Die 23-jährige Kölnerin Nelly Voss ist „Die Lilienbraut“ für
den von ihr geliebten Mann, denn nach dessen Meinung bringt sie einen Raum zum
Leuchten sowie die entsprechenden Blumen. Ihr Problem im gleichnamigen Roman
von Teresa Simon, der in der Zeit des Zweiten Weltkriegs spielt, ist die
Aussichtslosigkeit, die ihre Liebe begleitet, denn es darf nicht sein, dass sie
mit ihrem Geliebten zusammenlebt und ihre Liebe darf nicht öffentlich bekannt
werden.
Das Cover ist entsprechend der Geschichte romantisch gestaltet,
aber Nelly lebt nicht, wie die Aufmachung vermuten lässt, in herrschaftlichen
Verhältnissen, sondern ihre Mutter ist Kneipenwirtin, ihr Vater längst
verstorben. Sie selbst arbeitet im Büro der Parfümerie-Fabrik Mülhens. Aber auf
der Handelsschule hat sie Greta Farina kennengelernt, die Tochter des berühmten
Unternehmers, der das Eau de Cologne erfunden hat. Gegenseitig geben die beiden
sich Halt in den schweren Zeiten des Zweiten Weltkriegs.
Auf einer zweiten Zeitebene erzählt Teresa Simon die
Geschichte der jungen Biologin Liv van Geeren, die in der Gegenwart spielt. Liv
hat einen kleinen Sohn und ist frisch getrennt. Eine Erbschaft führt sie aus
Maastricht nach Köln, wo sie in Ehrenfeld ein Geschäft für Düfte eröffnet.
Durch Zufall trifft sie eine ältere Frau von der sie als „Nellie“ angesprochen
und beschimpft wird. Hier ergab sich für mich schon ein Bezug zu der Geschichte
der Nellie Voss. Doch bevor ich erfuhr, wie beide Erzählebenen
ineinandergreifen musste ich noch viele Seiten lesen.
Eigenständig laufen beide Geschichten nebeneinander her und
konnten mich auf ihre je eigene Art begeistern. Sie sind nicht nur über die
besondere Nase ihrer jeweiligen Protagonistin für Düfte verbunden. Die Autorin fasst
in ihre Erzählungen historische Fakten ein und umkleidet sie gekonnt mit
Fiktion, die sich so liest, als ob die Ereignisse tatsächlich geschehen wären.
Sie lässt Nellie in weiten Teilen die Begebenheiten in Tagebuchform erzählen
und ich konnte mich auf diese Weise die tiefen Gefühle ihrer Protagonistin zu ihrem
Liebsten nachvollziehen.
Es ist aufwühlend, vom Leben der Bevölkerung und den
gegebenen Umständen im kriegszerstörten Köln zu lesen. In einem Nachwort greift
die Autorin bestimmte Begriffe auf und erklärt sie im historischen Kontext. Zur
weiteren Einbettung in das Kölner Umfeld gehört auch das zeitweilige Kölsche
Platt bei Gesprächen beispielsweise in der Kneipe und der Verzehr typischer
Speisen und Getränke. Eine treffende Auswahl dazu, die mir, als im Rheinland
geborene, bekannt und empfehlenswert sind, findet sich im Anhang in Form von
Rezepten zum Zubereiten wieder
Sowohl Nellie wie auch Sophie sind junge Frauen mit starkem
Charakter, die ihre Ideale verfolgen, auch wenn sie gegen allgemein übliche
Konventionen handeln und damit rechnen müssen, kritisiert zu werden. Auf beiden
Erzählebenen hat Teresa Simon einige überraschende Wendungen eingefügt, die dem
Roman eine hintergründige Spannung verleihen.
Die ansprechenden Geschichten, unterstützt durch den
ständigen Perspektivenwechsel, sorgen für ein schnelles Lesen um zu erfahren,
wie beide Erzählstränge zusammenfließen und verbunden sind. Der Roman „Die
Lilienbraut“ von Teresa Simon hat mich bestens unterhalten und daher empfehle
ich ihn gerne weiter.