Rezension von Ingrid Eßer
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Thema des Romans „Was uns verbindet“ von Shilpi Somaya
Gowda, einer in Kalifornien lebenden Autorin mit indischen Wurzeln, sind
verschiedene Formen der Trauerverarbeitung innerhalb einer Familie. Das Cover
spielt einen glücklichen Tag am Meer vor. Doch als die Tochter der Olanders,
jener Familie, die in der Erzählung im Fokus steht, an einem Maitag 2015 allein
am Strand gesehen wird, wirkt sie verstört. Wie es dazu kam, erzählt die
Geschichte und auch davon, was nach dem Vorfall geschieht.
Karina Olander ist fünf Jahre älter als ihr Bruder Prem.
Beide Eltern sind berufstätig, so dass sie schon früh in die Verpflichtung
genommen wird. Während einiger Stunden am Nachmittag kümmert sie sich um ihren
Bruder, während die beiden allein zu Hause sind. Ihr Vater Keith ist
Investmentbanker. Aufgrund einer Finanzkrise hat er zeitweise um seinen Job
gebangt, so dass er sich nun unermüdlich seinen beruflichen Aufgaben widmet, um
den Leistungsansprüchen gerecht zu werden. Die Eltern von Jaya, der Mutter,
stammen aus Indien. Jayas Vater ist Diplomat, darum hat die Familie immer
wieder in einem anderen Land gelebt, doch ihre Heirat mit Keith hat sie in Kalifornien
heimisch werden lassen. Trotz einiger Höhen und Tiefen hinweg ist Harmonie in
der Familie spürbar bis eines Tages im Jahr 2009 das Schicksal zuschlägt und
alles verändert.
Jedes Familienmitglied versucht auf eine andere Art mit der
Tragödie zurecht zu kommen. Die Kapitel sind immer mit einem Namen des Teils
der Familie betitelt, der darin zur Hauptfigur avanciert. Shilpi Somaya Gowda
schildert mit sehr viel Empathie wie das Unglück die Empfindungen der
Betroffenen erreicht und das zu einem langsamen Auseinanderdriften der gewachsenen
engen Verbindungen innerhalb der Familie führt.
Im Raum steht die Schuldfrage, wie sie auch in der Realität
oft nach einem Unfall zu finden ist. Betroffen davon ist vor allem Karina, die
sich mit ihren dreizehn Jahren gerade in einer pubertären Phase befindet, in
der sie nach Anerkennung sucht und viele Dinge in ihrer Umgebung auf den
Prüfstand stellt. Doch statt Vertrauen und Unterstützung zu finden, sind ihre
Eltern jetzt selbst in einer schwierigen Lage und erkennen nicht, in welchen
Dingen ihre Tochter ihre gefühlvolle Hilfe benötigt. Auch Jaya fühlt sich
schuldig und entdeckt ihre spirituelle Seite. Das gegenseitige Unverständnis
wächst, das Unausgesprochene steht immer mehr im Raum.
Aber dabei belässt die Autorin es nicht, sondern folgt ihren
Figuren auf ganz eigenen Wegen und bietet dabei Einblicke in verschiedene
Subkulturen. Es entbehrte letztlich nicht einer gewissen Spannung den
Familienmitgliedern beim Aufbau neuer Beziehungen zu folgen. Bis zum Schluss
ließ sie mich Bangen und Hoffen, ob es für die ganze Familie doch noch eine
erfreuliche Zukunft geben wird.
Auf eigene einfühlsame Art verbindet Shilpi Somaya Gowda die
Gefühlswelt der vier Familienmitglieder in ihrem Roman „Was uns verbindet“ und
öffnet dem Leser dabei auch ein Tor jenseits der realen Welt. Sie zeigt auf,
was Familie vereinen und woran der Zusammenhalt in der Familie scheitern kann,
verbunden mit schönen, aber auch schmerzhaften Erfahrungen. Gerne empfehle ich
die Geschichte weiter.