Rezension von Ingrid Eßer
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Der Roman „Das Lichtenstein – Modehaus der Träume“ von
Marlene Averbeck ist der erste Teil einer Trilogie, die das fiktive Warenhaus
Lichtenstein am Hausvogteiplatz in Berlin, der Inhaber sowie einige der
Angestellte in den Mittelpunkt stellt. Im ersten Teil schildert die Autorin die
Ereignisse in den Jahren 1913 bis 1918.
Die Kapitel wechseln zwischen vier Hauptfiguren und sind mit
deren Vornamen betitelt. Hedi ist eine davon. Sie hat gerade das Lyzeum beendet
und lebt bei ihrer Mutter Hilde, die vor kurzem verwitwet ist. Hilde wünscht
sich eine baldige Heirat ihrer Tochter, damit diese gut versorgt ist für die
Zukunft. In ihrem Haushalt putzt die aufstrebende Schauspielerin Ella. Sie ist
eine weitere Hauptfigur, die zurzeit allein von ihrer Gage noch nicht leben
kann. Hedi hält wenig von dem Wunsch ihrer Mutter und besorgt sich stattdessen eine
Stellung beim Lichtenstein als Ladenmädchen, um zum Unterhalt beizutragen. Dort
freundet sie sich mit der ausgebildeten Schneiderin Thea an. Neben Hedi, Ella
und Thea ist auch Jacob Lichtenstein, der ältere Sohn des Warenhausgründers,
Protagonist des Romans.
Ihre Hauptfiguren hat Marlene Averbeck geschickt ausgewählt,
um verschiedene Aspekte des Lebens in Berlin im Zusammenhang mit einem
Warenhaus nachzuzeichnen. Die Autorin zeigt am Beispiel des innovativ denkenden
Jacob, dass Besitz und damit Vermögen allein nicht glücklich machen und
Streitigkeiten in der Familie bedeutenden Einfluss auf die Führung des
Unternehmens nehmen können. Thea kommt aus einfachen Verhältnissen, sie ist die
älteste von drei Kindern. Ihre Ausbildung, zu der ich mir mehr Informationen
gewünscht hätte, gibt ihr eine gute Basis für einen beruflichen Aufstieg. An
der Seite Ellas konnte ich in die Welt des Schauspiels, der Musik und Kunst
eintauchen.
Der Beginn des Kriegs 1914 verändert vieles, nicht nur für
die handelnden Personen, sondern auch für das Unternehmen. Das Lichtenstein
kämpft mit Umsatzeinbußen und schwindender männlicher Mitarbeiterzahlen. Doch
das sind nicht die einzigen Schwierigkeiten bei der Führung des Warenhauses.
Die ständigen Herausforderungen, denen die Protagonisten ausgesetzt sind,
bilden eine gewisse beständige Hintergrundspannung im Roman. Der Wechsel der
Personen zwischen den Kapiteln mit kleinen Cliffhangern ließen mich schnell
weiterlesen, um den jeweiligen Handlungsstrang weiter verfolgen zu können.
Marlene Averbeck zeigt in ihrem Roman „Das Lichtenstein“ die
wenig bekannte Seite Berlins als Modemetropole. Es wird deutlich, welchem
Wandel Mode und ihre Herstellung unterworfen ist. „Kleider machen Leute“ gilt
auch für die Berliner aller gesellschaftlichen Schichten, was für die
„Modemacher“ heißt, dass sie die neuesten Trends aufgreifen und bestenfalls
selbst setzen sollten. Dank guter Recherche wirkt die Darstellung der
permanenten Neuerungen im Verkauf des Warenhauses realistisch und vorstellbar,
die handelnden Personen agieren durchgehend natürlich im Umfeld der damaligen
Zeit und passen ihre Entscheidungen und Meinungen meist den aktuellen
Entwicklungen an. Gerne empfehle ich das Buch weiter und freue mich auf die
Fortsetzung.