Rezension von Ingrid Eßer
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Der Roman „Bergsalz“ von Karin Kalisa verbindet Gegenwart
und Vergangenheit auf ungewöhnliche Weise. Die Autorin greift dazu weit zurück,
bis zum Vorgang der Vereinödung im Allgäu im 16. Jahrhundert. Hierzu
unterbricht eine Geschichte immer wieder die Kapitel, die im Jetzt spielen. Die
Verbindung beider Handlungsebenen wird erst zum Ende des Buchs deutlich. Der
Titel nimmt Bezug auf den Inhalt des Romans, denn er nennt ein lebensnotwendiges
und völkerübergreifend bekanntes Lebensmittel, dass für jeden so wichtig ist
wie Gemeinschaft.
Viele Jahre später erlebt die dörfliche Einsamkeit eine neue
Bedeutung, denn nun sind es die Mütter und Ehefrauen, die in den kleinen
Dörfern nach dem Auszug der Kinder und dem Tod oder der Scheidung allein in
ihren Häusern zurückbleiben. Und obwohl Haus neben Haus im Ort steht, sind sich
die Nachbarn fremd geworden, jeder hat sein Wirkungsfeld gegen andere
abgegrenzt und abgesichert, auch die inneren Mauern sind mit den Jahren
gewachsen.
Doch eines Tages steht in einem 500-Seelen Dorf in der
Voralpenregion Johanna, noch nicht lange verwitwet, vor der Tür ihrer alleinstehenden
Nachbarin Franzi und bittet diese um Mehl. Franzi begreift schnell, dass es
hier nicht darum geht, ein fehlendes Lebensmittel zu erfragen. Kurz
entschlossen lädt sie Johanna zu ihrem Mittagsmahl ein. Aber dann klingelt es
nochmal und die Nachbarin Elisabeth kommt ihr Paket abholen. Auch für sie ist
noch genug zu essen da. Daraus entwickelt sich eine Bewegung, die schließlich
die Möglichkeit aufgreift, im stillgelegten Dorfgasthof für die dort inzwischen
ansässigen Flüchtlinge und alle Interessierten zu kochen
Es ist schön zu verfolgen, wie sich aus der
Graswurzelbewegung zunehmend etwas Großes entwickelt und das Miteinander auch
auf politischer Ebene auf diese Weise Gehör findet. Berührt verfolgte ich, wie
immer mehr Personen sich in den Dienst der gemeinsamen Sache stellten und nach
ihren eigenen Fähigkeiten entsprechend Hilfe leisteten. Erfreut stellte ich
fest, dass sich auch die jüngere Generation und die Migranten zum Mittun
angesprochen fühlten und die gelungene Zusammenarbeit letztlich das Dorf
attraktiver machte.
Aber im letzten Viertel des Buchs verliert der Roman seine
Basis und schweift ab von der immer größer werdenden Aktion des Miteinanders
jenseits von Herkunft, Alter und Geschlecht bis sie sich in einer mystischen
Beschreibung verliert. Ich fand das unpassend fand und denke, dass es eine
andere Möglichkeit gegeben hätte, die damit gewollte Aussage realistischer darzustellen.
Gerne hätte ich mehr über das gemeinsamen Aktivitäten und dem Austausch
zwischen den Kulturen erfahren.
„Bergsalz“ von Karin Kalisa ist ein Roman mit gelungenem
Anfang über die Kraft der Gemeinschaft, die dabei hilft Einsamkeit zu
überwinden, der leider sein Potenzial nicht voll ausschöpft.