Rezension von Ingrid Eßer
Dem „Brombeerfuchs“ kommt in der gleichnamigen Fantasy ab
zehn Jahren der in Berlin lebenden Autorin Kathrin Tordasi nur eine Nebenrolle
zu, denn Portia Beale und Ben Rees, beide 12 Jahre alt, sind die Protagonisten
der Geschichte. Gemeinsam entdecken die beiden „Das Geheimnis von Weltende“,
wie es auch im Untertitel des Buches heißt.
Weil es ihrer Mutter nicht gutgeht, fährt die in London
lebende Portia zwei Wochen in ihren Sommerferien zu ihren Großtanten Bramble
und Rose, von denen die eine Autorin und die andere Lektorin ist. Die beiden
wohnen in dem kleinen Ort Trefriw in Nordwales. Erst sind es nur einige kleine
seltsame Begebenheiten, die Portia in ihrer neuen Umgebung auffallen, doch als
Ben, der der Sohn der örtlichen Buchhändlerin ist, nicht zu einem vereinbarten
Treffen kommt, folgt sie dem Fuchs Robin zu einer alten verschlossenen abseits
gelegenen Tür inmitten eines von Gebüsch überzogenen Mauerrests.
Mittels eines Schlüssels, den Portia kurz zuvor aufgrund
ihrer Neugier im Haus der Tanten gefunden hat, ist es ihr möglich, die Tür zu
öffnen, die einen Weg freigibt zu einer magischen Welt. Doch davon ahnt Portia zunächst
nichts, denn das nötige Wissen über die Anderswelt ist über die Jahre und
Jahrzehnte hinweg abhandengekommen. Ben ist zunächst unbedarft, als ein
magisches Wesen ihm und Rose darüber Bescheid gibt, dass das Portal geöffnet
wurde und nun unmittelbares Handeln nötig ist. Nur wenige wissen, dass das Ende
der sichtbaren und unsichtbaren Welt vielleicht kurz bevor stehen könnte.
Zu Beginn gibt Kathrin Tordasi dem Leser im Prolog anhand
einer kurzen Fantasiegeschichte einen kurzen Einblick in die mysteriöse
Anderswelt, in der für die Waliser seit jeher die Feen wohnhaft sind. Dadurch
baute sie gleich von Anfang an eine gewisse Spannung auf, denn der Zutritt zu
dieser magischen Welt bedeutet große Gefahr. Als es nun Portia gelang, die Tür
zu öffnen, befürchtete ich das Schlimmste.
Die Autorin hat ihre Charaktere gut ausformuliert. Portia
und Ben sind noch unerfahren darin, zwischen verschiedenen, ihnen gebotenen
Möglichkeiten abzuwägen. Die magische Welt, die sie bisher nur aus Büchern
kannten, erscheint ihnen wie ein Traum. Daher ist es nicht verwunderlich, dass
ihre Menschenkenntnis hier wenig ausreichend ist, um all die Stolpersteine zu
erkennen, die ihnen im übertragenen Sinne in der Anderswelt durch die
fabelhaften Wesen in den Weg gelegt werden. Während Ben eher mehr geerdet
wirkt, lässt Portia sich immer wieder durch ihren Vorwitz und ihre Lebensfreude
zu spontanen Aktionen verleiten, die der Erzählung zu neuen Wendungen
verhelfen. Auch durch die Angst mancher Figur oder ihrer Sprunghaftigkeit
erreicht die Autorin es, ihrer Geschichte unerwartete Richtungsänderungen zu
verleihen. Jedem Leser gibt sie mit auf den Weg, dass ein starker Zusammenhalt,
Absprache und Aufgabenverteilung in einer Gruppe eher und schneller zum
gemeinsamen Ziel führen.
Mit viel Einfühlungsvermögen spielt Kathrin Tordasi mit dem
Wissen um den Tod, der auch für die ansonsten unsterblichen Wesen in der
Zwischen- und Anderswelt durch Magie möglich ist. In Zwischenspielen wendet sie
ihren Blick kurz ab von den Protagonisten und vermittelte mir als Leser weitere
Einsichten jenseits der uns bekannten Welt. An der ein und anderen Stelle lässt
sie kurze Vergleiche mit anderen Wunderwelten durch die Nennung bekannter
fantastischer Literatur einfließen.
„Der Brombeerfuchs“ von Kathrin Tordasi ist abwechslungsreich,
unterhaltsam und lesenswert geschrieben. Das Buch ist geeignet ab 10 Jahren,
eigentlich aber eher eine All-Age-Geschichte, die ich gerne weiterempfehle.
Weil mich diese Fantasy rundum begeistern konnte, wünsche ich mir eine
Fortsetzung oder zumindest weitere Erzählungen der Autorin.