Die Geschichte in ihrem Roman „City of Girls“ lässt die
US-Amerikanerin Elizabeth Gilbert von der 79-jährigen Protagonistin Vivian Morris
erzählen. Im Frühjahr 2010 erhält diese einen Brief, der sie dazu bringt, auf
ihr langes Leben zurückzublicken. Vor allem eine Zeit, die sie als junge Frau Anfang
der 1940er Jahre im Theater Lily Playhouse in Manhattan verbringt, hat sie
geprägt. Das Theater gehört ihrer Tante Peg, die dort für ein örtliches
Publikum ein wenig gewinnbringendes Unterhaltungsprogramm mit Gesang,
Schauspiel und Tanz anbietet. Die Produktion „City of Girls“, die dem Buch seinen
Titel gibt, erlangt dabei besondere Aufmerksamkeit. Die Idee, die Geschichte
als Antwort von Vivian an die Absenderin zu gestalten ist gut, aber die
Ausgestaltung des Briefs mit über hunderte von Seiten ist eher unrealistisch.
Vivian ist in einer Unternehmerfamilie in einer Kleinstadt im
Süden aufgewachsen. Unentschlossen darüber, welchen Beruf sie ergreifen soll,
wird sie schließlich von ihren Eltern zu ihrer Tante geschickt. Mit im Gepäck
ist ihre Nähmaschine, denn von ihrer Großmutter hat sie Schneidern gelernt. Ihr
Hobby wird ihr später sehr nützlich sein. Doch zuerst genießt sie das
unabhängige Leben in der Metropole und an der Seite ihrer neuen Freundin, der
Revuetänzerin Celia, stürzt sie sich ins Nachtleben.
Es ist kurzweilig, die Entwicklung von Vivian zu verfolgen.
Sie ist in gutsituierten Familienverhältnissen aufgewachsen. Ihre Eltern sind
von ihr oft enttäuscht, denn sie nimmt die gebotenen Möglichkeiten, ihre
Zukunft zu gestalten, nicht an. In New York genießt sie ihre Freiheit und lotet
ihre Grenzen aus. Schritt für Schritt lässt sie sich immer tiefer in die
Verführungen des Nachtlebens hineinziehen, bis es zu einem jähen Erwachen kommt,
das aber letztlich wegweisend für sie ist. Bis in die Nebenfiguren hinein gestaltet
die Autorin ihre Figuren abwechslungsreich und lebensnah.
Es glitzert und prickelt in diesem Roman und fasst könnte
man dabei vergessen, dass der Zweite Weltkrieg gerade begonnen hat. Elizabeth
Gilbert schildert Liebeständeleien voller Genuss und Sinnlichkeit, stellt dem aber
auch eine dunkle Seite der Lustsuchenden gegenüber. Sie zeigt ebenfalls Liebe
ohne Grenzen, die damals im Geheimen ausgeübt wurde.
Gespannt wartete ich darauf, dass Vivian das Geheimnis lüftet,
das die Absenderin in der Anfangsszene zum Schreiben des Briefs veranlasste. Die
sehr detaillierten Schilderungen der Inszenierungen des Theaters zu Beginn der
1940er Jahre führten zu einiger Länge im Mittelteil. Es fordert die Geduld des
Lesers bis sich in Vivians Leben eine Richtungsänderung ergibt.
Der Roman „City of Girls“ von Elizabeth Gilbert ist trotz
einiger Längen und bedrückender Szenenelemente eine amüsante und unterhaltsame
Lektüre, die den Leser mitnimmt in das Theater- und Nachtleben New Yorks in den
ersten Jahren der 1940er.