten erreicht werden kann und dadurch die Zeit für eine effektivere, jedoch kostspieligere Therapie durch entsprechend geschulten Personals eingespart werden kann. Außerdem verdeutlicht sie, wie viel Verantwortung, aber auch Macht über Leben und Tod den Pflegern, Therapeuten und Ärzten zukommt.

„Glasflügel“ ist wie die beiden vorigen Fälle wieder durchgehend spannend. Die Haupthandlung mit der Suche nach dem Mörder wird garniert mit etlichen liebevoll gestalteten Nebenhandlungen in denen ich auch wieder bekannten Figuren wie zum Beispiel der emeritierten Professorin Esther de Laurenti begegnete. Ein Lesen des Buchs ohne Kenntnis der ersten Bände ist möglich, aber nicht unbedingt sinnvoll. Der Thriller ist ein Muss für alle Fans der Serie und eine Empfehlung für alle Leser des Genres.

-->