Fast jeder, der am Dienstag, den 11.09.2001 über ein
gefestigtes Erinnerungsvermögen verfügte, weiß wo und wann er an diesem Tag von
den Terroranschlägen in den U.S.A. erfahren hat, so wie ich. Ich hörte die
Nachrichten im Autoradio und konnte es nicht glauben, ich sah die Türme im
Fernsehen wie Butter zerfließen und konnte es nicht glauben und erfuhr noch von
einem Anschlag auf das Pentagon und einem weiteren abgestürzten Flugzeug und
konnte es ebenfalls nicht glauben. Es war unvorstellbar und doch war es
geschehen. Es gab Fakten, aber die direkt an den Anschlägen beteiligten
Menschen blieben zum großen Teil unsichtbar und ungehört. Das hat der Garret M.
Graff mit seinem Buch „Und auf einmal diese Stille – Die Oral History des 11.
September“ geändert.
Der Autor hat etwa drei Jahre lang die Erzählungen von
Zeitzeugen gesammelt, die darüber berichteten, wie sie den Tag erlebt haben. Es
sind unter anderem Arbeitnehmer aus den beiden Türmen des World Trade Centers und
dem Pentagon, Politiker, Feuerwehrleute, Polizisten und Angehörige der Opfer.
Einige der Interviews hat Garret M. Graff selbst geführt. Er hat die Aussagen
in eine zeitliche Reihenfolge gebracht und thematisch aufgearbeitet. Beginnend
mit dem 10.09.2020 entstand auf diese Weise bei mir beim Lesen ein
Stimmungsbild von den späteren Schauplätzen der Geschehen bei dem nichts auf
das folgende Chaos, die Konfusion und die Wucht der Eindrücke hindeutete. Für
viele waren gerade die Ferien vorbei und der Arbeitsalltag hatte wieder
begonnen, dienstags morgens zeigte sich der Himmel in einem wolkenlosen blau. Wenig
später versank New York in eine graue Wolke, die sogar vom All aus zu sehen
war.
„Und auf einmal diese Stille“ wird der Captain eines Einsatzfahrzeuges der Berufsfeuerweht im Buch zitiert. Ihm fiel auf, dass nach den Einschlägen der beiden Flugzeuge in die Türme, viele Einsatzkräfte mit großer Geräuschkulisse eintrafen. Während er aber in der Lobby im Erdgeschoss des Nordturms steht und viele zu diesem Zeitpunkt schon zur Hilfe ausgeschwärmt sind, hängt die plötzliche Ruhe wie eine Bedrohung in der Luft. Stille herrscht auch in der riesigen grauen Staubwolke, die sich nach dem Einsturz der Türme bildet und alles bedeckte. Die Luft ist zum Schneiden dick und gibt Laute nicht weiter. Auch hierzu finden sich Augenzeugenberichte im Buch.
Aber Garrett M.
Graff fängt nicht nur die Stimmen rund um das Geschehen am Vormittag ein,
sondern beschäftigt sich auch mit den weiteren Rettungsaktionen, die sich über
Stunden, Tage und Wochen hinzogen. Am Rande versucht er auch die politischen
Hintergründe einzubinden und seine gesammelten Stimmen beschreiben die
Mechanismen, die in einer solchen Bedrohungslage einsetzen, um bedeutende Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens wie beispielsweise den Präsidenten zu schützen.
Meine Erinnerungen an diesen verheerenden Tag kehrten beim
Lesen wieder, allerdings rückten die bewegten Bilder, die man aus dem Fernsehen
kannte durch die Berichte näher als je zuvor. Ich empfehle das Buch jedem zum
Erinnern, Erfahren und niemals vergessen, was Terror bewirken kann.