Beim Roman „Im Bauch der Königin“ von Karosh Taha fällt beim
Betrachten des Buchs sofort ins Auge, dass der Umschlag vorne wie hinten gleich
gestaltet ist. Wendet und dreht man es, ist nicht direkt ersichtlich, welche
Seite man für den Beginn aufschlagen soll. Einen kleinen Hinweis darauf gibt
nur das Leseband. So ungewöhnlich wie die Aufmachung sind auch die beiden
beinhalteten Geschichten, bei denen die Protagonisten gleich sind. Sie sind aus
der Sicht von Heranwachsenden erzählt, bei denen einerseits die Schilderung der
Geschehnisse die junge Amal übernimmt, andererseits ihr Klassenkamerad Raffiq,
dessen Eltern genauso wie Amals aus dem irakischen Kurdistan stammen. Ähnlichkeiten
der Geschichten sind gewollt und dennoch fließen sie in ihre je eigene
Richtung.
Der Titel nimmt Bezug auf die Beziehung einer Mutter zu
ihrem Kind, bei der sie ihren Nachwuchs mit ihrem Körper und Geist behütet und
beschützt. Erst wenn der Adoleszente nicht nur körperlich, sondern auch sozial
gereift ist, wird er bereit für seinen Weg in der Welt sein. In dieser Phase
befinden sich die Hauptfiguren. Younes, ein Freund von Amal und Raffiq hat eine
angespannte Beziehung zu seiner Mutter Shahira Shafiq, die ebenfalls Kurdin ist.
Sie ist alleinerziehend, kleidet sich aufreizend und ist um einen Flirt nicht
verlegen, aus dem gelegentlich mehr wird. Kurz gesagt, entspricht sie nicht dem
allgemeinen Bild der Frau in einer kurdischen Gemeinschaft in der sie, wie die
oben genannten auch, in einer deutschen Stadt lebt.
Durch die Wahl der Ich-Perspektive ließ mich die Autorin an
den Gedanken ihrer Erzähler teilnehmen, einmal aus einer weiblichen, das andere
Mal aus einer männlichen Sicht, jedoch mit unterschiedlichem Inhalt mit
mehreren Überkreuzungen. Insgesamt wirken beide Geschichten als je eigene
Auseinandersetzung über die Kultur in der die Jugendlichen leben und der
Probleme ihrer Eltern, die die Migration nach Deutschland mit sich gebracht
hat. Sowohl für Amal wie auch für Raffiq bedeutet es aber auch, dass sie sich
mit den eigenen Möglichkeiten beschäftigen müssen, welche Vor- und Nachteile
ein Lebensmittelpunkt in dem einen wie dem anderen Land bieten würde.
Dadurch, dass Karosch Tahas Familien von Amal und Raffiq
einigen Klischees entsprechen, werden die kulturellen Unterschiede über die
Erwartungen an Männer und Frauen in den beiden Ländern umso deutlicher. Die
Figur von Shahira zeigt, welche Folgen es für den Ruf haben kann, sich in einer
Gesellschaft gegen die Erwartungen zu verhalten. Ebenso spiegelt Karosh Taha
die Rolle der Väter wider durch ihre beruflichen Möglichkeiten hier wie dort
und die Bedeutung von Sprache, um sich in einer Gemeinschaft zurechtzufinden. Für
Younes und seine Freunde ist es ein schwieriger Prozess, daraus für sich die
nötigen Rückschlüsse zu ziehen. Entscheidungen für die Zukunft zu treffen sind
schwerwiegend für das ganze Leben.
„Im Bauch der Königin“ von Karosch Taha ist ein Coming-of-Age
Roman dreier Jugendlicher, die neben üblichen altersbedingten Rangeleien um ihr
Ansehen unter Gleichaltrigen sich mit den kulturellen Bedingungen zweier
Staaten und der Suche nach geeigneten Vorbildern auseinandersetzen müssen.
Verbunden mit der Findung der eigenen Identität sind Freundschaft, Liebe, Hass
und Kummer. Das Buch ist ein bewegender Roman mit dynamischen Figuren, der auch
nach dem Lesen noch nachhallt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.