Rezension von Ingrid Eßer
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Der Roman „Und die Welt war jung“ von Carmen Korn spielt im
Zeitraum von 1950 bis 1959 und nimmt drei Familien in den Mittelpunkt, die
verwandt beziehungsweise miteinander befreundet sind. Es ist ein Jahrzehnt, in
dem Deutschland geprägt ist vom Wiederaufbau bis hin zum zaghaften Anfang einer
Frauen- und Friedensbewegung. Das Schlagwort „Wirtschaftswunder“ wird für diese
Zeit oft benutzt, um das schnelle Wachstum der damaligen Wirtschaft
auszudrücken. Carmen Korn verknüpft ihre Erzählung eng mit ihren Figuren, die
in Hamburg, Köln und San Remo leben. Auch hier zeigt sich, wie die handelnden
Personen durch die dem Wandel unterliegende Umgebung geprägt werden.
Der Galerist Heinrich und Gerda Aldenhoven wohnen mit ihren jungen
erwachsenen Kindern Ursula und Ulrich und zwei alleinstehenden Kusinen von
Heinrich in Köln. Zunächst wird der Alltag durch die angespannte finanzielle
Situation des Haushalts beeinflusst, denn es wird noch wenig in Kunst
investiert. Schon viele Jahre lang kennt Gerda ihre beste Freundin Elisabeth
Borgfeldt, die mit ihrem Mann Kurt in Hamburg in einem Mehrparteienhaus lebt.
Zum Haushalt gehört auch die verheiratete Tochter Nina und der Enkel Jan,
dessen Vater als im Krieg verschollen gilt. Als Bankangestellter hat Kurt ein
sicheres Einkommen, das wohlüberlegt ausgegeben werden möchte.
Heinrichs Schwester Margarethe ist mit dem italienischen
Restaurator Bruno Canna verheiratet und wohnt mit ihm in San Remo. Das Ehepaar
hat den jungen erwachsenen Sohn Gianni, der sich darauf vorbereitet in den
Blumenhandel der Familie einzusteigen. Brunos Beruf bietet zwar den nötigen
Abstand zu seiner Mutter, die als Patriarchin über ihre Familie wacht, doch
keine Beschäftigungsgarantie.
Carmen Korn führt eine hohe Anzahl Personen durch die von
ihr beschriebene Zeit. Um den Überblick zu behalten ist ein Personenverzeichnis
und Stammbäume der Familien dem Roman vorgeschaltet. Bei der Vorstellung der
Figuren gibt die Autorin einen kurzen Abriss über deren familiären beziehungsweise
beruflichen Hintergrund. Das Jahr wird beim Jahreswechsel entsprechend
angekündigt, die dann folgenden Kapitel sind mit Tag und Monat betitelt. Die
drei Handlungsstränge werden kontinuierlich fortgesetzt und folgen den
Handlungsorten.
Wie in ihrer Jahrhundert-Trilogie so findet sich auch in
diesem Roman der eigenwillige Schreibstil der Autorin mit kurzen Kapiteln,
verkürzten Sätzen und der zügig voranschreitenden Entwicklung durch einige
Zeitsprünge. Darin spiegelt sich die Vergänglichkeit des Moments wider und die
Chance zu Neuanfängen. Die Schatten des Kriegs sind in einigen Aspekten immer
noch zu spüren, deutlich wird das vor allem bei Nina, die ihren Ehepartner
vermisst. Über die Jahre hinweg wächst die Kaufkraft der Bevölkerung und jenseits
der Grundversorgung kann langsam auch daran gedacht werden, sich darüber hinaus
wieder etwas Schönes zu leisten. Aber alle Protagonisten haben ihre eigenen
Sorgen und Nöte und auch jenseits des Krieges wird jung gestorben, was der
ganzen Geschichte einen durchgehend melancholischen Touch verleiht.
Deutlich wird auch die Gebundenheit, vor allem der Frauen an
die Gesetze und die Konventionen ihrer Zeit. In der Generation der Kinder der
Paare, die im Fokus stehen, schafft Carmen Korn dementgegen das Bild der Frau,
die im Beruf Erfüllung findet. Sie kennt die von ihr gewählten Orte aus eigener
Erfahrung sehr gut, was den Schilderungen Authentizität verleiht. Immer wieder
lässt sie den örtlichen Dialekt einfließen und beschriebt bei Mahlzeiten die
regionale Küche. Daneben konnte ich über gerade aktuelle Filme, Musik und
Bücher lesen. Die Geschichte spielt allerdings nur im städtischen Bereich, so
dass die Nachkriegsentwicklung auf dem Lande außen vor bleibt. Die historischen
Hintergründe sind bestens recherchiert. Einige Ausführungen innerhalb der
fiktiven Handlungsstränge sind kleinteilig und führen zu wenigen Längen.
„Und die Welt war jung“ ist der Auftakt der Dilogie einer
Drei-Städte-Saga von Carmen Korn, die im gewohnt rasanten Stil durch die 1950er
Jahre dreier Familien führt, die in Hamburg, Köln und San Remo leben. Das Buch
endet mit einem Cliffhanger, der mich auf die baldige Fortsetzung hoffen lässt.
Für alle Carmen Korn-Fans ist der Roman ein Muss, gerne empfehle ich ihn allen
Lesern, die historische Romane aus dem letzten Jahrhundert mögen.