Der Roman „Zugvögel“ der Australierin Charlotte McConaghy
ist eine Dystopie und spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der Tiere mit
Ausnahme von Haustieren fast ausgestorben sind. Die Autorin ist eine
erfolgreiche Fantasyautorin, mit diesem Buch legt sie ihr literarisches Debüt
vor.
Die 34-jährige Franny hat in ihrem Leben manchen
Schicksalsschlag verkraften müssen. Das Meer hat sie immer geliebt und den
Nervenkitzel, den potentielle Gefahr mit sich bringt. Jetzt ist sie nach
Grönland gefahren, um von dort aus den letzten Küstenseeschwalben nach Süden zu
folgen. Dazu hat sie drei Vögel einer dortigen Kolonie mit einem Peilsender
ausgestattet. Hochseefischerei steht kurz vor dem endgültigen Verbot, doch in der
ostgrönländischen Stadt Tasiilaq gelingt es ihr, den Kapitän eines Fischerboots
davon zu überzeugen, sie mitzunehmen unter dem Verweis, dass die Seeschwalben
letzte Heringsschwärme auffinden werden.
Frannys Motiv, den Zugvögeln zu folgen, ist ihr selbst nicht
wirklich klar. Indem sie sich um die Fahrt auf einem Fischerboot bewirbt setzt
sie sich über ihre eigenen Überzeugungen hinweg, denn ihr liegt der Artenschutz
am Herzen, dem die Überfischung der Meere entgegensteht. Die Mitglieder der Crew
sind unverwechselbare Charaktere, an ihrer Seite wird die Reise zum Abenteuer.
Ihre bewegte Vergangenheit begleitet Franny an Bord und lässt sie auch dort
nicht ruhen. Immer wieder gleiten ihre Gedanken zu bestimmten bewegenden
Ereignissen in ihrem Leben.
Charlotte McConaghy lässt die Protagonistin ihre Geschichte
in der Ich-Form erzählen. Bereits auf der ersten Seite deutet sie die
Ruhelosigkeit von Franny an, die immer wieder zu Abschieden und Neuanfängen
führt. Für ein Erlebnis in diesem Zusammenhang, dass sich ereignete als sie
zehn Jahre alt war, gibt sie sich die Schuld, weil sie glaubt, dass sie dadurch
den Kontakt zu ihrer Mutter verloren hat. Dennoch ist sie weiterhin rastlos.
Die Autorin findet Worte voller Klarheit, teils poetisch, um das Geschehen
auszudrücken.
Obwohl ein Teil des Romans auf begrenztem Raum an Bord des
Boots mitten im Ozean spielt, sorgen die ungewöhnlichen Figuren, deren Lebensgeschichte
sich für mich mit und mit durch die Gespräche Frannys mit den Crewmitgliedern
erschloss, für Abwechslung. Charlotte McConaghy beschreibt die täglich
anfallenden Tätigkeiten auf dem Fischerboot, bei denen auch Frannys Mithilfe
von Anfang an gefordert wird und ließ mich dabei die Kraft des Meeres beim
Wellengang und die Unabdingbarkeit von Teamarbeit beim Verrichten der schweren
Arbeit durch ihren Sprachstil förmlich spüren.
Die Autorin thematisiert den Klimawandel auf eine ganz
eigene Weise, die fesselnd ist, atmosphärisch dicht, die mich mitleiden ließ
und neugierig machte auf die in der Vergangenheit der Protagonistin verborgenen
Geheimnisse, so dass sich ein schneller Fluss des Lesens ergab.
Franny begleitet dank ihrer starken Willenskraft im Roman
„Zugvögel“ von Charlotte McConaghy Küstenseeschwalben auf der längsten Reise
ihres Lebens. Die Fahrt auf dem Hochseefischerboot steht symbolisch auch für
das Leben der Protagonisten mit vielen Höhen und Tiefen. Gerne empfehle ich
diese bewegende, intensive Geschichte, die in Erinnerung bleibt, weiter.