Im Roman „Wie uns die Liebe fand“ erzählt Marie-Anne Nanon, von
allen Madame Nan gerufen und inzwischen 92 Jahre alt, aus ihrem bewegten Leben,
vor allem von einer Zeit von vor etwa vierzig Jahren. Die Autorin des Romans,
Claire Stihlé, ist im Elsass geboren, wo auch ihre Erzählung spielt, wohnt
heute aber in Deutschland. Obwohl sie ihre Geschichte in deutscher Sprache
verfasst hat, erinnerte mich der Schreibstil an Romane, die auf dem
französischen Buchmarkt zu finden sind.
Madame Nan ist früh verwitwet und hat vier Töchter. Bis zur
Geburt der ältesten Tochter Marie war sie als Pharmazeutisch-Technische
Assistentin tätig, nach dem Tod ihres Ehemanns sind ihre Mittel knapp. Im Jahr
1979 kommt ihr der Zufall zu Hilfe in Form ihres Nachbarn Monsieur Boberschram,
der ihr den seit langem in Familienhand befindlichen Lebensmittelladen schenkt,
den er nach dem Tod seiner Frau nur nachlässig geführt hat. Marie erfindet
gemeinsam mit ihrem Freund Manou Liebesbomben, die im Dorf für reichlich
Verwirrung in Liebesbeziehungen sorgen.
Der Verkauf der Kugeln im inzwischen aufblühenden Geschäft der Nanons ist
ein Erfolg und sichert die Familie finanziell ab. Zu gerne hätten Madame Nans
Töchter, dass auch ihre Mutter einen neuen Partner findet, aber sie weigert
sich die Kugeln für sich selbst einzusetzen.
Lange erscheint es unrealistisch, dass Monsieur Boberschram
sein Geschäft einfach so verschenkt hat, obwohl die Autorin hierzu Erklärungen gibt.
Um den wahren Grund zu erfahren dauert es jedoch bis fast zum Ende des Romans.
Die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung und führt viele Jahre zurück in
die Vergangenheit des Elsasses, einer Gegend die zeitweilig von Frankreich und
Deutschland umkämpft war.
Die Töchter der Madame Nan haben je einen ganz eigenen
Charakter, der zu einigen Auseinandersetzungen der jungen Frauen über
verschiedene Themen führt. Die Drittgeborene Chloé beschäftigt sich mit ihren
fünfzehn Jahren mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, was Ende der
1980er Jahre nicht alltäglich war. Ich habe mich in dieser Zeit wiedergefunden
und konnte mir die Umstände gut vorstellen, weil ich in etwa zu dieser Zeit im
Elsass zu Besuch war. Die Autorin flechtet immer wieder Informationen über Land
und Leute in ihren Roman ein. Etwas befremdlich fand ich allerdings die
Wirkungsweise der Liebeskugeln, die wohl eher mit Humor zu sehen sind und der
Geschichte einen mystischen Touch verleihen.
Der Roman „Wie uns die Liebe fand“ von Claire Stihlé ist
eine Geschichte, die die Protagonistin als Ich-Erzählerin im leichten
Plauderstil schildert. Mit wenigen Längen im mittleren Teil führt die Erzählung
zu einer berührenden Vergangenheit der Hauptfigur, die eng verbunden ist mit der
Geschichte des Elsasses. Im Schlussteil des Buchs finden sich viele Seiten mit
Rezepten aus dieser Gegend, die zum Nachkochen auffordern. Gerne vergebe ich
eine Leseempfehlung für diesen bewegenden Roman mit heiterem Unterton.