Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Unsere glücklichen Tage
Autorin: Julia Holbe
Erscheinungsdatum: 16.05.2020
Verlag: Penguin (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 978328601104
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In ihrem Debütroman „Unsere glücklichen Tage“ schreibt Julia
Holbe über die Freundschaft der vier jungen Frauen Elsa, Fanny, Marie und
Lenica. Die drei erstgenannten stammen aus Luxemburg und verbringen jahrelang
ihre Sommerferien im Ferienhaus von Elsas Eltern an der Atlantikküste der
Bretagne. Lenica wohnt mit ihrer Familie vor Ort und hat sich mit den Frauen
angefreundet. In einem heißen Sommer an der Küste bringt Lenica Sean mit, einen
Freund seit vielen Jahren. Vom ersten Augenblick an fühlt Elsa sich von ihm
magisch angezogen. Doch am Ende der Ferien ist plötzlich alles vorbei, der
Kontakt der Frauen zueinander bricht abrupt ab. Etwa 30 Jahre später trifft
Elsa Marie durch Zufall wieder. Beiden ist die Sehnsucht nach der gemeinsam
verbrachten Zeit deutlich anzumerken und sie beschließen, die alte Gewohnheit
wieder aufleben zu lassen.
Julia Holbe lässt von Beginn an keinen Zweifel daran, dass
etwas Bedeutsames zum Schluss des Aufenthalts an der Küste geschehen sein muss,
so dass die Freundinnen von weiteren Treffen und Telefonaten abgesehen haben.
Daher war ich zunächst etwas verwundert über die Freude des Wiedersehens von
Elsa mit Marie. Schnell wurde deutlich, dass man schon deswegen nicht an die
Vergangenheit anknüpfen konnte, weil Lenica inzwischen verstorben ist. Mir
wurde aber auch bewusst, dass der Grund für das jahrelange Schweigen umso
tragischer sein musste, denn Elsa war nicht einmal bei der Beerdigung ihrer
Jugendfreundin, obwohl sie davon erfahren hatte.
Der Roman spielt in der Gegenwart, die Freundinnen sind
inzwischen etwa 50 Jahre alt und stehen mitten im Leben mit all seinen Höhen
und Tiefen. Fanny hat den Buchhandel ihrer Mutter übernommen, Marie ist
Neurologin und Elsa Lehrerin. Die damaligen Erlebnisse sind scheinbar in
Vergessenheit geraten. Die jungen Frauen haben sich weiterentwickelt, ihre
eigenen Leben an der Seite anderer Personen gelebt und keine von ihnen möchte wieder
in die frühere Rolle schlüpfen: Marie, die Unbeschwerte und Streitlustige,
Fanny, die zurückhaltend und für ihre Kochkünste bekannt ist und die
unternehmenslustige und sensible Elsa. Obwohl kein Zorn spürbar ist, gehen die
Erinnerungen von Elsa, die als Ich-Erzählerin fungiert, oft zurück zu dem Bruch
der Freundschaft, der über allem mit der Frage nach dem Warum bis fast zum Ende
der Geschichte im Raum steht.
Wer selbst schon einmal den Sommer am Atlantik verbracht
hat, wird sich gerne anhand der Schilderungen wieder dahin mitnehmen lassen.
Die Sonne brennt, die Luft flirrt, das Wasser wartet kühlend auf den Schwimmer
und über allem liegt eine Sehnsucht nach Nähe, Berührungen und Genießen der
gemeinsamen Zeit. Nur die Schönheit der ungetrübten Tage möchte man erinnern. Doch
Julia Holbe zeigt auf bewegende Weise, dass man seine Vergangenheit nicht
beschönigen kann und sie für die Freundinnen auch verbunden ist mit Neid und
Eifersucht, mit verletzenden Geheimnissen und Vertrauensbruch. Elsas Beziehung
zu Sean wird erst im Laufe der Zeit verständlich, die Schilderungen der gemeinsamen
Aktivitäten der beiden führen im mittleren Teil leider zu einigen Längen.
Julia Holbe schildert in ihrem Roman „Unsere glücklichen
Tage“ die enge Freundschaft von vier jungen Frauen, die am Ende eines heißen
Sommers plötzlich endet. Obwohl die Erinnerung verblasst, bleibt ein Schatten,
der darauf wartet, an die rechte Stelle gerückt zu werden. Die Autorin zeigt, dass
Neuanfänge möglich sind und macht Mut, gebotene Chancen aufzugreifen. Gerne
empfehle ich den Roman weiter.