In ihrem Roman „Tage des Aufbruchs“ erzählt Karin Seemayer
das Leben der Brasilianerin Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva, kurz Aninha
oder auch Anita genannt, die später in Italien eingebürgert wurde. Ihre Eltern
waren in Brasilien eingewanderte Portugiesen, ihr Vater, ein Gaucho, verstarb
als sie 13 Jahre alt war, mit 14 Jahren wurde sie verheiratet.
1839, das ist vier Jahre nach ihrer Hochzeit, setzt die Erzählung
ein. Aninah ist inzwischen 18 Jahre alt und lebt allein in Laguna im Haus ihres
Ehemanns, der sie vor zwei Jahren verlassen hat, um sich der kaiserlichen Armee
anzuschließen. Sie führt ein zurückgezogenes, recht unabhängiges Leben. Ein
Onkel von ihr setzt sich vor Ort für eine liberale republikanische Regierung
und die Abschaffung der Sklaverei ein, Aninah stellt sich politisch auf seine
Seite. Als sie bei einem geheimen Treffen der Rebellen den italienischen
Widerstandskämpfer Guiseppe Garibaldi trifft, vergisst sie bald in Bezug auf
ihre Ehe ihren Anstand und steht ihm in jeder Lebenssituation zur Seite, was
auch beinhaltet, dass sie mit ihm in den Kampf zieht.
Aninha ist unerschrocken, mutig und wenig auf Konventionen
bedacht. Sie kämpft für ihre Ansichten mit Herz und Verstand. Schnell wurde sie
mir sympathisch. Karin Seemayer füllt die vorliegenden Fakten mit so viel Leben
aus, dass ich mir die beschriebenen Situationen sehr gut vorstellen konnte und
die Handlungen lebendig wirkten. Die Autorin hat mit viel Liebe zu einzelnen
Details die damalige Zeit heraufbeschworen und Aninhas Weg an der Seite der
Rebellen nachvollziehbar ausgestaltet.
Auch bei Aninhas späteren längeren Aufenthalten in Uruguay
und Italien, die verbunden waren mit der Geburt ihrer Kinder zeigt Karin
Seemayer ihre Protagonistin, die inzwischen mit Giuseppe verheiratet ist, als
unverdrossen weiterkämpfend für ihre Ideale. Die historischen Daten hat die Autorin
bestens recherchiert. Sie versteht es, immer wieder Spannung aufzubauen und
Kämpfe mitreißend zu schildern. Glücklicherweise konnte ich die biografischen
Daten von Aninha nachlesen, so dass ich beim Lesen bis zuletzt nicht um ihr
Leben fürchten musste. Dennoch werden reale und fiktive Personen in der
Geschichte nicht verschont. Karin Seemayer bindet geschickt Informationen über
Kultur und Politik der jeweiligen Länder in ihre Erzählung ein. Sensibel
beschreibt sie auch die möglicherweise manchmal widerstreitenden Gefühle
Aninhas, die Frauen beobachtet, die näheren Kontakt zu ihrem als allgemein
gutaussehend geltender Ehemann haben.
In ihrem Roman „Tage des Aufbruchs“ schildert Karin Seemayer
das faszinierende und bewegende Leben der Aninha beziehungsweise Anita
Garibaldi von 1839 bis zu ihrem Tod 1849, die wie so viele ihrer Zeit
unermüdlich für den Traum von Freiheit und Gerechtigkeit kämpfte. Die Autorin
lässt Zeit und Figuren so lebendig wirken, als wäre man als Leser selbst dabei.
Gerne vergebe ich hierfür eine Leseempfehlung.