In ihrem Roman „Unter uns das Meer“ schreibt die
US-Amerikanerin Amity Gaige über die beiden liebsten „Juliets“ des Michael
Partlow: das ist zum einen seine Frau, zum anderen seine Segelyacht, die seine
Ehe aus einer Krise im übertragenen Sinne hinaussegeln soll. Die Idee soll ihm
seinen großen Lebenstraum erfüllen und gleichzeitig soll das Leben mit seiner
Familie auf engem Raum und ringsum und unter sich nur das Meer eine
Fokussierung auf das Wichtigste bewirken. Alle bisherigen Sorgen und Probleme
im Alltag sollen zurückbleiben und den Kopf freimachen.
Der Roman beginnt mit einer Merkwürdigkeit, denn Juliet
Partlow, Mutter der achtjährigen Sybil und des dreijährigen George, sitzt im
Schrank ihres Ehemanns Michael. Juliet erzählt aus der Ich-Perspektive in
Rückblicken, bis hin zu einem verstörenden Erlebnis als Jugendliche, das zu
einem Bruch im Verhältnis zu ihrer Mutter führte. Doch nicht nur diese
Begebenheit, sondern auch die Streitigkeiten in der Ehe ihrer Eltern lassen sie
nicht auf die Liebe vertrauen Sie hat sich für ihre Familie entschieden und ihr
Dissertationsvorhaben aufgegeben.
Die Rollen des Ehepaars haben sich über die Jahre hinweg eingespielt.
Er arbeitet viel und lange, sie kümmert sich um Kinder und Haushalt. Längst hat
sie bemerkt, dass sich keiner für ihre Ansichten zur Lyrik interessiert, wohl
aber über einfache Dinge im Alltag. Ihr Selbstwertgefühl leidet darunter, der
Tagesablauf wirkt immer gleich, langweilt, stresst. Juliet versucht Ansprüche
zu erfüllen, die sie sich selbst setzt, um mit den Freunden und den Müttern der
Kinder mithalten zu können.
Juliets Schilderung wird immer wieder unterbrochen von
begeisterten Logbucheinträgen Michaels. Auf diese besondere Weise steuern die
beiden Erzählstränge aufeinander zu. Michael bleibt auch noch nach Aufgabe
seiner Arbeitsstelle optimistisch in Bezug auf die Zukunft. Trotz depressiver
Phasen oder gerade deswegen ist Juliet fest entschlossen, sich der
Unsicherheiten, die die Seereise mit sich bringt, auszusetzen. Die Entscheidung
verändert vieles für beide. Dem Meer ist der soziale Status egal, hier brauchen
Michael und Juliet ihre Fassade nach außen hin nicht aufrechtzuerhalten. Der
enge Raum an Bord bildet bald für die Familie ihren eigenen kleinen Kosmos,
überschaubar und doch mit so viel Gefahr verbunden, wie die Vier es zunächst
nicht ahnen können.
Die Autorin überzeugt nicht nur mit der feinsinnigen
Darstellung einer Liebesbeziehung, sondern auch mit der Beschreibung einer einzigartigen
Umgebung, die mit der Reise verbunden ist. Was den Roman so ansprechend macht
ist allerdings die Gemeinsamkeit zwischen Ehe und dem Segeln, denn hier wie
dort sind Probleme und Krisen nicht vorhersehbar und bergen Risiken, die Leben
verändern können.
Amity Gaige versteht es in ihrem Roman „Unter uns das Meer“ von
Beginn an eine unterschwellige Spannung aufzubauen, indem sie den Leser bewusst
im Ungewissen über den Ist-Zustand von Juliet und ihrer Familie lässt. Das Ende
des Romans ist allerdings eher unspektakulär. Gerne empfehle ich diesen
mehrschichtigen, komplex aufgebauten Roman weiter.